Frau Heydinger, über die Situation von Alleinerziehenden hat vor Kurzem der Bremer Landtag diskutiert. Was sind die größten Hürden für alleinerziehende Eltern in der Stadt?
Helga Heydinger: Die größte Schwierigkeit ist nach wie vor die fehlende Kinderbetreuung. Die alleinerziehenden Frauen und Männer wollen gerne arbeiten, aber oftmals sind die Arbeitszeiten länger als der Kindergarten geöffnet ist. Oder die Hortbetreuung hört nach zwölf Jahren auf. Man kann ein dreizehnjähriges Kind mal kurz alleine lassen, aber nicht über mehrere Stunden. Und auch wenn man studiert, kann man an Seminaren am Nachmittag oft nicht teilnehmen, wenn man keine Betreuung hat.
Das Problem ist in Bremen lange bekannt, der Senat hat sich dazu im Aktionsplan Alleinerziehende einiges vorgenommen, unter anderem flexiblere Betreuungszeiten und die Prüfung einer 24-Stunden-Kita. Gibt es jetzt bessere Angebote als noch vor fünf Jahren?Nein, da hat sich bisher praktisch nichts getan. Es fehlen immer noch Kita-Plätze, wir haben nicht genug Erzieher. Wir haben ja auch jetzt mehr Kinder, auch dadurch, dass mehr Kinder unter drei in die Kita gehen. Und die Lage war zuletzt mit Corona für Alleinerziehende noch schwieriger: Wenn die Kita zumacht, muss die Mutter oder der Vater zu Hause bleiben. Und versuchen Sie mal, mit einem zwei- oder dreijährigen Kind Homeoffice zu gestalten, nach einer Woche ist man durch mit dem Thema.

Beraterin Helga Heydinger.
Dass man eine Ausbildung auch in Teilzeit machen kann, ist leider weiterhin die Ausnahme. Bei der Beratung gibt es in Bremen gute Angebote und insgesamt genug Anlaufstellen, aber die Betreuungs- und Arbeitszeiten bleiben auch mit guter Beratung das Hauptproblem.
In Bremen gibt es bislang noch keine Kita, die nachts eine Betreuung anbietet. Viele Alleinerziehende arbeiten aber in Bereichen, wo es Schichtdienst gibt, zum Beispiel in der Altenpflege, wo Nachtschichten dazu gehören. Bisher kann man nur versuchen, eine Tagesmutter zu finden oder seine Verwandten fragen. In manchen anderen Städten gibt es auch nachts Betreuung, überwiegend in Ostdeutschland, zum Beispiel in Chemnitz. Das wäre auch in Bremen ein wichtiges Angebot.
Am meisten brauchen wir die 24-Stunden-Kita. Alleinerziehende können sich keinen Ausbildungsplatz suchen, wenn sie nicht wissen, wo sie ihr Kind in den Randzeiten lassen sollen. Und wir brauchen endlich die Kindergrundsicherung, die wir schon seit Jahren fordern. Kindergeld und Unterhalt reichen oft nicht aus. Kinder kosten Geld. Wenn Eltern ihr Kind bei einem Turnverein anmelden, können sie dafür zum Teil auf Antrag Geld bekommen. Aber mit einer Kindergrundsicherung könnten sie selbst entscheiden, wofür sie ihr Kind anmelden.
Das Gespräch führte Sara Sundermann.
Helga Heydinger (65)
vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) berät seit 20 Jahren alleinerziehende Eltern in Bremen. Sie hat selbst drei Kinder allein groß gezogen, die inzwischen erwachsen sind.