In einem Büchlein des Insel-Verlags über Bremen („Literarische Spaziergänge“) taucht früh die Obernstraße auf. Zusammen mit der Sögestraße bildet sie in der Innenstadt das sogenannte Konsum-L. „Die Obernstraße ist eine der ältesten Straßen Bremens und diente zunächst der Oberschicht als Wohn- und Geschäftsstraße“, heißt es in dem Band, „heute wohnt hier so gut wie niemand mehr – alles, was zählt, ist Umsatz.“
Das ist so, der Autor hat recht. Wohnungen gab es zwischen Wall und Weser lange Jahrzehnte nur noch in geringem Maße, festgesetzt hatte sich stattdessen eine Monostruktur aus Büros und Geschäften. Ein Manko, wie heute erkannt wird. Mit den Bewohnern fehlt besonders an den Abenden das Quirlige – Totentanz auf den Straßen und Plätzen. Die Menschen wären auch ein Nachfragefaktor, zum Wohle zum Beispiel des darbenden Wochenmarkts auf dem Domshof. Und sie würden, sofern es Familien sind, andere Altersgruppen in die Innenstadt bringen.
Nicht nur, dass es mit der Zeit in der Innenstadt immer weniger Wohnungen gab – dort neue zu schaffen, war sogar verboten. Anders wurde das erst vor sechs Jahren, damals beschloss die Bremische Bürgerschaft nichts weniger als einen Paradigmenwechsel: Mit dem Bebauungsplan 2440, der für weite Teile der City gilt, wurde der Weg fürs Wohnen freigemacht. Das gilt für Neubauten, genauso aber auch für bestehende Immobilien, die jetzt entsprechend anders genutzt werden können. Einen Sonderfall stellen die Flächen rund um das Parkhaus Mitte dar, für sie wird gerade der separate Bebauungsplan 2420 entwickelt, damit auch dort Wohnungen entstehen können. Hinter dem Projekt „Bremen Mitte“ verbirgt sich die Absicht des Bremer Unternehmers Kurt Zech, das Parkhaus abzureißen und an seiner Stelle unter anderem ein Hochhaus mit Wohnnutzung zu bauen.
In Zukunft bei Zech, demnächst im umgebauten Lloydhof, bald auch in einem Haus in der Obernstraße – das sind ein paar der neuen Wohnadressen in der City. In sehr großem Stil sollte das mit den Libeskind-Türmen auf dem ehemaligen Sparkassengelände am Brill geschehen, aber diese Pläne sind Makulatur. Viele Wohnungen sind in den vergangenen Jahren im Stephaniviertel geschaffen worden. Und dann gibt es noch den Schnoor, das Dorf in der Innenstadt, in dem Hunderte Menschen zu Hause sind. Unterm Strich ist das aus Sicht des Senats nicht wenig, aber bei Weitem nicht genug. Deshalb wird gerade intensiv mit den Immobilieneigentümern gesprochen, um sie zu einem Umbau ihrer Büro- und Geschäftshäuser zu bewegen. Ein schwieriges Unterfangen, weil es oft mehr oder weniger anonyme Fonds sind, die die Gebäude besitzen oder sie verwalten.