Herr Meyer-Heder, der Termin steht: Am 22. Januar wird Sie der CDU-Vorstand als Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 2019 nominieren. Warum sollte er das tun? Warum sollte die CDU einen politischen Nobody aufstellen, der selbst den meisten Parteimitgliedern unbekannt ist?
Carsten Meyer-Heder: Ich glaube, dass die CDU sehr weise und auch mutig handelt, wenn sie sagt: Wir ziehen nicht wieder mit den gleichen Gesichtern in den Wahlkampf, sondern versuchen den Neubeginn, für den auch jemand steht. Ich glaube: Ich kann’s. Und wenn mich in der Partei noch nicht alle kennen – nun, dann ist jetzt ja ausreichend Zeit, mich kennenzulernen.
Haben Sie sich dem Landesvorsitzenden Jörg Kastendiek als Spitzenkandidat angeboten, oder hat er Ihnen die Funktion angetragen?
Also, ganz offen: Es war meine Idee. Ich bin Bremer, ich bin hier geboren, ich wohne hier, ich fühle mich sehr wohl in der Stadt, der ich viel zu verdanken habe. Aber ich finde: Bremen wird schlecht regiert.
Woran machen Sie das fest?
Man kann da in jedes Ressort gucken, als erstes natürlich in die Bildung. Die ist aus meiner Sicht das größte Problem. Wirtschaft, Gewerbeflächen, Bürgerservice sind weitere Felder. Die Bremer Führung beschäftigt sich aber weitgehend mit sich selbst.
Was wollen Sie denn anders machen, wenn wir uns mal die Bildung als Beispiel greifen?
Dass Unterricht zu einhundert Prozent stattfindet, wäre doch schon mal ein Anfang. Ich kann Ihnen jetzt aber kein fertiges Wahlprogramm bieten, wenn ich noch nicht einmal nominiert bin.
Sollen Sie auch gar nicht. Aber nennen Sie uns andere Beispiele für das, was in Bremen schlecht läuft und unter einem Bürgermeister Meyer-Heder besser klappen würde.
Beispiel: Überseestadt. Dort erlebt man schon jetzt zu bestimmten Tageszeiten den totalen Verkehrsinfarkt, und dabei stehen dort noch mehrere Wohnprojekte und Gewerbeansiedlungen aus. Dort müsste viel entschlossener reagiert werden. Seit vielen Jahren wird über ein Wasserbus-System als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs nachgedacht. Das könnte ein Beitrag zur Entlastung der Überseestadt sein. Aber man muss eben nicht ewig drüber nachdenken, sondern es einfach mal machen. Und das gilt nicht nur für die Verkehrs- oder die Bildungspolitik, sondern für alle Bereiche: Wir müssen in Bremen agiler werden. Wir dürfen nicht so lange über Probleme reden, sondern sie identifizieren, uns eine Lösung ausdenken und die Sache dann angehen. Leider passiert das gegenwärtig nicht.
Sie sprechen die Sprache eines Unternehmers. Wenn Sie in Ihrer Firma Probleme identifizieren, dann machen Sie gegenüber Ihren Mitarbeitern Ansagen und erwarten zu Recht, dass die ausgeführt werden. Der politische Betrieb eines Bundeslandes reagiert aber sehr viel träger auf Steuerungsimpulse. Ist Ihnen das ausreichend bewusst?
Natürlich ist mir bewusst, dass Senat und Bürgerschaft anders funktionieren als ein Unternehmen. Aber ein modernes Unternehmen funktioniert auch nicht so, wie Sie es gerade geschildert haben. Bei Team Neusta gibt es nicht einen Chef, der sagt, was zu tun ist, und dann rennen alle los. Die Kunst besteht darin, diejenigen Leute, die ein Projekt umsetzen sollen, so zu überzeugen und zu motivieren, dass sie selbst davon überzeugt sind. Das kann man auch in der Verwaltung. Natürlich werde ich auch Momente haben, wo ich mich wundere, wie manche Dinge dort funktionieren und wie kompliziert dies oder jenes ist. Trotzdem können wir mehr Dynamik erreichen. Wenn man Leuten vernünftig erklärt, warum eine bestimmte Sache sinnvoll ist, kriegt man sie mit auf den Weg. Und dann gelingen Dinge auch.
