Herr Fürst, warum werden die Sparkassenfilialen in Hammersbeck und in Lüssum nach der coronabedingten Schließung nicht wieder geöffnet?
Thomas Fürst: Nicht wieder geöffnet muss man ein bisschen differenziert betrachten, weil sie ja als Standort bestehen bleiben. Dabei folgen wir einer Strategie. Wenn ein Kunde in die Filiale kommt, können wir im Detail sehen, wann er dort war und was er erledigt hat. Wird der Geldautomat oder der Kontoauszugsdrucker genutzt, wird das protokolliert. Gibt es ein Beratungsgespräch, wird ein Beratungsprotokoll erstellt und eine abgegebene Überweisung wird gebucht. So können wir bei jeder Filiale sehen, weswegen die Menschen den Standort aufsuchen. Um wieder attraktiv zu werden, wollen wir uns auf etwas weniger Standorte fokussieren, dort aber 30 Millionen Euro investieren, um mit den Menschen in den Stadtteilen wieder mehr ins Gespräch zu kommen. Dafür werden wir andere Standorte, die nicht so stark frequentiert sind, mehr technisch unterstützen. Wir nennen das pauschal Service-Leistung, die wir trennen von der Beratungs-Leistung. Entsprechend bieten wir an den nicht so frequentierten Standorten Service-Leistungen an, die vorwiegend online oder am Automaten genutzt werden können.
Das bedeutet, die Filialen in Hammersbeck und in Lüssum werden nicht mehr so häufig aufgesucht?Ja, die Frequenz ist weniger geworden. Es werden Leistungen abgerufen, die schon jetzt problemlos telefonisch erledigt werden können, am Automaten gemacht werden oder bei denen es nur einer kurzen Schulung durch die Mitarbeiter bedarf.
Dennoch sind die Menschen von der Umwandlung der Filialen nicht begeistert.Das liegt daran, dass Kunden zum Teil dreimal in der Woche in eine Filiale gehen und 50 Euro abholen, statt einmal 150 Euro, weil sie sagen, der soziale Kontakt zu dem Berater ist mir so wichtig. Das kann ich menschlich absolut verstehen, sorgt aber bei den jungen Leuten nicht für eine Zahlungsbereitschaft. Insgesamt sehe ich bei den Leuten ein Weggehen von der persönlichen Beratung. Es passiert tatsächlich immer mehr online.
Wie viel Prozent Ihrer Kunden nutzen Online-Banking beziehungsweise die Automaten und wie viele setzen auf den persönlichen Kontakt zum Bankmitarbeiter?84 Prozent der Anliegen unserer Kundinnen und Kunden können und werden fallabschließend bereits am Telefon erledigt. Das heißt im Umkehrschluss, dass 16 Prozent die persönliche Beratung in der Filiale suchen. Mittlerweile haben wir 167 000 Online-Banking-Kunden, die rund 60 Services online nutzen können. Insgesamt haben wir elf Kanäle, über die wir für unsere Kunden erreichbar sind. Das ist nicht mehr nur die Filiale. Junge Leute gehen zum Beispiel viel über den Chat, Social Media und Mobile Banking. Die Streuung liegt beim Kunden und wir wollen sie nicht bevormunden, über welchen Kanal sie mit uns in den Kontakt treten wollen.
Welche Rolle spielt die Pandemie bei der Entscheidung, die Filialen umzuwandeln?Sie war uns ein zeitlicher Beschleuniger. Die Filialen wurden coronabedingt geschlossen, wodurch sich die Kunden an ein anderes Zahlungsverhalten gewöhnt haben. Wenn wir jetzt für sechs oder für acht Monate wieder öffnen und dann schließen, bringen wir sie wieder in die Situation, dass sie sagen, es geht auch anders gut. Dann würden sie ein zweites Mal von uns einen auf den Deckel bekommen, weil wir die Filialen dann schließen beziehungsweise umwidmen in eine Nicht-Personen-gestützte-Filiale.
Was passiert mit den Mitarbeitern, die vor der Pandemie in den Filialen Lüssum und Hammersbeck beschäftigt waren?Es ist überhaupt nicht geplant, dass wir Arbeitsplätze abbauen. Die Mitarbeiter werden auf andere Filialen verteilt. Wir haben drei große Stadtteilfilialen. Die Standorte in Bremen-Nord sind maximal 2,8 Kilometer auseinander. Das heißt, im ungünstigsten Fall ist ein Kunde 1,4 Kilometer, nämlich, wenn er genau in der Mitte zwischen zwei Standorten wohnt, von einer Filiale entfernt. Die Frage ist nur, ist der personengestützt oder ist er mit Automaten versehen. Die großen Filialen in Burglesum, in Vegesack und in Blumenthal werden aufgerüstet und werden auch mit wesentlich mehr Leuten besetzt.
An diesen Standorten gibt es nun mehr Beratungskapazitäten?Da gibt es höhere Beratungskapazitäten und auch Schulungen zu verschiedenen Themen rund um das Bankgeschäft. In der Pappelstraße in der Neustadt, in Schwachhausen, in Horn, in Lesum und in Habenhausen haben wir die Stadtteilfilialen bereits. Die Standorte wurden schon nach kurzer Zeit sehr gut von den Kunden angenommen. Und was für uns schön ist, sie werden nicht nur von älteren Menschen, sondern auch von jungen Leuten sehr gut angenommen.
