Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Pflegestützpunkt Vegesack Gut zuhören und Hilfe organisieren

Der Pflegestützpunkt Vegesack ist vom Haven Höövt in die Breite Straße gezogen. Nach anfänglicher Skepsis bei den Krankenkassen haben sich die Beratungs-Einrichtungen inzwischen etabliert.
12.04.2018, 18:08 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Volker Kölling

Vegesack. Raus aus dem Haven Höövt, ran an Vegesacks Fußgängerzone: Der Pflegestützpunkt Nord ist in die Breite Straße 12d in die ehemaligen Räume der AOK-Geschäftsstelle umgezogen. Nur die Parkplatzsituation ist schlechter als am alten Standort. Bei der Einweihung freuten sich über fünfzig Gäste mit den Pflegeberaterinnen über die barrierefreien, hellen Beratungsräume und den neuen Vortragsraum.

Medizinclowns mit Ukulele warten am Eingang, drinnen im Foyer gibt es Sekt und Saft. Die Gäste verteilen sich rund um die drei Beratungsplätze im großen Rund. Dabei macht Cornelius Erbe als Vertreter der Krankenkasse HKK in seinem Grußwort klar, dass die Stimmung gerade bei den Kassen angesichts der Gründung der drei Bremer Pflegestützpunkte im Jahr 2010 eher frostig war: „Anfangs waren wir sehr skeptisch. Wir haben eine Weile gebraucht, um uns mit der Idee von diesem weiteren Beratungsangebot anzufreunden. Aber tatsächlich wissen Pflegende oft nicht, wo es Rat speziell für sie und ihre Probleme gibt.“ Die ersten Räume ganz hinten im Obergeschoss des Einkaufszentrums Haven Höövt waren nach Erbes Einschätzung auch kein Glücksgriff, weil man „gegen den Lauf der Kundschaft“ Beratung angeboten habe.

Angesichts der Schwierigkeiten, eine komplett neue Beratungseinrichtung der Kranken- und Pflegekassen sowie der Sozialbehörde zu schaffen, muss man den Erfolg der Pflegestützpunkte laut Erbe umso höher einschätzen: Allein die 50 Vorträge im Jahr seien schon „eine erhebliche Grundlast“. Dazu könnten die Beraterinnen vor Ort den Ratsuchenden inzwischen aber Lösungen anbieten, die genau auf deren Probleme zugeschnitten sind. Die Mitarbeiterinnen seien durch die Bank sehr zugewandt, empathisch und offen für die Probleme der Menschen. Inzwischen sei eine Lehre aus der Arbeit der Pflegestützpunkte, die Idee, eine ganz neuen Ausbildung zum Pflegeberater anzubieten, so Cornelius Erbe.

Zuvor hatte schon Sozialstaatsrat Jan Vries beschrieben, was der Gedanke hinter dem wohnortnahen Beratungsangebot ist: „Hier geht es darum, passgenaue Angebote etwa für Menschen mit Behinderung im Alter zu machen.“ Was damit konkret gemeint und was unter dem Begriff „Ambulantisierung“ zu verstehen ist, erläuterten die Pflegeberaterinnen Miriam Sonnenberg und Rita Rothermel vom Pflegestützpunkt Nord dann ganz konkret. Rita Rothermel zeigte in die Runde: „Wenn ich mich hier so umschaue, sieht man schon, wie gut vernetzt wir inzwischen sind.“

Rechts hinter dem Eingang geht es Richtung Vortragsraum. Von den Diabetikern bis zur Rheumaliga hätten die meisten Selbsthilfegruppen und auch die Betreuungsbehörde mit ihren Beglaubigungsangeboten den Umzug in die neuen Räumlichkeiten schon mit vollzogen, berichtet Miriam Sonnenberg.

Rita Rothermel berichtet von 350 Beratungen allein im März: „Das ist richtig viel.“ Selten sind die Beratungen kurz. Meist betreuen die Berater ihre Kunden über Monate und Jahre. Rita Rothermel: „Wir leben von mutigen Menschen, die hierherkommen und sich ein Herz gefasst haben, über ihre oft sehr privaten Sorgen und Nöte zu reden und nach Hilfe in ihrer Situation zu fragen.“ Viele säßen kaum auf dem Stuhl und schon flössen die Tränen. Oft brauche es Trost, Zuwendung und Zusprache, bevor man sich langsam gemeinsam mit einer Verbesserung der Situation der Ratsuchenden befassen könne, so Rita Rothermel.

Ganz oft gehe es in den Gesprächen aber auch um Vollmachten und deren Unterschied zu Patientenverfügungen. Viele pflegende Ehepartner kämen mit der der Frage nach Entlastungsmöglichkeiten. Es gehe um Pflegegeld, Pflegestufen, und mitunter sitze man auch mit Eltern zusammen, die ihre Kinder pflegen müssten, so die Pflegeberaterin: „Wir müssen bei diesen grundsätzlich sensiblen Themen oft lange sehr gut zuhören und erst einmal verstehen.“ Im nächsten Schritt geht es dann an die maßgeschneiderte Hilfe für die Ratsuchenden.

Miriam Sonnenberg erinnert sich zum Beispiel an eine 80-jährige Frau, die mit den Anträgen für die Pflege ihres 83-jährigen, an Demenz erkrankten Mannes vollkommen überfordert war. Sie stellt fest: „All das Behördendeutsch verstehen die Menschen doch nicht, schon gar nicht im Alter. Die Frau war dann mit jedem Formular wieder hier bei uns und wir haben es dann zusammen ausgefüllt.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)