Mangelt es der gegenwärtigen politischen Führung also an Managementqualitäten?
Der Fisch stinkt immer vom Kopfe her. Wenn die Verwaltungsstrukturen hier so sind, wie sie sind, dann liegt das an der Führung. Wenn es frustrierte Mitarbeiter in der Verwaltung gibt, dann liegt das auch an der Führung. Dort muss man die Verantwortung suchen, wenn eine Struktur nicht vernünftig und effektiv arbeitet.
Sie sind bisher nicht Mitglied der CDU. Soll sich das kurzfristig ändern, oder wollen Sie Ihre Kampagne eher als unabhängiger Kandidat aufziehen, der von der CDU unterstützt wird?
Ich werde dieses Jahr eintreten. Zu Anfang habe ich mich da in der Tat etwas bedeckter gehalten, auch weil ich nicht alle handelnden Personen in der CDU kannte. Aber noch mal: Ich werde eintreten, und zwar rechtzeitig vor der Wahl.
Sind Sie bestrebt, weitere Köpfe von außerhalb der CDU um sich zu scharen und damit das Signal des Neuaufbruchs zu verstärken, oder werden Sie sich vorrangig auf die bekannten Fachpolitiker der CDU-Bürgerschaftsfraktion stützen?
Das Team wird zum Teil aus der CDU kommen, wo es fachlich kompetente Leute gibt, und natürlich kommen auch Leute von außen. Das dürfen aber keine Leute sein, die das als Job begreifen. Die müssen für Bremen brennen. Ich führe da erste Gespräche.
Sie kommen als Seiteneinsteiger. Ihnen steht deshalb für die politische Profilierung eine Plattform wie die Bürgerschaft nicht zur Verfügung. Wie wollen Sie sich in der Stadt Gehör verschaffen?
Erst einmal muss ich mich bemühen, die Partei komplett hinter mir zu versammeln. Auch das erzeugt schon Öffentlichkeit. Und dann komme ich natürlich aus dem Digitalen. Wir werden versuchen, diese Kanäle intensiv zu bespielen. Für die Gestaltung einer professionellen Kampagne haben wir aber noch Zeit. Ich bin noch gar kein Kandidat, bevor mich der Landesparteitag im Mai dazu macht.
Die Bremer CDU hat in jüngster Zeit keine gute Figur abgegeben. Es gab wieder einmal Gerangel in der Führungsspitze, weil auch Jens Eckhoff gern Spitzenkandidat geworden wäre. Der einzige sachpolitische CDU-Vorschlag der letzten Monate – die Bebauung des Neustädter Hafens – erwies sich als völliger Rohrkrepierer. Kann man mit solch einer Partei im Rücken überhaupt erfolgreich Wahlkampf machen?
Ich säße nicht hier, wenn ich nicht an die CDU und ihre Ideen für Bremen und Bremerhaven glauben würde. Natürlich hätte man den Neustädter Hafen intern besser abstimmen können, keine Frage. Parteien leben aber auch vom Diskurs. Was Jens Eckhoff angeht: Ihm bringe ich großen Respekt dafür entgegen, dass er sich zurückgenommen hat. Es motiviert mich, dass er versichert hat, sich in den Dienst der Partei zu stellen.
Herr Kastendiek hat Sie favorisiert, weil er meint, dass der Anspruch auf einen Neubeginn für Bremen mit einem neuen Gesicht dokumentiert werden sollte. Wie neu werden Sie noch wirken nach über einem Jahr Wahlkampf und dem ein oder anderen Schnitzer, den Sie sich als unerfahrener Kandidat leisten werden?
