Zuletzt mussten neun Grundschulen in der Stadt ihr Ganztagsangebot vorübergehend einschränken. Das teilt das Bildungsressort auf eine Berichtsbitte der FDP hin mit. Zentralelternbeirat und Schulleitungen schildern, dass deutlich mehr als neun Schulen betroffen sind.
Grund für die Einschränkungen ist Personalmangel: Unbesetzte Stellen, hoher Krankenstand und Schwangerschaften im Kollegium. Die Schulen verteilen sich über die ganze Stadt: Betroffen seien jeweils zwei Schulen in den Regionen Süd, Nord und Ost sowie drei Schulen in der Region West, heißt es von der Behörde. Die Eltern würden "jeweils nach Bekanntwerden der Umstände kurz vor oder mit Beginn des Schultages telefonisch oder schriftlich informiert", dass Nachmittagszeiten ausfallen. Eine Notbetreuung werde allen berufstätigen Eltern angeboten, die einen Bedarf angemeldet hätten.
FDP-Bildungspolitikerin Birgit Bergmann, die das Thema in die Bildungsdeputation am Mittwoch einbrachte, stellt klar: "Dass der eingeschränkte Ganztag neun Schulen betrifft, ist ein alarmierendes Signal." Sie fordert: "Entweder muss man jetzt Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Personal zu finden, oder man muss so ehrlich sein und sagen: ,Wir schaffen es an einigen Schulen nicht, den Ganztag umzusetzen.'" Dann aber müsse man Eltern auch ermöglichen, eine andere Grundschule für ihre Kinder zu wählen. „Man bringt die Familien in eine ganz schwierige Situation: Die freuen sich vielleicht, dass sie einen Ganztagsplatz haben, aber dann findet das real nicht so statt.“
Laut Zentralelternbeirat Bremen (ZEB) betrifft das Problem noch deutlich mehr Standorte: „Ich glaube, neun Schulen ist untertrieben", sagt Martin Stoevesandt vom ZEB-Vorstand. „Es ist dieses Jahr ein Novum, dass wir flächendeckend eingeschränkte Ganztagsangebote haben, das hat es so noch nicht gegeben.“ Zum Teil müssten selbst gebundene Ganztagsschulen ihr Angebot einstellen, so Stoevesandt – also Schulen, in denen sich normalerweise den ganzen Tag über Unterricht und entspanntere Angebote abwechseln sollen. "Im Grunde sind wir am Melt-Down – es bricht in den Schulen an allen Ecken und Enden zusammen", sagt Stoevesandt. "Der neue Betreuer des Kindes ist nachmittags oft das I-Pad. Viele Schulen holen dann die Geräte raus und es wird zum Beispiel zwei Stunden ,Youtube Kids' geguckt."
Zu Beginn des Schuljahres hatte der Elternbeirat der Grundschule an der Grambker Heerstraße in Bremen-Nord Alarm geschlagen und einen Brief an Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) gerichtet: "Wir Eltern starten mit Bauchschmerzen in das neue Schuljahr", heißt es darin. Derzeit würden die Kinder "vorerst" nur bis 13:30 Uhr beschult. Doch bereits im vergangenen Schuljahr habe der Unterricht nicht nur vorerst, sondern das ganze Schuljahr über um 14 Uhr geendet. Grund dafür seien unbesetzte Stellen und Krankheitsfälle. "Unseren Kindern fehlen diese Ganztagsstunden", formulierte Peggy Rosendahl für den Elternbeirat.
Ein anderes Beispiel wurde von CDU-Bildungspolitikerin Yvonne Averwerser in die Deputation getragen: Die akute Personalnot der gebundenen Ganztags-Grundschule Sodenmatt. Dort kam es zuletzt zu massiven Problemen. An einzelnen Tagen sah sich die Schulleitung gezwungen, Eltern morgens um 7:45 Uhr mitzuteilen, dass der Unterricht an diesem Tag ganz ausfalle und bat die Eltern, ihre Kinder – wenn möglich – zu Hause zu lassen.
An der Schule sind zwei Lehrerstellen unbesetzt, hinzu kamen eine Schwangerschaft und mehrere Krankheitsfälle. Nun soll ab November eine Lehrerin von einer anderen Schule aushelfen, zudem wurden zwei neue Erzieherstellen für die Schule geschaffen, sagt Karsten Thiele, Referatsleiter im Bildungsressort.
Der Schultag muss in Sodenmatt derzeit aber fürs Erste weiter um 13 Uhr enden, schildert Schulleiterin Silke Zimmermann. 65 Kinder von insgesamt 160 könnten mit Notbetreuung bis nachmittags bleiben. "Der Zustand ist für alle sehr unangenehm, für die Eltern, die Kinder und auch für uns. Wir haben uns schließlich als Schule bewusst für den gebundenen Ganztag entschieden, weil wir mit den Kindern zusammen lernen und leben wollen." Zimmermann schildert auch: "Es gibt in der Stadt total viele gebundene Ganztagsschulen, die derzeit nur bis 13 oder 14 Uhr machen, alle sind auf der Suche nach Personal."
Die Behörde sollte Lehrkräfte von Schulen mit weniger Mangel an Standorte mit besonders großen Löchern schicken, fordert Stoevesandt vom ZEB: "Dann müssen eben auchmal Lehrkräfte für drei Monate als Brandbekämpfer abgeordnet werden.“
"Grundlegend gibt es bundesweit an Schulen ein großes Fachkräfteproblem, und oft ist es an kleineren Schulen besonders schwierig", sagt Bildungssenatorin Aulepp. Sich an Schulen, deren Kollegium den Ganztag befürworte, wieder vom Ganztag zu verabschieden, sei keine gute Lösung. Langfristig müssten mehr Lehrkräfte ausgebildet werden. Und kurzfristig gelte: "Wir werden nicht umhinkommen zu gucken, wie wir Personen an die Schulen bringen, die wir dann berufsbegleitend weiter qualifizieren."