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Vergleichstest Vera 8 Bildungsdefizite in den Brennpunkten

Mehr als jeder zweite Bremer Achtklässler erreicht nicht die Mindeststandards in Mathematik. Das stellte sich bei einem aktuellen Vergleichstest heraus. Die Bildungsbehörde nennt die Ergebnisse "dramatisch."
21.07.2021, 19:15 Uhr
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Bildungsdefizite in den Brennpunkten
Von Sara Sundermann

Rund 60 Prozent aller Achtklässler im Land Bremen liegen laut Bildungsbehörde mit ihren Leistungen in Mathematik unter dem Mindeststandard. In Stadtgebieten mit großer Armut, Arbeitslosigkeit und Sprachförderbedarf fallen die Werte drastischer aus. In benachteiligten Quartieren zum Beispiel in Gröpelingen, Huchting und Mahndorf erreichten fast drei Viertel (73 Prozent) der Kinder nicht die Mindeststandards des Tests, die meisten liegen weit darunter. Das sind die Ergebnisse eines Vergleichstests, der im Februar und März an allen Bremer Schulen stattfand. Dieser Test namens Vera 8 ist eine Lernstandserhebung, die regelmäßig durchgeführt wird. Mehr als 4200 Kinder nahmen teil.

Verteilt wurden zwei verschiedene Tests: Testheft eins mit leichteren Aufgaben für die große Mehrheit der Kinder, und Testheft zwei mit schwierigeren Aufgaben für Gymnasien und einige leistungsstarke Kurse. Laut einem Behördenbericht zu Vera 8 gilt für die breite Masse der Achtklässler: „Eine Leistungsspitze ist bei den Klassen, die Testheft eins einsetzten, so gut wie nicht vorhanden.“ Gravierend sei, dass 33 Prozent nur die unterste Kompetenzstufe erreichten. Sie könnten zum Beispiel aus sehr kurzen Texten zu Mathematik einzelne Informationen entnehmen und „einschrittige Rechenoperationen“ durchführen. Insgesamt gingen ihre Kompetenzen aber nicht über das hinaus, was in der Grundschule gefordert werde.

Der Sprecher der Bildungsbehörde nennt die Daten „dramatisch“, sie seien „nicht zu tolerieren“. „Die Ergebnisse sind schlecht, da gibt es nichts schön zu reden“, sagt Bremens Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) dem WESER-KURIER. Sie kündigt stärkere Unterstützung für Kinder in benachteiligten Quartieren an: „Ungleiches muss noch viel stärker ungleich behandelt werden, sonst wird das nichts.“ Besonders erschreckend sei der enge Zusammenhang zwischen der sozialen Lage und den Ergebnissen, so Aulepp. Zwar hätten sich die Ergebnisse gegenüber 2018 leicht verbessert. Dennoch habe sich die Schere zwischen Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft noch weiter geöffnet.

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Der Vergleichstest fand nach fast einem Jahr Pandemie statt. Das Coronavirus gilt nicht als Ursache für diese Lernlücken. Systematische negative Effekte aufgrund von Schulschließungen, Distanz- und Wechselunterricht seien in Mathematik nicht festzustellen, urteilt die Behörde. Dennoch zeige sich sehr deutlich „dass noch ein gewaltiger Aufholbedarf herrscht“, sagt Behördensprecher Aygün Kilincsoy. Nur wenn die Mädchen und Jungen, die besonders schlechte Leistungen zeigten und die meist besonders herausfordernde Lebenslagen hätten, intensiv unterstützt würden, werde der gesamte Schnitt nach oben gezogen, so Kilincsoy.

Zuletzt wurde Vera 8 im Jahr 2018 verpflichtend an allen Bremer Schulen durchgeführt. Gegenüber 2018 sieht Kilincsoy eine positive Tendenz: „Es gibt bei vielen Schülern, die Testheft eins bearbeitet haben, eine Verbesserung.“ Der Anteil der Schüler weit un­ter dem Mindeststandard sei gesunken. Anders ausgedrückt: Wo die Zahlen derzeit dramatisch sind, waren sie 2018 noch dramatischer. In sozialen Brennpunkten (Sozialstufe 5) erreichten 2018 insgesamt 81 Prozent der Kinder nicht die Mindeststandards. 2021 traf dies auf 73 Prozent zu. Die Folgen für die Kinder sind absehbar: „Da reproduziert sich Armut, das ist schon in der 8. Klasse sichtbar“, sagt Kilincsoy.

In sogenannten Gebieten der Sozialstufe eins und zwei erzielten 65 Prozent der Kinder, die das schwere Mathe-Heft bearbeiteten, bessere Leistungen als die Mindeststandards und 17 Prozent den Maximalstandard. Gebiete mit Sozialindikator eins liegen laut Behörde zum Beispiel in Horn, Schwachhausen oder der Östlichen Vorstadt.

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Neue Zahlen liefert Vera 8 auch zu Deutsch und Englisch. In diesen Fächern waren die Tests freiwillig und wurden deshalb von wenigen Schulen (21 und 13 Prozent) durchgeführt. Es nahmen vor allem Schulen teil, die in benachteiligten Quartieren liegen. Beim Lesen erreichten fast alle in Deutsch getesteten Schüler nicht den Regelstandard für das Ende der 10. Jahrgangsstufe. Kaum ein Kind beherrsche die Rechtschreibung und Zeichensetzung weitestgehend, so die Behörde.

Im Bildungsressort hebt man hervor, Bremen habe Vera 8 vollständig durchgeführt, während der Test in anderen Bundesländern verschoben, freiwillig gestellt oder abgesagt worden sei. Ein anderer Vergleichstest, Vera  3 für die Drittklässler, wurde auch in Bremen auf das kommende Schuljahr verschoben. Wie Niedersachsen zuletzt mit Vergleichstests umging, war auf Nachfrage des WESER-KURIER vom Kultusministerium in Hannover nicht zu erfahren.

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