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Verein drohen Einschränkungen Gutachten: Fußball im Vegesacker Stadion zu laut

Die Zukunft des Fußballsports im Vegesacker Stadion ist ernsthaft infrage gestellt. Ein Gutachter hat massive Überschreitungen der Lärm-Grenzwerte durch Training und Spiele der SG Aumund-Vegesack festgestellt.
31.07.2015, 00:00 Uhr
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Gutachten: Fußball im Vegesacker Stadion zu laut
Von Jürgen Theiner

Die Zukunft des Fußballsports im Vegesacker Stadion ist ernsthaft infrage gestellt. In einem Rechtsstreit um die Lärmbelastung durch Training und Punktspiele droht der SG Aumund-Vegesack (SAV) eine juristische Niederlage, nachdem ein Gutachter massive Überschreitungen der geltenden Grenzwerte festgestellt hat.

Sollte das Amtsgericht Blumenthal sein noch ausstehendes Urteil auf dieser Grundlage fällen, dann wäre der Spielbetrieb auf der Anlage in seiner jetzigen Form nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Das Gutachten des Bremer Sachverständigen Stefan Nave stammt von Anfang Juni. In den Wochen zuvor hatte der Ingenieur an vier Tagen auf einem Grundstück in der Uhthoffstraße Messungen vorgenommen. Dort wohnen die Kläger, die vor dem Amtsgericht eine Einschränkung der Nutzungszeiten des Kunstrasenplatzes durchsetzen wollen.

Die Auswertung der akustischen Aufzeichnungen war eindeutig. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, „dass die Geräuschemissionen an den vier Messtagen eindeutig und erheblich die werktäglichen Ruhezeitenrichtwerte für allgemeine Wohngebiete überschritten“, wie es in der Zusammenfassung heißt. Die Ruhezeit beginnt an Werktagen um 20 Uhr, und zu dieser Zeit ist der Trainingsbetrieb der SAV normalerweise noch nicht beendet. Noch schlechter sähe es künftig für den Verein an Sonntagen aus. Dann dürfte nach den Berechnungen des Experten auch außerhalb der Ruhezeiten nur noch 75 Minuten gekickt werden. Da ein Fußballspiel aber nun einmal 90 Minuten dauert, könnte die SAV den Sonntag für Punktspiele im Stadion abhaken.

Krisensitzung

Die Spitzen des Vereins und seiner gut 400-köpfigen Fußballsparte berieten am Donnerstag in einer Krisensitzung darüber, wie auf die aktuelle Entwicklung zu reagieren ist. Bereits jetzt hat der Rechtsstreit mit dem Anwohnerpaar Zöllner den Klub viel Geld gekostet, das man lieber in sportliche Aktivitäten gesteckt hätte. Knapp 5500 Euro musste die SAV für Gutachten- und Gerichtskosten vorstrecken. Die eigenen Anwaltskosten dürften diesen Betrag noch übersteigen. Klubchef Rolf Honisch sagte nach der Zusammenkunft, man werde die aktuelle Situation in der kommenden Woche mit dem Vereinsanwalt besprechen. „Im Grunde verstehen wir gar nicht, warum man überhaupt die SAV verklagt. Schließlich sind wir nur der Nutzer und nicht der Eigentümer der Sportanlage. Eigentlich wäre die Stadt der richtige Adressat für die Anwohner“, findet Honisch.

In der Fußballabteilung greift derweil eine gewisse Frustration um sich. Spartensprecher Holger Franz macht deutlich: „Wenn es zu derart gravierenden Einschränkungen kommt, wie sie im Gutachten nahegelegt werden, dann stelle ich meinen Dienst ein.“ Nach Franz’ Darstellung müssten diverse Mannschaften den Trainingsbetrieb einstellen, sollten die Stadionplätze künftig nicht mehr nach 20 Uhr zur Verfügung stehen.

Hoffnungsschimmer

Ein Hoffnungsschimmer für die SAV-Kicker – und auch für viele andere Vereine in ähnlichen Konfliktsituationen – scheint im politischen Raum auf. Auf Bundesebene gibt es Bestrebungen, das Immissionsschutzrecht so zu ändern, dass Sportanlagen künftig einen größeren Schutz genießen und dort höhere Lärmpegel zugelassen sind – ähnlich wie sie der Gesetzgeber vor einiger Zeit Kinderspielplätzen zugestanden hat. Doch diese Willensbekundungen der Politik haben für die SG Aumund-Vegesack in der aktuellen Auseinandersetzung noch keinen Wert.

Das weiß auch Sportplatz-Anwohner Andreas Zöllner. Er sieht seine Position in der schon zweieinhalb Jahre andauernden juristischen Auseinandersetzung gestärkt. „Wir freuen uns grundsätzlich über das Gutachten“, sagt Zöllner. Eine gütliche Einigung mit der SAV hält er immer noch für möglich – allerdings erst nach einem Urteil des Amtsgerichts, das die Basis für einen Dialog darstellen müsse. „Ich bin der Letzte, der sich dann einer Einigung widersetzt.“ Aus Zöllners Sicht hätte es auch im Vorfeld des Prozesses einen Konsens geben können. „Aber der Kompromissvorschlag der SAV bestand darin, die Betriebszeiten, gegen die wir klagen wollten, festzuschreiben. Das war natürlich keine Gesprächsgrundlage.“ Kritikwürdig findet Zöllner auch, „dass die SAV die ganze Zeit auf die Tränendrüse drückt und so tut, als ob es bei der Nutzung des Sportplatzes um Alles oder Nichts geht. Dabei verlangen wir nur, dass wochentags um 20 Uhr Ruhe ist und der Lärm sonntags begrenzt wird“.

Kommentar von Jürgen Theiner: Ein Vermittler ist gefragt

Der Streit um die Betriebszeiten im Vegesacker Stadion treibt bizarre Blüten. 75 Minuten könnte dort laut Gutachten sonntags noch gespielt werden – werden die restlichen 15 Minuten dann am Montag nachgeholt?

Es mag für die Fußballer der SG Aumund-Vegesack ein schwacher Trost sein, aber sie sind nicht die Einzigen, die sich gegen Beschränkungen für ihr Hobby zur Wehr setzen müssen. Deutschlandweit wird um Sportanlagen prozessiert, weil bei vielen Anwohnern die Toleranzschwelle gesunken ist. Dass meist der Fußballplatz zuerst da war, ficht diese Nachbarn nicht an. Es gibt Vereine im Bremer Umland, die ihre angestammten Reviere im Zuge solcher Auseinandersetzungen bereits aufgeben mussten.

So weit muss es in Vegesack nicht kommen. Ein Weg, der noch offen steht, wäre eine Mediation. Ein professioneller Schlichter könnte die Streitparteien an einen Tisch holen, die verhärteten Fronten aufweichen und eine außergerichtliche Einigung anbahnen. Wenn es SAV und Anwohner ernst meinen mit ihrer Bereitschaft zum Kompromiss, dann sollte diese Option genutzt werden.

Auch der Gesetzgeber ist gefragt. Die Politik weist dem Breitensport heutzutage viele gesellschaftliche Aufgaben zu. Er soll Kindern Tugenden vermitteln, die Integration von Zuwandern erleichtern, zu ehrenamtlichem Engagement ermuntern. Man kann die Vereine nicht mit solchen Erwartungen befrachten und sie dann im Stich lassen, wenn eine Klagewelle gegen Sportanlagen ihre Existenz gefährdet.

juergen.theiner@weser-kurier.de

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