Überseestadt. Verstärkter fachlicher Austausch, gemeinsame Qualifizierungen der Mitarbeiter und mehr Impulse von außen, das sind im Kern die Erwartungen von Stefan Höppner an die am Montag im Bremer Co-Workingspace „Weserwork“ in der Überseestadt frisch gegründete Landesarbeitsgemeinschaft Bremen-Niedersachsen für Unterstützte Beschäftigung (LAG-UB). Als Leiter des Integrationsfachdienstes (IFD) Bremen kümmert sich Höppner inzwischen seit rund 20 Jahren um diese „Unterstützte Beschäftigung“, bei der es darum geht, Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen mit entsprechenden Hilfen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, wann immer dies möglich ist.
Der 49-Jährige leitet dabei allerdings keine Behörde, sondern der Integrationsfachdienst Bremen ist eine gemeinnützige GmbH. Gesellschafter sind die Vereine Bremer Werkgemeinschaft, der Landesverband der Gehörlosen Bremen und der Martinsclub Bremen. Als Dienstleister für unterschiedliche Auftraggeber prüft der IFD zum Beispiel, welche Anforderungen ein Mitarbeiter erfüllen kann und wie die individuelle Hilfe und Begleitung aussehen muss, damit ein neuer Arbeitsplatz übernommen oder unter Umständen auch behalten werden kann.
Zu den jährlich rund 600 Klienten und Klientinnen des IFD gehören daher Arbeitnehmer, die nach schwerer Krankheit oder einem Unfall wieder ins Arbeitsleben zurückwollen ebenso, wie von Geburt an Schwerbehinderte, die den Einstieg ins Arbeitsleben suchen. „Wir sind an den Schnittstellen tätig“, beschreibt es Höppner. Wenn es zum Beispiel um den Übergang von der Schule in den Beruf gehe, wenn der Verlust eines Arbeitsplatzes drohe oder reguläre Wechsel angestrebt werden. „Wir sehen unsere Arbeit dabei als Teil der Bemühungen um Inklusion im Arbeitsleben“, sagt der studierte Behindertenpädagoge und verweist auf das ab 2018 geltende neue Bundesteilhabegesetz. Es bietet im Vergleich zu heute noch einmal erweiterte Möglichkeiten für Menschen mit geistigen und/oder körperlichen Beeinträchtigungen, um am Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.
Zu den Auftraggebern des Dienstes zählen dementsprechend das Integrationsamt Bremen, die Agentur für Arbeit Bremen, das Jobcenter, die Deutsche Rentenversicherung sowie weitere Rehabilitations- und Unfallversicherungsträger. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vergibt Aufträge. Finanziert wird die Arbeit aber vor allem aus Mitteln der Ausgleichsabgabe, die Unternehmen ab einer bestimmten Größe zahlen müssen, wenn sie keine behindertengerechten Arbeitsplätze bereitstellen. „Aber wir helfen gern, diese Abgabe einzusparen“, erläutert Höppner. Eigens dazu gebe es den Arbeitgeberservice des IFD, der sich als Personaldienstleister verstehe und den Betrieben neben neuen Fachkräften auch Beratungen über Förderleistungen und Investitionshilfen vermittle, sowohl für die Einstellung als auch für die behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes.
Auf politischer und administrativer Ebene ist das gesamte Integrations- und Inklusions-Thema Ländersache. Für den IFD Bremen ist seine Zuständigkeit für das gesamte Stadtgebiet daher deckungsgleich mit der Zuständigkeit der Bremer Behörden. Anders verhält sich das im niedersächsischen Umland. Hier agieren zahlreiche regionale Träger dieser Aufgabe, die als Einzelne mit ihren Anliegen gegenüber Institutionen wie dem Landessozialamt oder der Agentur für Arbeit nicht immer durchdringen. Die Vernetzung von rund 30 unterschiedlichen Fachdiensten aus ganz Niedersachsen in einer Arbeitsgemeinschaft auf Landesebene besitzt daher vor allem die Motivation, eine gemeinsame Interessenvertretung zu schaffen. Das ist für den IFD Bremen aber eher von untergeordneter Bedeutung.
Die Hansestädter wollten jedoch nicht als Insel innerhalb Niedersachsens abseits stehen und setzen vor allem in Fragen des fachlichen Austausches und der Qualifikation auf eine Zusammenarbeit. „Wir erleben in unserer Arbeit immer wieder, dass vielmehr möglich ist, als man anfänglich glaubt“, weiß Höppner inzwischen aus langjähriger Erfahrung. Daher erwartet er Impulse für Bremen vor allem von praktischen Beispielen gelungener Integration und Inklusion anderswo. In die gleiche Richtung äußerten sich in ihren Grußworten zur Gründungssitzung der LAG-UB auch die Behindertenbeauftragten von Bremen und Niedersachsen, Joachim Steinbrück und Petra Wontorra. Steinbrück sprach mit Blick auf die klassische Behindertenwerkstatt davon, man müsse bei diesem Thema tradierte Wege verlassen. Wontorra betonte, dass Menschen mit Behinderungen Experten in eigener Sache seien und zumeist wissen, welche Art von Unterstützungen sie brauchen. Der Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt sollte daher für alle möglich sein.
Zusammen mit Kollegen aus Göttingen, Ostercappeln, Wilhelmshaven, Wolfenbüttel und Aurich engagiert sich Höppner nun im Sprechergremium der frisch aus der Taufe gehobenen LAG-UB Bremen/Niedersachsen. Sie ist die sechste entsprechende Organisation auf Landesebene und erwartet nun die schnelle Anerkennung durch die schon 1994 gegründete Bundesarbeitsgemeinschaft Unterstützte Beschäftigung (BAG-UB).