Ich halte mich für einen sehr authentischen Menschen, und das werde ich auch bleiben. Ich werde nie so werden wie ein glatter Politiker, der auch so wirkt, als sei er in der Politik geboren worden.
Sie stellen sich aber sicher darauf ein, dass die politische Konkurrenz versuchen wird, Sie mit ihrer Unerfahrenheit und möglichen Wissenslücken vorzuführen.
Solche Versuche gibt es jetzt schon, wenn ich mir anschaue, was da so auf Facebook über mich geschrieben wird. Ich bin aber auch ein Typ, der gelassen genug ist, das auszuhalten. Ich weiß auch, dass ich mir inhaltlich noch eine Menge zulegen muss. Aber wenn wir vom Bürgermeisteramt reden, dann handelt es sich dabei ja um einen Managerjob. Ich muss nicht im Getriebe der Bildungspolitik jede Schraube kennen. Meine Aufgabe wäre es, einen Senat als Team zu führen.
Die realistische Perspektive für einen CDU-geführten Senat wäre ein Jamaika-Bündnis. Aus den Reihen der Grünen und der FDP hört man aber: Mit Jens Eckhoff an der Spitze könnten wir uns das vorstellen, mit Meyer-Heder weniger.
Das höre ich bisher so nicht. Ich hätte gegen Jamaika jedenfalls nichts einzuwenden. Unser Anspruch ist auf jeden Fall, bei der Bürgerschaftswahl stärkste Fraktion zu werden.
Wie viel Prozent trauen Sie sich denn zu?
Mitte 30 sollten es schon werden.
Das Gespräch führte Jürgen Theiner.
Zur Person:
Carsten Meyer-Heder ist Mehrheitsgesellschafter des Internet-Dienstleisters Team Neusta mit über 1000 Beschäftigten. Der 56-Jährige studierte Wirtschaftswissenschaften an der Uni Bremen und leistete Zivildienst beim DRK. 2014 war er "Bremer Unternehmer des Jahres". Carsten Meyer-Heder ist verheiratet und hat drei Kinder.
Kastendiek empfiehlt Meyer-Heder
Seine Nominierung hat er zwar noch nicht in der Tasche, aber am Mittwoch hat Carsten Meyer-Heder sozusagen eine Vorstufe erreicht – durch ein Empfehlungsschreiben des CDU-Landesvorsitzenden Jörg Kastendiek. „Für die Position des Spitzenkandidaten der Bremer CDU für die kommende Bürgerschaftswahl schlage ich Ihnen Carsten Meyer-Heder vor“, schreibt Kastendiek. Das Gremium soll die Nominierung am 22. Januar aussprechen. Die endgültige Entscheidung trifft ein Parteitag im Mai.
In seinem Brief an die Funktionäre lobt Kastendiek den 56-jährigen Chef des IT-Dienstleisters Team Neusta als „engagiert, durchsetzungsstark, zielstrebig und seiner Heimatstadt Bremen und seinem Bundesland sehr verbunden und breit vernetzt“. Meyer-Heder sei ein Seiteneinsteiger, der „für Erneuerung und Aufbruch steht und dem es gelingen kann, ein politisches Angebot auch über die tradierten Partei- und Lagergrenzen hinweg authentisch abzubilden“.
In einem eigenen Brief an alle 2200 CDU-Mitglieder in Bremen und Bremerhaven begründet Carsten Meyer-Heder seine Bereitschaft, als Frontmann in die Wahlauseinandersetzung zu gehen. „Bremen braucht eine Erneuerung. Das geht nur mit einem Regierungswechsel, neuen Ideen und innovativen Strukturen – kurz gesagt: mit einem politischen Reset“, bedient sich Meyer-Heder der Sprache der IT-Branche. In Bremen sei „anstelle von Agilität oft Lethargie“ festzustellen, anstelle von Lösungen stünden Bedenken. Meyer-Heder: „Für mich war es die Motivation zu sagen: Mich nervt das nicht nur, ich will das ändern!“