Noch braucht es viel Fantasie, um sich lebendiges Treiben in den ehemaligen Hachez-Produktionshallen in der Neustadt vorzustellen. Das Gelände liegt wie in einem Dornröschenschlaf und wartet darauf, wiederbelebt zu werden. Auf den vier Stockwerken, wo bis 2019 noch Conchiermaschinen mit ihren speziellen Rührwerken der Bremer Schokolade den besonderen Schmelz verliehen hat oder Mélangeure mit ihren Mahlsteinen Rohkakao und Zucker miteinander vermengten, liegen momentan noch Bauschutt und alte Rohrleitungen. In einem Raum kann man die Standorte der Maschinen noch anhand von großen rechteckigen Metallsockeln erahnen.
Anfänge als Manufaktur
Fast 130 Jahre lang wurden auf dem Gelände zwischen Westerstraße und Große Annenstraße, mitten in der Alten Neustadt, feine Pralinen und Schokoladentäfelchen produziert. Dafür wurde die Produktionsstätte immer wieder "patchworkartig" erweitert, wie es der Leiter des Bremer Landesamtes für Denkmalpflege, Georg Skalecki, und sein Kollege Achim Todenhöfer ausdrücken. "Hachez hat als Manufaktur klein angefangen, die sich industriell weiterentwickelt und immer wieder erweitert hat", erklärt Todenhöfer.
Kerngebäude der alten Schokoladenfabrik stammen aus der Gründerzeit, wurden um 1900 erbaut und haben sich zum größten Teil ihren Charme erhalten. In einem Raum sind noch die originalen gusseisernen Säulen von 1890 mit ihren korinthischen Kapitellen und im ehemaligen Verwaltungstrakt die alten Holztreppen erhalten. Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Gebäude allerdings auch immer wieder den jeweiligen Anforderungen angepasst. So wurden beispielsweise in den 1980er-Jahren Fenster im Gebäudeteil an der Große Annenstraße zugemauert. Schokolade und Sonnenlicht, das vertrage sich nicht gut, sagt der Denkmalschützer.
Kerngebäude sollen bleiben
Im Zuge der Entwicklung des Hachez-Quartiers müssten aus Brandschutzgründen allerdings auch einige wenige Gebäudeteile weichen, erklärt Kristina Beckendorf, Sprecherin der dänischen Toms-Gruppe. Der gehört das Gelände in der Neustadt, an das auch Hachez angegliedert ist. Der Großteil solle aber erhalten bleiben. Die roten Backsteingebäude mit dem Türmchen zum Hof, in denen früher die Conchiermaschinen und das Fertigwarenlager untergebracht waren und zu den ältesten Teilen gehören, sollen ins neue Hachez-Quartier integriert werden. Auch der Teil mit der weißen Ziegelfassade, dem markanten Bogen und dem Hachez-Schriftzug im Giebel solle auf jeden Fall bleiben. Und auch das Pförtnerhäuschen an der Westerstraße soll bleiben, obwohl die Bremer Denkmalschützer das eigentlich nicht auf ihrer Liste hatten. "Da haben wir aber gesagt, dass es bleiben soll, weil es charakteristisch für das Hachez-Gelände ist", erklärt Kristina Beckendorf.
"Wir konzentrieren uns auf die ältesten Gebäude", sagt Todenhöfer mit Blick auf Aspekte des Denkmalschutzes. "Diese Bauten wollen wir in eine moderne Nutzung übertragen, denn Denkmalschutz muss auch wirtschaftlich vertretbar sein. Wir können da nicht die Museumsglocke drüberstülpen." Wie das genau aussehen soll, dafür gebe es noch keine konkreten Planungen, sagt Todenhöfer.
Durch den alten Verwaltungstrakt gelangt man aufs Dach der Schokoladenfabrik. Von hier bekommt man einen guten Überblick über die Größe des Geländes und seiner Lage in der Neustadt. Auf der einen Seite ragen die Domspitzen über die Bäume und Dächer, auf der anderen Seite dominiert das Hochhaus der Hochschule die Silhouette der Stadt. Das Hachez-Quartier bildet den Mittelpunkt. Und als solcher soll er in Zukunft auch wieder verstandene werden, meint Kristina Beckendorf: "Das Hachez-Quartier soll das neue Herz der Alten Neustadt werden."
Chance für Große Annenstraße
Deshalb soll das Hachez-Quartier zukünftig geöffnet werden. Die Bestandsgebäude sollen für wirtschaftliche und öffentliche Nutzung hergerichtet werden. "Eine öffentliche Nutzung dient der Denkmalvermittlung", meint Todenhöfer. Geplant sei eine sogenannte 50-30-20 Nutzung, erklärt Toms-Sprecherin Beckendorf. "50 Prozent sollen für Wohnen genutzt werden, 30 Prozent für gewerbliche und öffentliche Nutzungen, und 20 Prozent für hybride Nutzungen." In diesem Sinne sollen auf dem circa 10.000 Quadratmeter großen Areal neben 150 Wohneinheiten auch Plätze für kulturelle Einrichtungen, Cafés oder auch Co-Living- und Co-Working-Bereiche entstehen. Auf dem Grundstück an der Große Annenstraße, das momentan noch als Parkplatz genutzt wird, soll eine Kindertagesstätte entstehen. "Das Hachez-Quartier ist auch eine Chance für die Große Annenstraße", sagt Beckendorf.
Durch zwei Schneisen, die die Große Annenstraße mit der Westerstraße verbinden sollen, will man das Hachez-Quartier öffnen und zugänglich machen. Während die eine Schneise vornehmlich der Versorgung und Dingen wie der Müllabfuhr dienen soll, ist die zweite als Verbindungsachse hinunter zur Weser gedacht. Das neue Quartier soll zudem weitestgehend autofrei sein – Hauptverkehrsmittel soll das Fahrrad werden. Bis die ersten Mieter einziehen können, wird noch einige Zeit vergehen. Aktuell laufe das Bauleitverfahren. Beckendorf rechnet damit, dass 2023 die ersten Bagger anrollen und frühestens 2026 die ersten Räume bezugsfertig sind.
Ziel Netto-Null-Emissionen
Beim Projekt Hachez-Quartier müssten die Interessen der unterschiedlichsten Akteure "balanciert" werden, sagt Beckendorf. So seien das Umwelt- und Mobilitätsressort, die Wirtschaftsbehörde, die Bildungsbehörde und die Hochschule mit eingebunden. Demnach müssten Mobilitäts- und Energiekonzepte erarbeitet und Aspekte beim Thema Nachhaltigkeit mitgedacht werden, erklärt Beckendorf. Ein Ziel sei beispielsweise Netto-Null-Emissionen im Hinblick auf die Baukonstruktion, den Betrieb und die Alltagsmobilität. Auch das Schwammstadtprinzip soll angewendet werden. Hierbei wird Regenwasser dort gespeichert. So soll eine natürliche Wasserbilanz erreicht und der Trinkwasserbedarf minimiert werden. "Das Hachez-Quartier ist ein Projekt, das den nächsten Schritt in die Zukunft geht", ist sich Kristina Beckendorf sicher.