Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kolumne 0421 Traue keiner Statistik: Lernen fürs Leben in der Schule

In der Kolumne „0421“ schreibt Oliver Matiszick über große und kleine Themen, die manchmal erst auf den zweiten Blick miteinander, immer aber mit Bremen zu tun haben. Heute: Schulwahl, Latein, Statistiken.
27.04.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Traue keiner Statistik: Lernen fürs Leben in der Schule
Von Oliver Matiszick

Als ich mich einst aus dem Bremer Süden auf den Weg in die weite Welt außerhalb des 0421-Landes hinaus gemacht habe, musste ich lernen: Dort laufen viele Dinge ganz anders als gedacht. So war uns Halbwüchsigen in Bremen stets vermittelt worden, dass kein Mensch, der nicht Jurist oder Arzt werden wollte, später im Leben mal Latein brauchen würde. Oder allenfalls die Kinder aus den Familien von der anderen, angeblich einzig wahren, Weserseite.

Seltsamerweise zählte das Argument, weder Jurist noch Arzt, sondern Lohnschreiber werden zu wollen, so rein gar nichts, als ich dann als Jungerwachsener im Westfälischen bei der Studienberatung saß. Dort eröffnete sich vielmehr die Erkenntnis, dass es ohne Latinum gleich auch postwendend zurück nach Bremen gehen kann. Um auf dem Heimweg die Entscheidung für die weiterführende, altsprachbefreite Schule von einst zu bereuen. Die kommenden Fünftklässler der Stadt haben das Wahlverfahren ja gerade hinter sich – wobei 95 Prozent laut Bildungsbehörde im Prinzip nichts zu meckern haben sollten. Weil einer der drei Wünsche, den sie – oder vielmehr ihre Eltern – für den weiteren Schulbesuch angegeben hatten, tatsächlich auch erfüllt wurde. Da freut man sich doch solidarisch mit! Und Wahlergebnisse im Neunzig-Plus-Bereich, die hinterfragt man doch nicht leichtfertig.

Lesen Sie auch

Da wären wir prompt zurück in den Jahren an der Uni, die neben dem bestürzenden Zwang zum Latinum auch noch den Nachweis von Grundkenntnissen in Sachen der Statistik erforderten. Und wie einfach war die im Vergleich zu vertrackten Grammatikfällen wie dem Ablativ! Weil sich Zahlen – im Vergleich zu Sprachregeln – ja so vielseitig interpretieren lassen. Im Grundkurs Statistik gibt es dafür das mahnende Standardbeispiel, dass sich zwischen der örtlichen Storchenpopulation und der Bevölkerungsentwicklung zwar ein Zusammenhang errechnen lässt, der dadurch aber sachlich nicht richtiger wird. Nachdem ich unserer geschätzten Qualitätszeitung kürzlich entnehmen durfte, dass in Sandstedt, auf halbem Weg zwischen Bremen und Bremerhaven gelegen, nunmehr mit Schildern an den Ortseingängen vor tieffliegenden Störchen gewarnt wird, war ich vorgewarnt. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei Sandstedt trotzdem nicht um die demografische Boomtown des 0421-Landes.

Und dann erst die Nachricht dieser Woche, dass jedes siebte Kind in Bremen bei der Einschulung zu dick ist. Das ist nicht gut! Was ich schon deshalb mit Bestimmtheit sagen kann, weil das auf mich vor vielen Jahren auch zutraf. Das hatte unter anderem mit dem Hang zu einer bekannten Nuss-Nougat-Creme zu tun, die ich bei jeder Gelegenheit heimlich mit einem grünen Plastiklöffel direkt aus dem Glas kratzte. Von derlei persönlicher Willensschwäche in grauer Vorzeit abgesehen: Als hoffnungsloser Optimist freue ich mich daher lieber über die Erkenntnis, dass es sechs von sieben Bremer Kindern heute offenbar besser machen als ich einst.

Tagebucheintrag: Dass dieser nass-kalte April statistisch gesehen ein Reinfall war? Kein Widerspruch. Feiern Sie am Dienstagabend schön in einen besseren Mai rein!

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)