Die Unterschiede sind gravierend: Während Erstklässler aus besser verdienenden Familien überwiegend gesunde Zähne haben, haben Kinder aus sozial benachteiligten Stadtteilen Bremens häufig Karies.
Monika Lelgemann findet klare Worte: „Das ist eine schlimme Situation. Und sie ist wieder einmal ein deutlicher Hinweis darauf, wie ungleich die Chancen von Kindern in Bremen verteilt sind.“ Es ist das Ergebnis eines Berichts zur Zahngesundheit von Erstklässlern, das die kommissarische Leiterin des Gesundheitsamts zu dieser Aussage bringt. Auf den ersten Blick klingt das Fazit zunächst positiv: „Auf der einen Seite hat gut die Hälfte der Bremer Erstklässler ein naturgesundes, das heißt kariesfreies Gebiss“, steht darin.
Aber weiter: „Auf der anderen Seite ist bei fast einem Drittel der Erstklässler das Gebiss behandlungsbedürftig.“ Diese Kinder hätten im Schnitt 4,7 kariesgeschädigte Milchzähne, bei einem beachtlichen Teil der Erstklässler sei demnach mindestens ein Viertel des Milchgebisses durch Karies geschädigt. Der Gesamtdurchschnitt liegt der Untersuchung zufolge bei 1,8 kariesgeschädigten Milchzähnen.
„Das ist alarmierend“, sagt Monika Lelgemann. „Vor allem auch die Tatsache, dass diese Kinder aus den sogenannten sozial benachteiligten Stadtteilen kommen. Gesundheit, und damit auch Mundgesundheit, ist eng mit dem Sozialstatus verbunden. Das belegt die Untersuchung und zeigt ganz klar auf, dass die Bemühungen dort intensiviert werden müssen. Die gleiche Entwicklung sehen wir zum Beispiel beim Thema Übergewicht.“ Das klare Fazit der Studie: Je niedriger der Sozialstatus, desto höher die Wahrscheinlichkeit kariöser Zähne.
Gravierende Unterschiede
Dringender Handlungsbedarf besteht danach vor allem in Huchting, Burglesum und Osterholz. Im Schuljahr 2013/2014 hat der schulzahnärztliche Dienst des Gesundheitsamts erstmals seit mehreren Jahren wieder Erstklässler auf Karies und deren Folgen flächendeckend untersucht. In 79 von 81 Bremer Grundschulen wurde danach bei 3899 von 4253 Kindern der Zustand des Gebisses auf Karies und andere Zahnschäden kontrolliert. Teilweise mit gravierenden Unterschieden: An der Spitze steht eine Schule, in der rund 87 Prozent der Kinder gesunde Gebisse aufwiesen, das Schlusslicht bildete eine Schule mit einem Anteil von nur rund zwölf Prozent.
Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) hat erste Konsequenzen aus diesen Ergebnissen gezogen: Anfang nächsten Jahres soll es eine Teilnahmepflicht an regelmäßigen zahnärztlichen Untersuchungen durch das Gesundheitsamt für Grundschüler geben. Eine entsprechende Rechtsverordnung sei in Abstimmung mit der Behörde von Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) auf dem Weg. Danach müssen alle Eltern ihre Kinder zu den Untersuchungen schicken – außer sie widersprechen schriftlich. In anderen Bundesländern gibt es eine solche Verpflichtung bereits seit Längerem.
„Das ist ein guter Schritt“, sagt Monika Lelgemann, „aber das reicht noch nicht. Unser Ziel muss es sein, die Bemühungen in den betroffenen Stadtteilen und an den durch die Untersuchung identifizierten Schulen zu intensivieren. Und es muss viel stärker und früher als bisher bei den Eltern angesetzt werden.“ Zum Beispiel durch regelmäßige Beratung und Aufklärung der Mütter und Väter. Sie müssten in die Lage versetzt werden, auf die Mundgesundheit ihrer Kinder zu achten und die Angebote auch wahrzunehmen. „Dafür brauchen wir auch mehrsprachige Informationsangebote.“
In den Kitas ansetzen
Die Amtsleiterin hat dabei vor allem auch die Kindertagesstätten im Auge: Mundhygiene und ganz konkret Zähneputzen müsse so früh wie möglich eingeübt werden. Im Auftrag der Landesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Jugendzahnpflege im Lande Bremen (LAJB) besuchen sogenannte Prophylaxefachkräfte regelmäßig Schulen und Kitas – um Eltern, Lehrer und Erzieher über Mundhygiene aufzuklären und mit den Kindern das Zähneputzen zu üben. Aktuell würden rund 1000 Kita-Gruppen auf diese Weise betreut.
„Mehr Betreuung in den sogenannten Risiko-Gebieten wäre absolut sinnvoll, vor allem auch vor dem Hintergrund des Kita-Ausbaus“, sagt Monika Lelgemann. Aber die Grenzen des personell Leistbaren seien damit momentan erreicht, wie es in dem Bericht heißt. Die LAJB ist ein Verein, dessen Arbeit von den Krankenkassen, der Zahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung finanziert werde. Aktuell seien 19 Prophylaxefachkräfte an Kitas und Schulen im Bremer Stadtgebiet im Einsatz.
In ihrem Fazit schlagen die Autoren des Berichts zudem eine „Präventionskette Mundgesundheit“ vor: Sie reicht von der Schwangerschaft bis zur Grundschule und bezieht neben Zahnärzten und Prophylaxekräften auch Gynäkologen, Hebammen und Kinderärzte ein. „Vorstellbar wäre auch, dass zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen fester Bestandteil des gelben Kinderuntersuchungsheftes werden“, schlägt Monika Lelgemann vor. In Rheinland-Pfalz läuft derzeit ein Pilotprojekt dazu.