Wenn mich diese Woche etwas wesentlich weniger kalt erwischt hat als der Umstand, dass ich Schal und Mütze in verfrühtem Optimismus bereits ins Sommerlager geräumt hatte, dann die Ergebnisse der Studie zur Lebenszufriedenheit der Menschen in Bremen. Die lausige Bewertung der Innenstadt? Volle Zustimmung. Auch dass die Bildung kein Aushängeschild der Stadt ist, überraschte nicht – zu dieser Erkenntnis führt ja unweigerlich jeder Small Talk unter Erziehungsberechtigten. So wie auf der Party am Wochenende zuvor, als mir die Gesprächspartnerin am Stehtisch darlegte, wie gerne sie einst mit ihren Kindern ins 0421-Land gezogen war. Um dann den Schlusssatz folgen zu lassen: „Da kannte ich das Bremer Schulsystem noch nicht.“
Herrje, wie leicht hätte sich in die Klage einstimmen lassen! Aber: Schon die Verantwortung dieser Kolumne gegenüber gebietet es, dass ich mich am Appell der Vorwoche, es öfter mal mit einer auch verbalen Umarmung zu versuchen, messen lassen muss.
Daher an dieser Stelle: ein Lob für das hiesige Bildungssystem. Schließlich hat es einst keine Mühen gescheut, mich trotz aller Aussichtslosigkeit an die französische Sprache heranzuführen. Die ist zwar immer uneinholbar vor mir weggelaufen, doch ein wenig was ist am Wegesrand der Bildung zurückgeblieben. Was einmal mehr beweist, dass nicht für die Schule, sondern für das Leben gelernt wird.
Das zahlte sich aus, als jüngst eine Mail einging, deren verlockender Betreff „Vielen Dank“ lautete. Ganz sicher Leserpost! Doch verwirrenderweise ging es über einen Link, der auf meinen Klick lauerte, direkt mit dem alten Fremdsprachentrauma weiter: „Voici ce qu’il s’est passé depuis votre dernière visite sur LinkedIn“. Da waren die vier Jahre, in denen sich Französischlehrerin M. von mir in ihrer Berufsausübung nicht hatte entmutigen lassen, doch nicht vergeudet! Denn für die Übersetzung der Fake-Mail reichte es immer noch. Als ob ich schon jemals Linkedin besucht hätte. Also echt, da hätten sich die Internet-Gauner ruhig mal mehr Mühe beim Fälschen geben können.
Und selbst in dieser Hinsicht hat mich die Bremer Schulzeit vorangebracht. Denn damals wurden wir noch mit einem Schülerausweis ausgestattet, der handschriftlich mit Namen und Daten selbst auszufüllen war, bevor er mit offiziellem Segen versehen wurde. Was die aufreizende Gelegenheit bot, die Ziffer eins am Ende des Geburtsjahres so liederlich hinzuschreiben, dass sich daraus später problemlos eine Null nachformen ließ. So war im Handumdrehen ein entscheidendes Lebensjahr gewonnen, das die dankenswert nachlässigen Türsteher meines damaligen Zweitwohnsitzes Stubu bei der Einlasskontrolle nie hinterfragten. Dass auch das Stubu längst Geschichte und das Gebäude kurz vor dem Rembertikreisel inzwischen ein innerstädtischer Sanierungs- und Problemfall ist: ach ja, Bremen.
Tagebucheintrag: Am nächsten Donnerstag ist Zukunftstag. Da hätte ich den Kindern, die die Redaktion bevölkern, meine Kenntnisse im Schülerausweisfälschen ja selbstlos vermittelt. Allerdings wurde mir bedeutet, dass ich dann lieber im Homeoffice bleiben soll. Komisch.