Herr Rebers, da Sie nach „Predigt erledigt“ nun mit „Amen“ einen weiteren religiös konnotierten Programmtitel wählten, möchte ich gern mit der Gretchenfrage eröffnen: Wie halten Sie es mit der Religion – oder besser: den Religionen?
Andreas Rebers : Da halte ich es mit Kemal Atatürk: Jeder soll beten, wie er mag. Aber er soll seinen Nachbarn nicht belästigen.
Kabarettabende und Gebete sind im Regelfall eher schwerlich miteinander in Einklang zu bringen. Welche Bedeutung hat diese Titelwahl also für Sie?
Wir leben in einer Zeit der religiösen Konterrevolution. Wir diskutieren über Gebetsräume in Schulen, über religiösen Terror und wir fürchten um die Ideale der offenen Gesellschaft. Um mich dieser Komplexität unterhaltsam annähern zu können, habe ich mich für die Rolle des Predigers entschieden. Und da ich kein „Prediger“ bin, sondern in seine Rolle schlüpfe, habe ich viele Spielmöglichkeiten, was dann natürlich auch Spaß macht und der Unterhaltsamkeit der Messe guttut.
Sie definieren sich selbst als „Vertreter der radikalen Mitte”, was ich zunächst als Oxymoron verstehe, hinter dem sich dennoch ein Statement verbirgt. Wie lautet dieses im Klartext?
Es ist immer der fehlende Pragmatismus und die Denkfaulheit, die Platz an den Rändern schaffen, der dann naturgemäß von den Populisten besetzt wird. Genau genommen war es die moralische Überheblichkeit unseres protestantisch unionsrot-grünen Lagers, das in der Flüchtlingskrise im großen Stil vom Recht auf Nichtwissen Gebrauch gemacht hat. Jeder, der auch nur ansatzweise die Willkommenskultur hinterfragen wollte, wurde als rechts diffamiert. In meiner Heimatstadt München wurde der gesamte Osten mit Pegida gleichgesetzt. Da fühlte man sich mächtig auf der richtigen Seite. Und jetzt haben wir eine AFD und fast 900 Verfahren gegen islamistische Terroristen. Bravo!
Ein nicht eben kleiner Teil Ihrer Bühnenkollegen setzt auf möglichst eindeutige und unmissverständliche Worte. Sie hingegen arbeiten oft mit inhaltlichen Brüchen, Widersprüchen, abrupten Perspektivwechseln und bisweilen auch Grotesken. Möchten Sie Ihrem Publikum dadurch vor allem Impulse zum Weiterdenken verabreichen oder verbirgt sich dahinter eine eindeutige Botschaft, die es für Ihre Zuhörer entsprechend zu entschlüsseln gilt?
Ich mache ja kein Kabarett über Leute, die nicht da sind. Ich mache Kabarett über die Leute, die da sind. Das ist diese Sache mit dem vorgehaltenen Spiegel, den ich übrigens auch gerne mal kaputt haue. Was soll ich mich über Trump aufregen? Den bekomme ich doch nicht vor die Flinte. Und was die eindeutigen und unmissverständlichen Worte angeht, war ich schon immer skeptisch. Dahinter verbirgt sich ja dieser Gedanke von Haltung. Ich habe mein ganzes Leben auf der Bühne gestanden und habe Bühne immer als Spielort und nicht als Kanzel begriffen. Wenn Kabarett auf die reine Empörungsdienstleistung reduziert wird, bekomme ich persönlich als Zuschauer ein Problem. Nichts ist langweiliger, als ein Abend mit Leuten, die mir alle dieselbe Meinung vortanzen. Die Kollegen, die im klassischen Politkabarett für mich authentisch sind oder waren, sind leider verstorben, im TV nicht mehr sichtbar oder sie gehen nur noch selten oder gar nicht mehr auf die Bühne.
In einem Vorjahresinterview sagten Sie über sich: „Ich biete nie fertige Inszenierungen, ich bin ein Entwicklungskünstler“. Das impliziert die Freiheit, ein Programm während der Spielzeit fortwährend zu verändern. An welchem Punkt ist aber ein solches Programm für Sie „verbraucht“ und muss durch ein neues ersetzt werden?
Schwer zu sagen. Dieses Religionsthema wollte ich schon längst eingestampft haben, aber es wird immer zwingender und aktueller. Also habe ich das Gefühl, dass es mich noch weiter beschäftigen wird. Aber das bedeutet ja nicht, dass ich immer dasselbe erzählen muss. Dazu habe ich immer mehrere Baustellen, die neben meiner Tätigkeit als Solist Abwechslung in mein Künstlerleben bringen. Ich arbeite an einer Studio-CD, auf der es nur Lieder und klasse Musik zu hören gibt. Ich schreibe an meinem zweiten Buch und an einem neuen Theaterstück und wenn mir dann dieser Betford Strohm vor die Flinte kommt, habe ich wieder was für das Soloprogramm.
Sind es gerade potenzielle Mehrdeutigkeiten, denen Sie auch Ihr Renommee als angstfreier Virtuose des Kabaretts verdanken?
Diese Frage begreife ich jetzt als Kompliment und die Antwort lautet eindeutig: Ja! Ich war immer ein Anhänger des Freestyle und des Alpinismus. Wenn sie allein in den Bergen oder auf einem wilden Fluss unterwegs sind, müssen sie ihren eigenen Weg finden. Es gibt übrigens immer mehrere, aber ohne Erfahrung und Equipment wird es schwierig.
Wie häufig haben Sie andererseits den Eindruck, falsch verstanden zu werden, was Sie laut dem Infotext Ihres aktuellen Programms mitunter gerne in Kauf nehmen? Und: Von wem fühlen Sie sich dann missverstanden?
Die meisten Missverständnisse sind ja gewollt. Und zwar von denen, die missverstehen. Im Kabarett kommen manchmal Leute daher und sagen: Kabarett muss so und so sein. Kabarett muss das und das leisten und darf auf keinem Fall..., weil man ja sonst Applaus von der falschen Seite kriegt! Auf einmal stellt man fest, dass Kabarett nur noch aus Political Correctness besteht und die Satire als störend empfunden wird, weil man zum Denken gezwungen wird. Wenn man Kabarett darauf reduzieren würde, hätte es die Besten von uns nie gegeben. Keinen Polt, keinen Qualtinger, keinen Hader, keinen Bruno Jonas und der Dieter Hildebrandt wäre der Letzte gewesen, dem das Spaß gemacht hätte.