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Biodiversität in Bremen Immer weniger Tagfalter sind in Bremen zu sehen – aber einer ist neu

Überall nimmt die Zahl der Insekten ab. In der Folge gehen Vogel-, Amphibien-, Reptilien und Fledermausbestände zurück. Das ist in Bremen nicht anders. Aber es konnte ein neuer Tagfalter nachgewiesen werden.
28.08.2024, 05:00 Uhr
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Immer weniger Tagfalter sind in Bremen zu sehen – aber einer ist neu
Von Justus Randt

In Geschichten über Schmetterlinge geht es oft um Liebe und um die Zartheit, mit der diese Geschöpfe durch die Welt flattern. Wenn sich die Handlung an der Wirklichkeit orientiert, ist das, was sich über Tagfalter sagen lässt, vor allem traurig. Monokulturen und die intensive Bewirtschaftung von Wiesen gelten als Gründe dafür, dass die Zahl der Insekten abnimmt. Langanhaltende zu feuchte und zu kühle Witterung hat dazu geführt, dass "auf ein mittelmäßiges Jahr 2023 ein wirklich schlechtes 2024 folgt", wie Holger Bischoff sagt, wobei noch keine Daten vorliegen. Der Leiter des Arbeitskreises Schmetterlinge beim Naturwissenschaftlichen Verein zu Bremen hat dennoch auch gute Neuigkeiten.

Der Arbeitskreis erfasst die Bremer Tagfalter und ihre Häufigkeit. Um Veränderungen im Faltervorkommen feststellen zu können, sind die Ehrenamtlichen auf möglichst viele Funddaten möglichst vieler Beobachterinnen und Beobachter angewiesen. Deshalb hatte der Naturwissenschaftliche Verein (NWV) im vergangenen Jahr um die Mithilfe der ungefähr 14.000 Bremer Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in den etwa 90 Vereinen gebeten. "23 Gartenfreunde haben sich mit 64 Meldungen beteiligt", sagt Bischoff. "Das klingt wenig, ist es aber nicht. Wir haben Informationen aus allen Stadtteilen bekommen, zumeist mit Fotos, und die Melder waren durchweg kompetent."

Sechs seltene Arten im Blick

Im Fokus der Beobachtungen standen die als selten geltenden sechs Arten Kleiner Fuchs, Landkärtchen, Schwalbenschwanz, Großer Schillerfalter, Kaisermantel und Nierenfleck-Zipfelfalter. Insgesamt seien 114 Schmetterlinge, zwei Schmetterlingseier, zwölf Raupen und eine Schmetterlingspuppe gemeldet worden, zählt Holger Bischoff auf. "Herausragend war dabei, dass auch die seltenen Arten gesichtet wurden."

Mehr als 3700 Schmetterlingsarten leben laut Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Deutschland. Die meisten von ihnen sind Nachtfalter, 189 Arten werden zu den Tagfaltern gezählt. Am vor wenigen Jahren angelegten Insektenschaugarten des BUND am Weserwehr sei "gerade an sonnigen Tagen" viel losgewesen, sagt Fachmann Thies Loose – "außer Schmetterlinge".

Von Aurora- bis Zitronenfalter

In Bremen sind, vom Aurorafalter bis zum Zitronenfalter, 35 Arten bekannt – gewesen. Denn, das ist eine der guten Nachrichten der Forscher, mittlerweile sind es 36. Dank eines Ulmen-Zipfelfalters, den NWV-Mitglied Sebastian Nennecke in diesem Jahr im Rablinghauser Weseruferpark gesichtet und fotografiert hat, gibt es Zuwachs. Nicht, was die Zahl der Falter, wohl aber die Vielfalt der Arten betrifft, stellt Bischoff klar: "Die Masse geht erheblich zurück, das ist erschreckend." Mit dem sich verändernden Klima seien immer wieder Arten in der Region vertreten, die früher nur in südlicheren Gegenden zu Hause waren.

Aber "Mit dem Ulmen-Zipfelfalter hatten wir gar nicht gerechnet", sagt Bischoff. Weil die Ulme in Bremen eher selten und der Ulmen-Zipfelfalter sehr speziell sei: "Die Raupen fressen nur an blühfähigen Ulmen, die sehr, sehr sonnig ausgerichtet sein müssen". Mithilfe der Senatsbehörde haben die Falterforscher Einblick in die Baumkataster des Umweltbetriebes Bremen, des Bürgerparks und der Gewoba und so einen Eindruck bekommen, wie rar der Lieblingsbaum in der Wahlheimat des neuen Falters ist.

Daten werden weitergegeben

Für eine Überraschung war zum Beispiel auch der Große Schillerfalter gut: "Bis 2022 waren wir davon ausgegangen, dass er sich nur als Irrgast in Bremen aufhält", sagt Holger Bischoff. Im Vorjahr wurde er zweimal gemeldet. Er scheint im Bereich der Schönebecker Aue beheimatet zu sein und Ausflüge nach Schwachhausen zu machen. Dort fühlt sich offenbar auch der im Vorjahr zehnmal gemeldete Kaisermantel wohl. Ganz anders die Entwicklung beim Landkärtchen, das früher selten gewesen sei, jetzt aber sehr selten. "Das sind sehr wertvolle Informationen für uns", sagt Bischoff. Die Bremer Daten würden an das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und die Deutsche Forschungszentrale für Schmetterlingswanderung weitergeleitet.

Weil die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner auch in diesem Jahr um Mithilfe gebeten wurden, hat die Umweltbehörde gemeinsam mit dem NWV einen Flyer mit Kurzsteckbriefen der Falter und Hinweisen zu deren Bestimmung herausgebracht. Für Holger Bischoff sind "die Biodiversitätsstrategie und das Insektenschutzprogramm der Behörde" eine weitere gute Nachricht. Der Ulmen-Zipfelfalter dürfte bei einer der nächsten Auflagen dazustoßen. Bischoff, der seit zwölf Jahren Falter digital erfasst, hat auch in Unterlagen aus dem 19. Jahrhundert keinerlei Hinweis auf den Falter gefunden – der so als echter Neubremer gelten darf.

Zur Sache

Bremen ist "Kommune für Biologische Vielfalt"

Die Stadt Bremen hat vergangenes Jahr vom Bündnis "Kommunen für Biologische Vielfalt" die Auszeichnung "Stadtgrün naturnah" in Silber verliehen bekommen. Jetzt sei Bremen dem Verein beigetreten, teilt die Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft, Kathrin Moosdorf (Grüne), mit. Damit sei die Hansestadt eine von mehr als 400 Kommunen, die sich "für artenreiche Naturräume im Stadtgebiet" einsetzen. In einer Deklaration bekennen sich die Beteiligten zur naturnahen Pflege öffentlicher Grünflächen und der Wichtigkeit von Umweltbildung. An vielen Stellen der Stadt seien "Wildblumenwiesen mit einem bunten Nahrungsangebot für blütensuchende Insekten zu bewundern".

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