Anna Balatsan steht in Sichtweite des Impftrucks: "Sind Sie schon geimpft?", fragt sie Passanten, die an diesem Nachmittag an der Robinsbalje in Huchting unterwegs sind. "Wenn Sie Fragen haben, könnten wir uns sehr gerne darüber unterhalten. Und dort drüben könnten Sie sich zum Beispiel ohne Termin impfen lassen", sagt die Gesundheitsfachkraft und zeigt zum Truck. Impf-Kundschaft ist bereits vor Ort – und nicht nur die. Der Leiter des Corona-Krisenstabs im Bundeskanzleramt, General Carsten Breuer, hat sich an diesem Freitag auf den Weg nach Bremen gemacht, um sich im Impf-Musterland über die Kampagne zu informieren.
Die zentrale Frage vor der Bund und Länder derzeit stehen: Wie kann die Impfbereitschaft bei mutmaßlich sinkenden Infektionszahlen in Frühjahr und Sommer und angesichts weiterer Lockerungen von Schutzmaßnahmen erhöht werden – insbesondere auch in Bevölkerungsgruppen und Stadtteilen, in denen die Impfquoten niedriger sind? Das Impftempo beschleunigen, dies ist eine der Missionen, mit denen der Krisenstab und der Bundeswehr-General als Leiter Ende vergangenen Jahres gestartet sind. Mit dem Ausbreiten der Omikron-Welle und verschärften Regelungen erfuhr die bundesweite Impfkampagne kurzzeitig einen Schwung, jetzt ist sie wieder ins Stocken geraten. Das ursprünglich von der Bundesregierung für Ende Januar angepeilte Ziel von 30 Millionen weiteren Impfungen wird nach Schätzungen des Krisenstabs wohl erst Anfang April erreicht.
Breuer warnt vor dem Herbst: "Wir müssen uns über den Sommer winterfest machen, die Zeit von Omikron bis Oktober nutzen. Das bedeutet: Wir müssen impfen, das ist das Bollwerk." Genügend Impfstoff sei vorhanden. Allerdings bringe es nichts, eine einzige Kampagne aufzulegen, sondern sie immer wieder an die aktuellen Entwicklungen und insbesondere auch an die Gegebenheiten vor Ort anzupassen. Das bedeute konkret, in Stadtteile, Quartiere und auf einzelne Bevölkerungsgruppen gezielt zuzugehen.
Gerade jetzt seien niedrigschwellige Impfangebote vor Ort in den Quartieren durch Trucks und mobile Teams, wie es sie in Bremen gebe, sehr wichtig. Die Krise sei noch nicht vorbei, auch wenn der Scheitelpunkt der Omikron-Welle überschritten sei. Deshalb gelte es jetzt, sich auf Unvorhergesehenes vorzubereiten. "Als Soldat gehe ich stets gut gerüstet in Krisengebiete. Die Impfung der Boosterung ist im Krisengebiet Pandemie die Schutzweste", so der General. In seiner Funktion als Leiter des Krisenstabs gehe es darum, alles an "Best Practice" in Erfahrung zu bringen, damit Bund und Länder voneinander lernen könnten. "Die Gesundheitsfachkräfte, die in Bremen zum Einsatz kommen, sind ein Beispiel dafür", so Breuer.
Anna Balatsan ist eine von zehn Gesundheitsfachkräften in Bremen. "Wie gehen Sie auf die Menschen zu? Klingeln Sie auch an den Wohnungstüren? Haben Sie das Gefühl, dass sie die Leute überzeugen können?", erkundigt sich der Krisenstab-Leiter. Die Epidemiologin berichtet, dass sie dort präsent ist, wo Menschen zusammenkommen: im Einkaufszentrum, auf der Straße oder in der Moschee-Gemeinde. "Wir bedrängen niemanden", sagt sie. "Das Wichtige ist, ins Gespräch zu kommen, zu informieren und Fragen zu beantworten, dadurch Vertrauen erzeugen und Ängste nehmen. Damit beginnt der Prozess."