„Man geht rein und weiß sofort, ob man sich wohlfühlt oder nicht.“ Gerold Buck (37) weiß noch genau, wie es war vor rund zweieinhalb Jahren. „Er hat sich wohlgefühlt, und ich habe zentral gesucht, das ist ein toller Glücksgriff hier“, sagt Janna Buck (35) über die gemeinsame Wohnung in der Altstadt, im Abbentor-Quartier. „Von der Größe her ist sie perfekt für ein Pärchen.“ Inzwischen sind sie ein Ehepaar – und zu dritt. Mathilda (1) besucht die Kindertagesstätte der Gemeinde St. Michaelis und St. Stephani gleich nebenan.
„Die Kita ist toll, Mathilda geht da gerne hin. Die Eingewöhnung hat nur ein paar Tage gedauert, es gab keine Kullertränen“, sagt Janna Buck. Das war wichtig für die angehende Pflege- und Religionswissenschaftlerin, die Lehrerin werden will und ihren Uni-Abschluss noch dieses Jahr plant. „Sonst hätte ich mit dem Studium aussetzen müssen.“ Das hätte einiges durcheinandergebracht, denn so gut ihnen ihre Wohnung im vierten Stock gefällt: „Mit Kind wird es zu eng“, sagt Gerold Buck. Er ist Betriebsleiter einer Papierfabrik in Hoya im Landkreis Nienburg und pendelt jeden Tag. „Zum Glück bin ich azyklisch unterwegs, in der Gegenrichtung sehe ich oft Staus.“ Die Tage Bremens als Wunschwohnort der Bucks sind gezählt.
„Wir kommen beide aus dem Emsland, aus kleinen Dörfern, und wissen Platz zu schätzen“, sagt Janna Buck. Das Ehepaar hat ein Haus gekauft, im Sommer zieht die Familie nach Blender um, in den Landkreis Verden. Auch der neue Kita-Platz für Mathilda ist schon gesichert. Für sie bedeutet der Umzug einen Wechsel von der Katzengruppe hier in die Käfergruppe dort. Für ihre Eltern heißt das: Platz, einen eigenen Garten, in dem, anders als jetzt auf dem Balkon, gegrillt werden darf. Auch der Weg nach Hoya ist viel kürzer. Gerold Buck will „nicht ewig Miete zahlen“, aber in Bremen sei es einfach nichts geworden mit dem eigenen Haus. „Für das Geld, das wir in der Gartenstadt Werdersee für ein Doppelhaus hätten zahlen müssen, hätten wir mehr Haus und mehr Grundstück erwartet“, sagt Janna Buck. Und ihr Mann ergänzt: „Das wären alles Kompromisse gewesen. Und Baugrundstücke habe ich in Bremen gar nicht gesehen.“
Neustadt, Huckelriede, Überseestadt, Bahnhofsvorstadt: Janna und Gerold Buck haben über die Jahre in unterschiedlichen Bremer Stadtteilen gelebt, ehe sie sich kennenlernten und in der Altstadt zusammenzogen. Die Adresse wählten sie letztlich aus strategischen Gründen. Über den Autobahnzubringer Arsten „und über die Dörfer“, wie Gerold Buck sagt, kommt man in einer Dreiviertelstunde nach Hoya. Das eine Auto steht auf einem Einstellplatz, für das andere findet sich immer etwas. Auch Janna Buck ist begeistert von der Verkehrsanbindung: „Man kommt aus dem Haus und hat Straßenbahn- und Busverbindungen in alle Richtungen.“ Rundherum gebe es Einkaufsmöglichkeiten, die sich zu Fuß erreichen ließen. Wie so vieles, das sie mögen und Besuchern auf kurzem Weg zeigen können: Dom, Rathaus, Schlachte, Weihnachtsmarkt, Varieté-Theater. Nichts ist weit entfernt. Gerold Buck zählt aus dem Stand ein Dutzend Restaurants auf, seine Frau denkt an Cocktailbars und das Meisenfrei gleich um die Ecke. „Das war schön, vor Corona, und das wird es sicher wieder.“
Auch Clara (31) und Philipp (32) Jasper, die mit ihrer einjährigen Tochter in einem Neubau in der Nähe wohnen, freuen sich darauf, diese Annehmlichkeiten zu genießen. Sie leben seit einem Jahr im Quartier und sind neu in der Stadt, die sie sich wegen der Nähe zur Küste ausgesucht haben. Auch die Adresse ist kein Zufall: wegen der Nähe zum Fluss. Beruflich hätten wir überall hingekonnt, sagt der Chirurg, seine Frau absolviert ein Fernstudium. „Im Viertel ist es zu eng und zu unruhig.“ Aber auch in der Altstadt wird es lebhafter. „Wir haben das Gefühl, dass viele junge Leute mit Familie erst einmal hier herkommen und dann zum Beispiel nach Oberneuland wechseln“, sagt Clara Jasper. „Irgendwann wollen wir auch in ein Eigenheim ziehen.“
Sabine Wedell (49) ist an der Bischofsnadel aufgewachsen und wohnt seit 25 Jahren mit ihrer Familie in einem Reihenhaus im Stephaniviertel – auf der anderen Seite der Faulenstraße. „Drüben, das nennen wir immer die neuen Häuser, da gibt es eigentlich keinen Kontakt.“ Bei ihnen, im Bereich der Kulturkirche St. Stephani, verschwänden zusehends Bäume, Hecken und Wiesen, um Terrassenstufen Platz zu machen. „Das soll zum Verweilen einladen, wird aber zu Orten zum Abhängen und Halligallimachen“, ärgert sie sich über die Umgestaltungen nahe der Kulturkirche. „Als wir hergezogen sind, hat das keiner verstanden. Aber das ist ein von Offenheit geprägtes Kleinod mit total dörflichem Charakter.“
Ein Glücksgriff zum Loslassen
Für Janna Buck ist das Haus, in das sie mit ihrer Familie ziehen wird, eine Burg: „Da hat Corona keine Aktien dran. Anders als bei unserer Hochzeitsfeier und so vielem anderen. Da kann nichts dazwischen kommen, da kann man sich drauf freuen.“ Aber noch sind sie hier im Quartier und zählen zu den 3801 Einwohnerinnen und Einwohnern – Stand 2019, und ohne Mathilda. Wenn die Bucks mit dem Kinderwagen unterwegs sind, machen sie sich „Gedanken über die Autoabgase“, und auch die „vielen Hauptverkehrsstraßen rundherum“ hätten eine Gefahr für ihr Kind werden können.
In dem Mehrfamilienhaus, in dem sie jetzt wohnen, herrsche „eher Anonymität“, sagt Janna Buck. An den Wohnungstüren gibt es keine Namen, sondern Nummern. „Aber alles ist barrierefrei. Ältere Nachbarn sagen, dass sie hier überhaupt nicht mehr wegwollen. Hier steht nichts lange leer, obwohl es einen regen Wechsel gibt, gerade von jungen Leuten, die Zuwachs bekommen.“ Ein Glücksgriff, aber man muss auch loslassen können.