Ein Instrument sei mehr als die Summe seiner Teile, sagt Christian Kuhlmann. „Es hat eine Seele.“ Kuhlmann baut Cembali, ein Vorläufer des modernen Klaviers. In seiner Werkstatt in Schwachhausen erweckt er die alten Tasteninstrumente wieder zum Leben, die auch mehr als 200 Jahre nach ihrer Hochphase noch Menschen begeistern.
Ein Besuch bei Kuhlmann ist wie eine kleine Zeitreise. Nicht nur die Instrumente, die er baut, sind von historischer Bedeutung – auch der Ort seines Cembalo-Ateliers hat eine besondere Geschichte: Kuhlmann ist der Urenkel des bekannten Bremer Kaffeerösters Carl Ronning. Seit zwölf Jahren lebt der Instrumentenbauer mit seiner Familie in dessen Villa, die er „Kulturhaus Ronning“ getauft hat; sie ist Zuhause, Atelier und Veranstaltungsort zugleich.
Die Werkstatt befindet sich im Erdgeschoss. Ein Erkerzimmer mit Blick ins Grüne. Kuhlmann ist gelernter Tischler, zum Cembalo-Bau kam er eher zufällig über einen Bekannten. Den Zugang zu den Instrumenten hat er nicht über das geschriebene Wort gefunden. „Ich bin Legastheniker“, erzählt er. Statt Bücher und Bauanleitung zu studieren, beschäftigt er sich mit den Originalinstrumenten; er schaut sich Bilder des Innenlebens an und lauscht ihrem Klang. „Darüber habe ich einen Weg für mich gefunden, Instrumente zu bauen.“
Instrumente für die Hamburger Elbphilharmonie
In der ersten Etage liegt das Musikzimmer. Was einst das Schlafzimmer von Carl und Wilhelmine Ronning war, ist heute Ort privater Hauskonzerte. Die organisiert Kuhlmann normalerweise regelmäßig mit seiner Frau Sabine, einer Barock-Geigerin. „Mit den Konzerten kann ich den Menschen zeigen, wie das Cembalo überhaupt klingt.“ Kuhlmann vermietet aber auch Cembali. „Die Elbphilharmonie macht viel mit meinen Instrumenten.“
Fürs Ambiente hat der 52-Jährige das Musikzimmer mit Antiquitäten ausgestattet. „Nichts in diesem Raum ist jünger als 150 Jahre“, sagt Kuhlmann. Der Holzboden ist mit geknüpften Teppichen ausgekleidet, an den Wänden hängen gerahmte Seiten des „Garten von Eichstätt“, ein Pflanzenbuch aus dem 16. Jahrhundert. Die Abbildungen nutzt er als Vorlagen zur Verzierung seiner Cembali.
Auch den Resonanzboden im Inneren seines ersten Cembalo hat Kuhlmann mit feinen Blumen und Ornamenten im Stil des Originals verziert. „Das war früher so. Die wenigsten Cembali sind ohne Bemalung.“ Das Gehäuse ist in einem dunklen Türkis gestrichen, mit Elementen, die an Marmor erinnern sollen. Drei Jahre hat Kuhlmann an diesem Instrument gearbeitet, 1994 stellte er es fertig. Es ist der Nachbau eines flämischen Cembalo von 1644 von Andreas Ruckers; das Original steht in einem Museum in Antwerpen.
Im Musikzimmer steht ein weiteres Cembalo – schwarz, mit roten und goldenen Elementen. Angestrahlt mit zwei Spots, die von der Decke hängen, ist es der Blickfang des Raums. Ein Nachbau eines französischen Cembalo aus dem Jahr 1751 von Henri Hemsch. Laut Kuhlmann klingen die Cembali unterschiedlicher Länder auch verschieden. „Der Klang eines Cembalo gibt Rückschluss auf die dortige Sprache.“ Französische Cembali hätten einen großen dekadenten, leicht nasalen Klang, italienische einen vordergründig kräftigen. „Ein deutsches Cembalo klingt sehr klar und besonders geeignet um etwas mehrstimmiges zum Beispiel von Bach darauf zu spielen.“
Kuhlmann baut Cembali fast ausschließlich von Hand – auch, wenn es heutzutage Maschinen gibt, die ihm die Arbeit erleichtern könnten. Das Gehäuse besteht aus Pappelholz, nichts edles, wie Kuhlmann erklärt, aber es habe seine Vorteile. „Es ist ein sehr langfaseriges Holz. Das sorgt für eine gute Resonanzqualität.“ Für Restarbeiten engagiert Kuhlmann Musiker, um die Cembali auf Klang und Funktionalität zu testen. „Ich bin der Bauer, nicht der Spieler.“
Rund zwanzig Cembali hat Kuhlmann gebaut. Die Fertigstellung des letzten Instruments liegt allerdings etwas zurück. „Ich war seit zwei Jahren nicht mehr in der Werkstatt.“ Baustellen in seinem Leben hätten seinen kreativen Prozess gestört, erklärt er. „Für ein großes Cembalo brauche ich neun Monate. Man muss einen Borgen spannen, alles arbeitet auf das Ziel hin.“ Dafür brauche er Energie – doch die habe er in andere Aufgaben investieren müssen. „Ich habe meine Mutter gepflegt. Das hat mich oft aus dem Arbeitsprozess gebracht“, sagt Kuhlmann. Mittlerweile lebe sie aber in einem Pflegeheim – und Kuhlmann sieht sich bald in die Werkstatt zurückkehren. „Ich bin auf einem guten Weg, dass ich endlich weitermachen kann. Die Kunden warten.“