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Invasive Arten Invasive Arten: Auf die Auswirkungen kommt es an

Die Einwanderung invasiver Arten zu stoppen, sei "völlig unrealistisch", sagt Ökologe Martin Diekmann von der Uni Bremen. Der Professor sagt aber auch: Nicht jede invasive Art ist problematisch.
04.08.2021, 05:00 Uhr
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Invasive Arten: Auf die Auswirkungen kommt es an
Von Katia Backhaus

Prof. Martin Diekmann leitet die Abteilung Vegetationsökologie und Naturschutzbiologie an der Uni Bremen. Er beschäftigt sich unter anderem mit der zurückgehenden Artenvielfalt.

Herr Prof. Diekmann, was genau sind invasive Arten?

Grundsätzlich sind das Arten, die nicht heimisch in unserer Region sind und aufgrund verschiedener menschlicher Aktivitäten wie dem globalen Handel zu uns gekommen sind. Neutralere Begriffe sind Neophyten oder Neozoen. Invasiv nennt man die Arten, die sich in großer Menge breit machen und von denen wir annehmen, dass sie negative Auswirkungen haben, also zum Beispiel der Artenvielfalt schaden.

Ist das eigentlich ein neuer Begriff oder wird schon länger von invasiven Arten gesprochen?

Das ist schon seit Langem ein Forschungsfeld. Invasive Arten sind ein großes Thema in der Ökologie.

Gibt es auch "gute" invasive Arten? Die Tomate oder die Kartoffel zum Beispiel sind ja ursprünglich keine heimischen Pflanzen.

Ich würde schon sagen, ja. Nur weil eine Art nicht einheimisch ist oder auf einer Liste invasiver Arten steht, muss sie ja keine negativen Auswirkungen haben. Zum Beispiel das Kleinblütige Springkraut, das im Bürgerpark viel zu sehen ist. Das wächst oft da, wo nichts anderes wächst, das ist unproblematisch. Solche Arten sind eher eine Ergänzung als eine Bedrohung.

Der entscheidende Punkt sind also die Dominanz und die Verdrängung anderer Arten.

Genau, die negativen Auswirkungen. Der Japanische Staudenknöterich zum Beispiel ist tatsächlich dort, wo er häufig auftritt, ein Problem. Der Artenreichtum wird reduziert. Oder auch der Riesenbärenklau, der bei Berührung verbrennungsartige Entzündungen auslösen kann. Man muss genau hingucken, welche Auswirkungen eine Art hat. Aber das verändert sich auch mit der Zeit. Es ist ziemlich schwierig, zu prognostizieren, welche Arten in Zukunft problematisch werden. Das ist ähnlich wie beim Wetter: Wie es im August 2022 wird, können die Meteorologen auch noch nicht sagen.

Durch die Erderwärmung verschieben sich die Klimazonen und damit auch die Lebensbedingungen für Pflanzen. Ist es dann nicht sogar nötig, dass neue Arten sich ansiedeln, weil die alten nicht mehr überleben?

Das ist eine Frage, die im Moment zum Beispiel in der Forstwirtschaft stark diskutiert wird: Was machen wir, wenn die Baumarten, die wir sonst angepflanzt haben, mit dem wärmeren, trockeneren Klima nicht mehr klarkommen? Welche Bäume sollen wir dann nehmen? Die Fichten zum Beispiel sterben seit einigen Jahren in großer Zahl. Man kann dieses Thema also auch aktiv angehen und überlegen, welche Arten vielleicht eingebracht werden müssten.

Wie kommen die invasiven Arten überhaupt zu uns?

Das können Pflanzen sein, die in einem Botanischen Garten gepflanzt wurden, weil sie eben schön sind, oder die im Gartencenter verkauft werden. Wenn die sich gut zurechtfinden, machen sie sich breit. Bei vielen Organismen, Pilzen zum Beispiel, ist es eine unabsichtliche Einschleppung. Im Endeffekt ist es eine Sache der Wahrscheinlichkeit, dass neue Arten zu uns kommen.

Ist das ein zunehmendes Problem?

Ja. Bei uns sind vor allem Pilze, die als Baumschädlinge auftreten, oder bestimmte Insektenarten ein Problem. Das Eschentriebsterben zum Beispiel wird durch einen Pilz verursacht. Und bei der Einwanderung von Baumschädlingen, Pilzen und Insekten sieht man schon einen gewissen Klimawandeleffekt. Das Problem ist: Die kann man nicht schießen wie einen Waschbär. Das sind Arten, die sich nur schwer bekämpfen lassen. Auf der pflanzlichen Seite stellen invasive Arten bei uns in Bremen im Moment kein so großes Problem dar.

Können wir uns vor weiteren invasiven Arten schützen?

Theoretisch ist das möglich, aber völlig unrealistisch. Die Aktivitäten, wegen derer die Arten kommen, der globale Handel zum Beispiel, wird man nicht einfach unterbrechen können. Vielleicht lässt sich der Handel mit Tieren noch eindämmen, wobei vieles auch illegal geschieht. Aber da bin ich nicht so optimistisch. Oder vielleicht kann die Wissenschaft bessere Prognosen erstellen, welche Arten invasiv werden könnten. Da müssen allerdings sehr viele Faktoren berücksichtigt werden, das ist schwierig. 

Zur Sache

EU-Liste: 66 invasive Arten

36 Pflanzen- und 30 Tierarten stehen auf der Liste invasiver Arten der Europäischen Union. Seit 2016, als erstmals 37 Arten versammelt wurden, ist sie nun auf insgesamt 66 angewachsen. Ziel ist es, eingeschleppte oder eingewanderte Arten früh zu erkennen sowie einen rechtlichen Rahmen für die Bekämpfung und das Management von bereits weit verbreiteten invasiver Arten zu bieten.

Nicht alle der Pflanzen und Tiere auf dieser EU-Liste sind auch in Deutschland etabliert. Laut Bundesamt für Naturschutz sind elf der Pflanzenarten hierzulande angekommen, von weiteren fünf seien Einzelfunde oder ein unbeständiges Vorkommen nachweisbar. Bei den Tieren sind 14 der insgesamt 30 Arten auch in Deutschland vertreten, zusätzliche neun träten vereinzelt oder unbeständig auf.

Zu den 2019 neu in die Liste aufgenommenen und hierzulande bereits eingewanderten Arten gehören der Götterbaum, der Schwimmfarn, der Marderhund und der Sonnenbarsch. Detaillierte Informationen gibt es im Internet unter www.neobiota.de.

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