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Räume und Personal fehlen Hilferuf aus dem Kollegium: Grundschule in Lüssum in Not

Eine Grundschule in Lüssum, die sich der Inklusion verschrieben hat, setzt einen Hilferuf ab: Die Schule sei den massiven Problemen ihrer wachsenden Schülerzahl nicht mehr gewachsen. Räume und Personal fehlen.
01.12.2022, 05:00 Uhr
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Hilferuf aus dem Kollegium: Grundschule in Lüssum in Not
Von Sara Sundermann

Eltern und Kollegium einer Grundschule in Bremen-Nord fordern Hilfe: Die Tami-Oelfken-Schule in Lüssum sei völlig überlastet. Es gebe Kinder mit Beeinträchtigung, die wegen fehlender Rückzugsräume gegen die Wände schlagen. Schüler, die den Großteil des Tages in Fluren verbringen. Und Lehrkräfte, die Attacken ausgesetzt sind. Das schildern Schulbeschäftigte, das benennt der Schulelternsprecher.

Auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder könne nicht mehr eingegangen werden, heißt es in einer Überlastungsanzeige aus dem Kollegium. Es gebe an der Schule, die auch Inklusionsstandort für Kinder mit geistiger Beeinträchtigung ist, einen sehr hohen Anteil von Kindern mit Förderbedarf. Es fehlten genug Räume und Personal, um angemessen auf sie eingehen zu können. Die Schule habe seit Jahren immer wieder gegenüber dem Bildungsressort auf ihre Lage aufmerksam gemacht.

Schule muss stark wachsen

Die Oelfken-Schule musste zuletzt wachsen – von einem Standort mit zwei Klassen pro Jahrgang auf derzeit drei Klassen pro Jahrgang. Im kommenden Schuljahr müsse die Schule voraussichtlich fünf erste Klassen aufnehmen, heißt es vom Bildungsressort. Mittelfristig solle es Entlastung durch eine Schulneugründung geben.

In keinem anderen Stadtgebiet ist die Kinderzahl zuletzt so stark gestiegen wie in Lüssum. Das Einzugsgebiet der Schule ist geprägt von Wohnblöcken, zudem sind neue Wohngebiete im Entstehen. Lüssum gilt als Problemgebiet mit vielen weniger gebildeten Bewohnern und einem starkem Zuzug von Zuwanderern und Geflüchteten. Die Kinderarmut sei in Lüssum dreimal so stark gestiegen wie im Bremer Durchschnitt, heißt es in einem Positionspapier aus dem Schulkollegium. Viele kinderreiche Familien lebten "in äußerst beengten Verhältnissen".

"Wir sind einer der kinderreichsten Stadtteile, aber es gibt weder genug Räume noch genug Fachkräfte, die Kinder werden für die Schule angemeldet und ihrem Schicksal überlassen", kritisiert Servet Terkes, Elternsprecher der Tami-Oelfken-Schule. "Schulaufsicht und Senatskanzlei wissen schon lange Bescheid und haben nicht gehandelt." Offenbar sei man in Bremen der Auffassung, dass man so mit Kindern aus bildungsfernen Familien umgehen könne. Viele Familien, deren Kinder die Oelfken-Schule besuchen, seien weniger gebildet oder hätten noch keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus: "Die trauen sich nicht, etwas zu sagen", so Terkes.

Kinder in Schulfluren betreut

Mehr als 40 Beschäftigte der Schule formulierten zuletzt eine gemeinsame Überlastungsanzeige. Der Schule fehlten massiv Räume, um Kinder in Kleingruppen zu fördern, heißt es darin. Es komme vermehrt zu sogenannten „Flurkindern“, denen Rückzugsmöglichkeiten fehlten, "sodass sie einen Großteil des Schulalltags in den Schulfluren verbringen müssen", formulieren die Beschäftigten. "Diese Kinder sind teilweise unbeschulbar und werden den ganzen Tag dementsprechend nur beaufsichtigt." Weil der Schule eine Mensa fehle, müssten zudem neun Klassen in ihren Klassenräumen essen. Kinder mit Behinderung, die eigene Räume bräuchten, schlügen gegen die Wände und würden im Unterricht laut schreien, was für die anderen Kinder und Lehrkräfte schwer zu ertragen sei.

Zudem komme es regelmäßig zu körperlichen Angriffen von Schülern auf Personal. "Lehrkräfte werden von Kindern gebissen", schildert auch Elternvertreter Terkes. "Wir haben jeden Tag Konflikte, weil viele Eltern unzufrieden sind, und die Lehrer, die wir so dringend brauchen, bekommen das alles ab." Der 53-Jährige hat nun eine Petition eingereicht. Darin heißt es, in den umliegenden Grundschulen sei die Lage genauso angespannt, es müsse sich dringend etwas ändern.

Randlage schreckt viele Lehrkräfte ab

An der Tami-Oelfken-Schule gelingt es nach Angaben aus dem Kollegium seit Jahren nicht, alle Stellen zu besetzen. Die Randlage und die Probleme im Stadtteil schreckten viele Bewerber ab. Es gebe bisher keine Personalsteuerung der Behörde, um gezielt Lehrkräfte an die Schule zu schicken.

"Wenn ein engagiertes Kollegium so um Hilfe rufen muss, hat sich in unserer Bildungslandschaft eine erhebliche Notlage entwickelt", sagt FDP-Bildungspolitikerin Birgit Bergmann. Geklärt werden müsse nun: "Ist die Lage in Lüssum ein dramatischer Einzelfall oder nur die Spitze des Eisbergs?" Die FDP hat zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft beantragt. Und die CDU machte die Lage in Lüssum am Mittwoch zum Thema in der Bildungsdeputation und überzog die Behörde mit kritischen Fragen.

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„Ich weiß um die schwierige Situation an der Tami-Oelfken-Schule", sagt Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD). "Die Schule braucht jetzt konkret Unterstützung." Es werde nun sofort mit dem Umbau der Räume und Sanitäranlagen begonnen. Bis Ende 2023 solle die Schule einen weiteren Mobilbau bekommen. Zudem solle die Schule künftig vorrangig Zugriff auf Lehrkräfte erhalten, die sich in Bremen bewerben.

Laut Personalrat Schulen ist die Lage der Tami-Oelfken-Schule kein Einzelfall – es gingen ständig Gefährdungsanzeigen aus Bremens Schulen ein. "Die Lage ist exemplarisch für die Region – im Norden und Westen sind viele Schulen chronisch unterversorgt", sagt Personalratsvorsitzender Jörn Lütjens. "Bremen befindet sich im Bildungsnotstand."

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