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Unterwegs mit dem Bremer Impfmobil Impf-Werbung im Dönerladen

In Bremen-Huchting kümmert sich neben anderen Gesundheitsfachkraft Anna Balatsan um den Kampf gegen die Corona-Pandemie. Für den Besuch des Impfmobils vor Ort hat sie im Vorfeld besonders viel geworben.
28.07.2021, 19:30 Uhr
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Impf-Werbung im Dönerladen
Von Timo Thalmann

Ein Plakat sowie Flyer im Dönerladen oder beim Kindergarten, eine Meldung in der Zeitung, ein Hinweis aus einer Whatsapp-Gruppe und die gezielte Suche nach einer Impfmöglichkeit mit Johnson & Johnson: Auf ganz unterschiedlichen Wegen haben die Besucher des Impfmobils am Roland-Center in Huchting von dem Impfangebot vor Ort erfahren. Jetzt stehen sie auf dem Parkplatz vor dem Einkaufszentrum in einer Schlange und warten auf ihre Spritze. Das Angebot gilt als niedrigschwellig, das heißt, niemand hat einen Termin oder musste sich anmelden. Einfach mit Ausweis, Krankenkassenkarte und – soweit vorhanden – gelbem Impfheft zwischen 11 und 19 Uhr vorbeikommen, das reicht.

"Das wird hier sehr gut angenommen", sagt Hüsnü Asuman vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Er leitet das kleine mobile Impfzentrum, das drei Tage lang noch bis diesen Donnerstag seine Zelte in Huchting aufgeschlagen hat. Das ist in diesem Fall wörtlich zu verstehen: Eigentlich gibt es zwei Impfplätze in dem umgebauten Lkw-Anhänger, der zuvor für Blutspende-Aktionen genutzt wurde. Wegen des hohen Andrangs hat das DRK kurzerhand in einem Zeltpavillon eine dritte Impfstation daneben gestellt. "Am ersten Tag waren es 236 Impfungen, heute sind es schon 150", sagt Asuman und schaut auf die Uhr. Noch mehr als vier Stunden sind es bis zum Feierabend. "Das werden dann wieder mehr als 200 Impfungen", schätzt er. 200 ist eigentlich die Kapazitätsgrenze, die mit dem Impfmobil in acht Stunden bewältigt werden kann.

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Der Zuspruch hat auch mit Anna Balatsan zu tun. Seit März ist die 34-Jährige als Gesundheitsfachkraft in Huchting unterwegs. Sie ist eine von insgesamt elf Fachkräften in Bremen, die in verschiedenen Stadtteilen in Sachen Corona-Pandemie die jeweiligen Ortsämter und Quartiersmanager unterstützen. Sie wurden eingestellt, als sich zeigte, dass sich die Corona-Fallzahlen im Stadtgebiet ungleich verteilen: In strukturell benachteiligten Quartieren, in denen der Wohnraum häufig beengt ist und die Beschäftigungsverhältnisse prekär sind, können Abstands- und Hygieneregelungen schwerer eingehalten werden. Sprachliche Barrieren und der Bildungsstand wiederum beeinflussen die individuellen Möglichkeiten, sich über Gesundheitsthemen zu informieren.

Balatsan hat ihr Büro im Huchtinger Ortsamt, aber die meiste Zeit ist die Epidemiologin im Stadtteil unterwegs. Sie besucht Elternabende in der Kita, nutzt ihre Muttersprache, um Gesprächskreise mit zugewanderten russischen Senioren und Seniorinnen über die Pandemie aufzuklären, lädt zur Fragestunde in die Moschee ein oder erläutert Geflüchteten im Übergangswohnheim, wie das deutsche Gesundheitssystem funktioniert. "Das Dienstfahrrad im Ortsamt ist wirklich Gold wert", sagt sie.

Um für den Besuch des Impfmobils Reklame zu machen, hat sie damit nahezu jeden Dönerladen, jeden Friseur, jedes Geschäft in Huchting besucht, um Plakate und Flyer in verschiedenen Sprachen zu verteilen. Gemeinsam mit dem Ortsamt wurden Jugendtreff, kulturelle und soziale Einrichtungen kontaktiert und um Unterstützung gebeten. "Es gab hier schon eine tolle Vernetzung der Akteure, darauf konnte ich gut aufbauen", sagt Balatsan.

