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Neues Elektronenmikroskop Hochschule Bremen blickt mit Hightech in Nanowelten

Eine Million Euro hat das neue Gerätezentrum der Hochschule Bremen gekostet. Herzstück ist ein hochmodernes Elektronenmikroskop. Was der Blick in die Nanowelten für die Forschung in Bremen bedeutet.
27.01.2025, 05:00 Uhr
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Hochschule Bremen blickt mit Hightech in Nanowelten
Von Lennart Bonk

"Das sieht jetzt erst mal nicht danach aus, aber das ist Technik im Wert von 100.000 Euro", sagt Jan-Henning Dirks während er eine Glasbox auf dem Tisch platziert. Der Biologie-Professor der Hochschule Bremen schraubt den Kasten auf, der das Innenleben vor Fettflecken schützt. Nun liegt sie frei, die metallische 100.000-Euro-Technik. Was aussieht wie ein Bauteil für einen Computer, ist eine hochmoderne Probenbühne für das ebenso moderne Elektronenmikroskop. "Wir können mit der Probenbühne unter dem Mikroskop Sachen in einer nahezu natürlichen Atmosphäre kaputtmachen. Das ist in der Kombination bundesweit einzigartig", erklärt Dirks mit leuchtenden Augen.

Hightech-Forschung auf Nanoebene im historischen Keller

Der Professor steht im neuen Gerätezentrum für multidisziplinäre Strukturanalyse. Dieser Ort (Kostenpunkt: über eine Million Euro) mache mit seinen neu gewonnenen Möglichkeiten "sehr viele Forschende sehr glücklich". Seit Oktober 2024 werden im Keller des historischen M-Trakts bereits Erkenntnisse auf Nanoebene gewonnen, am 27. Januar wird der Raum offiziell und feierlich eröffnet.

Die sogenannte Probenbühne macht es möglich, beliebige Untersuchungsgegenstände unter dem Mikroskop zu platzieren. Zellen von Fischen, Insektenbeine, Beton, Stahl – was auch immer zur Beantwortung einer Forschungsfrage zerdrückt oder zerrissen werden soll. Sensoren messen, wie viel Kraft auf den jeweiligen Stoff ausgeübt wird. Über das Elektronenmikroskop beobachten die Forschenden auf Nanoebene (einem Millionstel von einem Millimeter), wo und wann Risse entstehen. "Daraus kann man für die Verbesserung und Verstärkung von Materialien ganz viel lernen", erklärt Dorothea Brüggemann, Professorin für Biophysik.

Elektronenmikroskop ermöglicht genauere Ergebnisse

Für die Forschenden ist das Bremer Elektronenmikroskop vor allem aus einem Grund einzigartig. Bislang war es so: Bevor Materialien unter dem Mikroskop betrachtet werden können, müssen sie getrocknet werden. Bei Beton und Halbleitern ist das kein Problem, bei Holz oder Insektenbeinen schon. Das Material wird spröde, was sich auf die Qualität der Forschungsergebnisse auswirkt. Die Lösung: Im neuen Elektronenmikroskop kann in der Probenbühne mit Wasserdampf eine "natürliche Atmosphäre" erzeugt werden. "Dadurch sind die Messergebnisse genauer, weil sie den realen Gegebenheiten näherkommen", betont Brüggemann, die zum Thema Wundheilung forscht. Dort müssen zum Beispiel Materialien im feuchten Zustand funktionieren.

Sie ist eine der vielen und sehr glücklichen Forschenden in der Neustadt. Sieben Disziplinen der Hochschule sowie auch der Wissenschaftsstandort Bremen profitieren von dem neuen Gerätezentrum. Ohne die Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft wäre der Bau des Labors nicht möglich gewesen. Umbau, Personalkosten und die Forschungsgeräte hat der aus Steuergeldern finanzierte Verein finanziert. Die Bremer Wissensstätte profitierte von deren Programm, das Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) für die Forschung fit machen soll. Biologen, Physiker, Ingenieure und Materialwissenschaftler haben unter der Projektleitung von Professor Dirks bei der Antragsstellung mitgewirkt.

Bessere Bedingungen für Studierende an der Hochschule

Neben dem besonderen Mikroskop gehören unter anderem auch ein Sputter Coater und ein Kritisch-Punkt-Trockner zum Inventar. Durch das vorherige Sputtern ist eine noch höhere Auflösung unter dem Mikroskop möglich, erklärt Jendrian Riedel, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Gerätezentrum angestellt ist. Objekte können um das Hunderttausendfache vergrößert werden und sind am Computer gestochen scharf erkennbar.

Dieses Mikroskop ermöglicht uns, auf Augenhöhe mit Kollegen von anderen Universitäten und Forschungsinstituten zusammenzuarbeiten und Forschung zu betreiben.
Jan-Henning Dirks, Biologie-Professor an der Hochschule Bremen

Diese Möglichkeit nutzt Bionik-Studentin Thara Warfen für ihre Bachelorarbeit. Sie sitzt am Computerbildschirm hinter dem Mikroskop und analysiert den Legebohrer einer Fruchtfliege. Damit bohren sich die Weibchen etwa in Blaubeeren, um dort Eier zu legen. "Das ist für eine Fruchtfliege ganz schön viel Arbeit. Ich will verstehen, wie genau sie das schafft", erklärt die 25-Jährige. Dafür schaut sie sich an, wie sich der Legebohrer bei verschiedenen Fruchtfliegen mit der Zeit abnutzt. "Ohne das Elektronenmikroskop hätte ich mir die Abnutzung gar nicht so genau anschauen können", sagt sie und ergänzt: "Außerdem will ich die Probe so vorsichtig behandeln wie möglich. Das ist ohne das Trocknen deutlich einfacher."

Auf dem Bildschirm ist die 600-fache Vergrößerung zu sehen. "Das ist noch gar nichts für das Gerät", betont Dirks. Er zoomt auf einen Zahn des Legebohrers – Faktor 80.000. Die Oberflächenstruktur wird gestochen scharf angezeigt. "Dieses Mikroskop ermöglicht uns, auf Augenhöhe mit Kollegen von anderen Universitäten und Forschungsinstituten zusammenzuarbeiten und Forschung zu betreiben", sagt der Biologie-Professor mit Blick auf die zukünftigen Fragen, die nun im rund 120 Jahre alten M-Trakt beantwortet werden können.

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