Warum sind die Stadtteilfilialen für Sie attraktiver als das dichte Fililalnetz, das Sie vorher hatten?Das liegt daran, dass ein Großteil der Bevölkerung sich über Plattformen schlaumacht, wenn sie einen Bedarf haben. Wer in den Urlaub fahren will, geht über booking.com. Früher musste man im Hotel anrufen. Zum Einkaufen gehen wir über Plattformen wie Amazon oder Check 24. Das ist der Grund, warum wir als Sparkasse in eine Plattform-Strategie gegangen sind. Das Konzept der Stadtteilfilialen machen wir, um nicht beim Bedarf, sondern beim Bedürfnis, das dem vorgelagert ist, anzufangen. Das heißt, wir holen uns Polizisten, Feuerwehrleute oder Schornsteinfeger für Vorträge und haben dann Veranstaltungen zum Beispiel zu Themen wie der energetischen Sanierung oder der Vermeidung des Enkeltricks und bieten den Kunden die Möglichkeit, sich persönlich beraten zu lassen.
Was haben diese Veranstaltungen mit dem Bankgeschäft zu tun?Unsere Wertschöpfung liegt darin, dass wir sagen, wenn sie nach Hause gehen, machen sie sich keine Sorgen um die Finanzierung ihrer Wünsche. Einen Kredit bekommen sie von uns.
Sie sagten bereits, dass nicht mehr als 2,8 Kilometer zwischen den Sparkassen-Standorten im Bremer Norden liegen. Welche Wegstrecken zur nächsten Filiale mit Personal halten Sie für vertretbar?Man muss sehen, dass wir in Einzelfällen auch zu den Kunden nach Hause kommen. Im Zuge der Umwandlung in SB-Standorte würden wir älteren Menschen auch anbieten, für eine Schulung mit einem Taxi in unsere Filialen zu kommen. Zudem haben wir einen Bargeld-Bringdienst für die ältere Generation und Menschen mit Einschränkungen ins Leben gerufen. Wir schauen auch nach Strategien, wie man die Safe-Anlagen mobil machen kann. Wir denken über Schritte nach, die mehr für die Welt von morgen sind. Ich kann es verstehen, dass die Menschen sich ein dichtes Filialnetz wünschen, so wie es das in der Vergangenheit gab. Aber es wäre unklug, wenn wir das noch eine Weile aufrechterhalten würden. Wir versuchen, und das müssen wir als ein Traditionshaus in der Stadt Bremen, sowohl stationär als auch digital zu investieren. In einer Zeit, wo uns die Erträge im Zinsbereich zusammenbrechen, ist das nur sehr, sehr schwer möglich.
Die Filialen in Vegesack und in Blumenthal firmieren bisher noch nicht unter dem Namen Stadtteilfiliale. Wird das noch kommen?Natürlich, das wird kommen. Diese Standorte haben bei uns oberste Priorität. Der Vertrag in Blumenthal ist unterschrieben. Ähnlich wie in der Stadt achten wir darauf, dass unsere Standorte sich in der Nähe von Buslinien und Parkplätzen sowie nach Möglichkeit auch von Einkaufsmöglichkeiten befinden, um somit recht bequem erreicht werden zu können. In Blumenthal ist der Vertrag am Bahnhof unterschrieben, da sind wir Mieter.
Wie sieht es in Vegesack aus?In Vegesack nehmen wir sogar doppelte Kosten auf uns, um schneller voranzukommen. Unsere Filiale in der Fußgängerzone ist nicht behindertengerecht. Deshalb nehmen wir erst das alte Finanzamt und werden dann umziehen, um möglichst schnell diese Dienstleistung anbieten zu können.
Wo wird sich die Filiale in Vegesack dann letzten Endes befinden?Das wird in der Nähe des Gustav-Heinemann-Bürgerhauses sein. Da sind wir zurzeit noch mit Projektentwickler Olaf Mosel im Gespräch.
Das bedeutet, dass die Filialen in Blumenthal und in Vegesack dauerhaft erhalten bleiben?Nicht erhalten, aufgerüstet. Das kann man wirklich sagen. Weil wir sehr viel investieren, etwa für Beratungsplätze und Kinderbetreuung während der Beratung sowie in neue Techniken. Die Filialen werden ausgerüstet für die Zukunft. Sie werden nicht erhalten, sie werden ausgebaut.
Wie sieht die Zukunft der Filialen in Farge und in Marßel aus?Die lassen wir so erst mal stehen, beobachten das Kundenverhalten, weil sie auch an den Landesgrenzen sind. Im Moment schließen wir sie nicht, aber wir gucken, wie die Konzepte nachher angenommen werden. Vielleicht kommen die Kunden auch zu dem Ergebnis, die Stadtteilfiliale in Lesum ist viel schöner und auch nicht so weit von Marßel entfernt. Sowohl in Farge als auch in Marßel würde auch eher eine Umwidmung als eine Schließung infrage kommen.
Das Interview führte Aljoscha-Marcello Dohme.Thomas Fürst gehört seit 2009 dem Vorstand der Sparkasse Bremen an und ist für das Privatkundengeschäft zuständig. Er absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und studierte BWL.