Die Fragen zur Impfung, die ihr begegnen, gleichen sich dabei. "Bei Frauen geht es immer wieder um die falsche Behauptung, die Impfung mache unfruchtbar. Männer sorgen sich häufig um ihre Potenz", berichtet sie. Das gilt nach ihren Erfahrungen ziemlich unabhängig von Religion, Kultur und Herkunft. Ein weiteres großes Thema: Wie es sein könne, so schnell eine Impfung entwickelt zu haben. "Ich gehe dann auf die Fragen ein und erkläre möglichst anschaulich den wissenschaftlichen Hintergrund der neuen Impfstoffe", sagt sie. Manchmal gelte es, auch Irrtümer aufzuklären. Immer wieder begegne ihr auch die Sorge vor den Kosten einer Impfung.

Wichtig sei es, den Menschen die Entscheidung nicht überzustülpen. "Viele verspüren jetzt schon ziemlichen sozialen Druck, sich impfen zu lassen", sagt die Gesundheitsfachkraft. Bei manchen führe das geradezu zum Gegenteil, und es entwickele sich eine ausgeprägte Anti-Haltung. "Ich sage dann immer: Sie müssen sich nicht sofort entscheiden, schlafen Sie darüber, überlegen Sie in Ruhe."

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Bei Alexander Arnhold ist die Impfung am Ende ein Liebesdienst. "Meine Freundin ist Notfallsanitäterin und hat mich inständig gebeten, mich darum zu kümmern", erzählt der 28-Jährige. Ihr Argument sei: Sie habe noch keinen Notfall wegen der Impfung erlebt, aber viele Einsätze wegen Corona. Das Impfmobil sei ihm dann gerade recht gekommen. "Keine Anmeldung, kein großer Vorlauf – und nur eine Impfung für den vollständigen Schutz", sagt er. Dass die Angelegenheit dank Johnson & Johnson mit einem Termin erledigt ist, war auch für Christopher Krämer entscheidend. "Außerdem geht mir die ewige Testerei inzwischen auf die Nerven." Bei Tom Lubrich hat ihn der Bruder überzeugt. "Ich habe das für mich als nicht so wichtig betrachtet, aber mein Bruder hat erzählt, wie schnell und einfach die Impfung im Impfzentrum abläuft." Als sich dann die Möglichkeit vor Ort geboten hat, ist der 26-Jährige kurz entschlossen zur Impfung gefahren. 

Zur Sache

Impfung für Genesene früher

Zum Schutz vor einer erneuten Corona-Infektion können sich Genesene auch in Bremen und Niedersachsen mittlerweile bereits vier Wochen nach dem Ende der Covid-19-Symptome impfen lassen. Dies sieht die aktualisierte Empfehlung vor, die das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht hat. Bislang galt eine Frist von sechs Monaten. "Die betreffenden Personen können ganz regulär einen Impftermin über eine  Registrierungsliste bekommen", sagt Alicia Bernhardt, Pressereferentin in der Gesundheitsbehörde. Zur Berechtigung zeigen sie im Impfzentrum einen positiven PCR-Test, die Aufforderung zur Quarantäne wegen einer nachgewiesenen Corona-Infektion oder eine Genesenen-Bescheinigung. Auch in den niedersächsischen Impfzentren wird die aktualisierte Empfehlung umgesetzt, bestätigt Oliver Grimm, Sprecher im Gesundheitsministerium. "Das Risiko für eine Reinfektion ist in den ersten Monaten nach einer gesicherten Sars-CoV-2-Infektion sehr niedrig, kann aber mit zunehmendem Abstand ansteigen. Da aktuell die Impfstoffressourcen nicht mehr limitiert sind, kann die Gabe der einmaligen Impfstoffdosis jedoch bereits auch früher erfolgen", heißt es auf der RKI-Seite.

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