"Wir können nicht mehr", schreiben sie: Beschäftigte einer Bremer Grundschule kritisieren Überlastung in der Pandemie. Diese Kritik äußert das Kollegium der Grundschule am Baumschulenweg in Schwachhausen in einem Offenen Brief an die Bildungssenatorin und den Bürgermeister. Darin heißt es: "Wir Grundschullehrkräfte in Bremen arbeiten seit 15 Monaten am Limit." Sie stünden hinter den Corona-Maßnahmen, aber die zusätzlichen Aufgaben würden ihre Kräfte übersteigen.
"Es gibt insgesamt bei uns im Kollegium ein Gefühl der Überlastung", sagt Inka Knobloch, Lehrerin am Baumschulenweg und Mitinitiatorin des Briefs. Dies wirke sich bereits auf die Gesundheit aus. Als größten Stressfaktor beschreibt Knobloch: "Wir wurden durch sämtliche Unterrichtsformate geschüttelt, ständig muss man sich ad-hoc auf neue Regelungen umstellen, neue Pläne machen und die Kinder in neue Gruppen einteilen." Seit Januar habe es an den Grundschulen sechs Wechsel der Unterrichtsformen gegeben, zählt sie auf. Hinzu kämen neue Regeln wie die Masken- und Testpflicht für Kinder. Dies zu organisieren und Eltern zu vermitteln, sei besonders für Schul- und Klassenleitungen sehr aufwändig.
Zudem gebe es für die Ganztagsschule am Baumschulenweg mit 400 Kindern derzeit keine Vollzeit-Verwaltungskraft. "Uns stehen 32 Stunden zu, über lange Zeit ist unser Sekretariat aber nur mit 19 Stunden versorgt und nur an drei Wochentagen besetzt", sagt Knobloch. Das Sekretariat sei aber sehr wichtig, um Schulleitung und Lehrkräfte zu entlasten.
Auch bei den vielen Fragen von Eltern zu den Schüler-iPads müsse man Lehrkräfte entlasten, heißt es in dem Offenen Brief. "Die Eltern schreiben der Klassenlehrerin: ,Eine App funktioniert nicht'. Wir müssen dann Rücksprache mit Fachleuten halten und deren Antwort an die Eltern weitergeben", schildert Knobloch. Eltern bräuchten Ansprechpartner für technische Fragen, die sie direkt kontaktieren könnten.
Generell gebe es in der Pandemie sehr viele Elternfragen: "Wir klären besorgte Eltern zur Notbetreuung auf, wir erheben den Betreuungsbedarf, wir beraten zum Präsenz- und Distanzlernen", so Knobloch. Deshalb fordert das Kollegium, Klassenleitungen sollten mindestens eine Stunde pro Woche weniger unterrichten müssen.
"Die Lage der Grundschule am Baumschulenweg ist kein Einzelfall, ähnliche Briefe gab es schon aus dem Norden, Westen und Süden", sagt Barbara Schüll, Landessprecherin der Bildungsgewerkschaft GEW. "Die Personaldecke ist zu dünn, die Belastung ist in der Pandemie extrem gewachsen. Und schon vor Corona gab es deutlich mehr Aufgaben durch die Inklusion." Die GEW fordere schon länger nicht nur Entlastungsstunden für Klassenleitungen, sondern generell eine geringere Unterrichtsverpflichtung: "Wir brauchen 20 Stunden statt derzeit 28 Stunden an Grundschulen." Die Senatorin wisse, dass Lehrern allein durch die Einarbeitung in die Digitalisierung viel Mehrarbeit entstanden sei: "Aber sie hat keine Lösung für das Problem. Sie sagt, wenn wir die Unterrichtsverpflichtung senken, fehlen uns noch mehr Lehrkräfte."
"Wir sehen, was an Schulen alles geleistet wird", sagt Annette Kemp, Sprecherin der Bildungsbehörde. "Die Belastungen sind riesig." Kemp verweist darauf, dass Bremen die Bezahlung von Grundschullehrern ab Sommer auf A13 anhebt. Dafür habe sich Senatorin Claudia Bogedan (SPD) eingesetzt – "in Anerkennung des umfassenden Aufgabenkanons von Grundschullehrkräften", so Kemp. Dadurch hebe sich Bremen von vielen anderen Bundesländern ab. Die Nutzung der iPads bringe zunächst zusätzliche Anstrengungen mit sich, der entlastende Effekt werde sich vermutlich erst durch mehr Routine einstellen. Die Ausweitung von Verwaltungs-Ressourcen für Schulen werde geprüft, so Kemp. Entlastungsstunden für Klassenleitungen könnten derzeit nicht gegeben werden.