Was braucht guter Lokaljournalismus? Was muss er leisten, um auch junge Menschen abzuholen? Wir haben vier junge Bremerinnen und Bremer gefragt, wie sie Nachrichten konsumieren, worauf es für sie in den Medien ankommt und welche Themen sie interessieren.
Viktoria Willenborg, 24,
Geschichtsstudentin

Viktoria Willenborg
Ich finde Geschichten im Lokaljournalismus unheimlich spannend. Die Themenvielfalt und die Möglichkeit, überregionale, große Themen lokal aufzuarbeiten, viele Blickwinkel abzudecken, auf Zwischentöne zu hören. Auch junge Leute wollen wissen, was es für sie, für ihre Stadt oder ihr Dorf, für ihr ganzes Leben bedeutet, wenn aus Berlin ein neuer Politik-Erlass oder ein neues Gesetz kommt. Ein Vorteil von Lokaljournalismus ist für mich, dass Redaktionen vor Ort sind und Kontakt zu ihrer Leserschaft haben – auch zu jungen Leuten. Um die zu erreichen, müssen Medien meiner Meinung nach die Vielfalt, die der digitale Wandel bietet, besser nutzen, insgesamt flexibler werden. Sie sollten alle Formate, die es im Digitalen gibt, zumindest ausprobieren und genau überlegen, welche Nachrichten sie auf welchen Kanälen für welche Zielgruppe ausspielen. Mir ist außerdem wichtig, dass Redaktionen auf Kommentare und Wünsche der Leserschaft eingehen, die Community pflegen. Und: Dass sie transparent sind, vielleicht auch mal Blicke hinter die Kulissen ermöglichen. Mich interessiert nicht nur die Geschichte – mich interessiert auch, wie sie entsteht.
Lenny Münch, 18,
hat 2019 Abitur gemacht, will im Herbst studieren

Lenny Münch
Printmedien sind es nicht gewohnt, sich zu verändern oder anzupassen. Für viele macht es das schwierig, in die Zukunft zu gehen – vor allem mit und auf junge Leute zu. Zentral ist für mich, die Angebote digitaler zu machen. Denn dass sich Leute tatsächlich ein gedrucktes Zeitungsabo bestellen, ist in meiner Generation eigentlich undenkbar. Ich informiere mich über mein Handy, bekomme zum Beispiel Eilmeldungen und bin so immer auf dem neuesten Stand. Bei den Online-Angeboten sieht man meiner Meinung nach, ob da Mühe drinsteckt, ob das Menschen umsetzen, die sich damit auskennen. Ein gutes Angebot muss professionell aussehen und ästhetisch sein, viele Verlinkungen haben, Video- und Podcastangebote beinhalten. Warum ich Lokaljournalismus wichtig finde? Ich interessiere mich für Politik, deshalb sind mir globale Zusammenhänge wichtig. Gleichzeitig finde ich es gut, wenn beides verbunden wird. Ich will wissen: Was haben große, politische Entscheidungen mit mir zu tun? Was bedeuten sie für meine Region? Abseits von stilistischen Sachen und dem Thema Digitalisierung: Wenn man junge Leute erreichen will, sollte man junge, frische Stimmen zu Wort kommen lassen. In Artikeln, Kommentaren – aber auch in der Redaktion.
Thies Sprenger, 30,
Gesundheits- und Krankenpfleger

Thies Sprenger
Junge Leute erreicht man heutzutage ja fast nur noch über soziale Netzwerke – etwa Facebook, Instagram, Twitter. Für klassische Medienhäuser ist das schwierig, das verstehe ich, weil sie damit kein Geld verdienen. Gerade Menschen in den 20ern sind eine schwierige Zielgruppe, weil sie oft noch studieren, eine Ausbildung machen – dabei kein oder nur wenig Geld verdienen und sich keine Abos kaufen. Wir sind damit aufgewachsen, immer dahin flüchten zu können, wo wir Informationen auch kostenlos bekommen. Und: Viele in meinem Alter oder jünger können oder wollen sich noch nicht so stark mit der Stadt identifizieren, sind noch auf der Reise, nicht sesshaft. Ich glaube, dass es hilft, wenn lokale Medien genau diesen Zeitgeist aufgreifen. Zu sagen: Hey, du bist hier vielleicht noch nicht verwurzelt, identifizierst dich noch nicht mit der Stadt, aber wir nehmen dich an die Hand, zeigen dir, was hier los ist, was du wissen musst. Das kann auch einfach nur klein und kurz und übersichtlich sein. Ansprechende Inhalte für Durchreisende.
Claudia Ahrens, 27,
Germanistikstudentin

Claudia Ahrens
Ich bin ein großer Fan von Lokaljournalismus. Mir ist es wichtig, zu wissen, was in meiner Stadt passiert. Ich interessiere mich vor allem für Kultur und die Gastronomieszene und suche aktiv nach Seiten, die mir zeigen, was gerade neu ist, welche Läden aufmachen, welches Kulturprogramm es gibt. Das Problem ist nur: Viele Informationen bekommt man heutzutage umsonst im Internet. Gerade auf Instagram gibt es eine geringe Schwelle, sich mit Informationen berieseln zu lassen. Jungen Menschen fällt es deshalb schwer, zu verstehen, warum wir eine Zeitung abonnieren sollten. Also: aktiv Geld dafür bezahlen. Gleichzeitig, klar, beschweren wir uns auch, dass die Qualität des Journalismus nachlässt. Das beißt sich natürlich, denn guter Journalismus möchte bezahlt werden. Ich finde das schwierig, habe da ehrlich gesagt auch keine Lösung parat. Wenn ich Zeit habe, zum Beispiel am Wochenende oder auf Reisen, kaufe ich mir eine Zeitung, genieße es, mich auch mal länger hinzusetzen und zu lesen. Für den Alltag sind kurze und übersichtliche Informationen besser. Am Anfang des Tages wünsche ich mir zum Beispiel einen Überblick der Themen, die gerade aktuell sind – mit der Möglichkeit, sie anzuklicken und mich weiter zu informieren.

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Dieser Artikel ist Teil der Sonderveröffentlichung zum 75. Geburtstag des WESER-KURIER. Am 19. September 1945 erschien die erste Ausgabe unserer Zeitung. Anlässlich des Jubiläums blicken wir zurück auf die vergangenen Jahrzehnte: Erinnern uns an die Anfänge unserer Zeitung und auch an die ein oder andere Panne. Und wir schauen nach vorn: Wie werden Künstliche Intelligenz und der Einsatz von Algorithmen den Journalismus verändern? Natürlich denken wir auch an Sie, unsere Leser und Nutzer. Wer folgt unseren Social-Media-Kanälen, wer liest unsere Zeitung? Was ist aus den Menschen geworden, über die wir in den vergangenen Jahren berichtet haben? Und wie läuft er eigentlich ab, so ein Tag beim WESER-KURIER?