Auf der ständigen Suche nach eigenem und gesellschaftlichem Verbesserungspotenzial bin ich diese Woche zu der Erkenntnis gelangt: Wir sollten uns mehr umarmen. Schließlich hat sich ein Forschungsteam der Universitäten Bochum, Duisburg-Essen und Amsterdam durch mehr als 130 internationale Studien gearbeitet, um am Ende festzustellen: Gewünschte Berührungen lindern Schmerzen und Ängste und verbessern sodann medizinisch messbar das Befinden. Der Online-Auftritt des Spiegel sprach daher von den heilsamen Kräften des Kuschelns. Wenn das mal nichts für das Bremen des Frühjahrs 2024 ist!
Denn Stadt und Land hätten gerade eine ganze Menge Kuscheleinheiten zur Steigerung des Wohlbefindens nötig. Das legt zumindest die Nachrichtenlage der vergangenen Wochen nahe, gegen die das gruselig-graue Aprilwetter dieser Tage geradezu frohsinnig erscheint. Weshalb? Weil die im Vergleich der Bundesländer schon zuvor mit Abstand höchste Armutsquote in der Bevölkerung nochmals gestiegen ist. So wie auch die Fallzahlen in der Kriminalitätsstatistik, die der Innensenator für 2023 vorgelegt hat. Was ihn schon mal vom Kollegen Finanzen unterscheidet. Denn der hat, so lässt es der Bremer Haushaltsentwurf für 2024/25 erahnen, bald gar nichts mehr vorzulegen, jedenfalls kein Geld. Ach ja, außerdem hält die Abwanderung ins Umland unvermindert an. Daher aus gegebenem Anlass: Könnte vielleicht mal jemand diese Stadt kräftig in den Arm nehmen?
In diesem sagenhaften Früher war das bekanntlich Chefsache. Galt doch lange Zeit, dass in der 0421-Gesellschaft nur wirklich angekommen ist, wer schon mal von Henning Scherf in den Arm genommen worden ist. Das wäre bei mir abgehakt, seit ich vor vielen Jahren, damals noch Journalisten-Azubi, mit einem langgedienten Kollegen über den Domshof zu einem Termin spazierte. Dort trafen wir auf den Bürgermeister, getreu Benimmhandbuch stellte ich mich zu Beginn des Small-Talk-Stopps namentlich vor – und wurde umgehend geherzt. Ergänzt um den überzeugend vorgetragenen Hinweis: „Das weiß ich doch!“ Was für eine hübsche, kleine Flunkerei, waren wir uns zuvor doch nie begegnet. Aber sie wirkte: Nach der landesväterlichen Umarmung in Tat und Wort fühlte ich mich ungleich besser. Das hätte ich dem Forscherteam also auch ohne die sicher sehr erschöpfende Lektüre der ganzen Studien sagen können.
Da die Bestätigung einer jeden Theorie eine anständige Gegenprobe erfordert: Bitte sehr, dafür hätte ich meinen Grundkurs Musik während der Oberstufenzeit im Angebot. In dem versuchte der Lehrer nicht mal, sich meinen Namen zu merken. Das war einerseits nachvollziehbar, weil meine Unterrichtsbeteiligung aus einer aktiven Wortmeldung während des ganzen Schuljahrs bestand. Andererseits waren wir nur zu sechst in dem Kurs, weshalb ich, als mein großer Moment dann gekommen war, nicht unbedingt zielsicher mit „Jens!“ hätte aufgerufen werden müssen. Ich habe den Kurs dann übrigens abgewählt.
Tagebucheintrag: Klarer Auftrag für das Wochenende daher: Umarmen Sie doch mal wieder Frau, Mann, Kinder, Freunde und sagen was Nettes. Kostet nichts, schadet nie, hilft aber viel.