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Sea Sheperd Deutschland Kampf um jeden Wal

„Sea Sheperd hat mein Leben verändert“, sagt der Pfleger Manuel Abraas aus St. Magnus. Er ist Schriftführer der Walschützer, Einsätze will er erst wieder fahren, wenn sein Nachwuchs größer ist.
19.06.2015, 00:00 Uhr
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Von Imke Molkewehrum

Am Bug der „Bob Barker“, die im Industriehafen vor Anker liegt, weht eine Totenkopfflagge. Statt bleicher Knochen sind unter dem Schädel ein Hirtenstab und Neptuns Dreizack gekreuzt: Symbole für die neue Mission des 65 Jahre alten einstigen Harpunierschiffs. Heute gehört es zur Flotte der Meeresschutzorganisation „Sea Sheperd Deutschland“ und läuft in Kürze Richtung Färöer-Inseln aus. Die Meereshirten wollen Walfängern das Handwerk legen – im Verbund mit den Sea-Sheperd-Schiffen „Brigitte Bardot“ und „Sam Simon“.

„Wir versuchen Grindwalschulen, also Familienverbände, zu schützen, die von den Färingern (Bewohner der Faröer Inseln) zwischen Mai und Oktober in die Buchten getrieben und getötet werden“, berichtet Manuel Abraas aus St. Magnus und zeigt auf den zerschrammten und verbeulten Rumpf der „Bob Barker“. Die Blessuren zeugen von riskanten Manövern auf hoher See, im Kampf um das Leben von Walen, Haien, Delfinen und Robben.

Seit 2011 arbeitet Manuel Abraas ehrenamtlich als Schriftführer für Sea Sheperd Deutschland und ist vor allem mit administrativen Aufgaben betraut. Aber die spürbare Aufbruchstimmung der Crew auf dem Schiff macht den Friedehorst-Pfleger jetzt doch ein bisschen neidisch. „Meine Seezeit war die schönste Zeit“, sagt der dreifache Vater. „Sea Sheperd hat mein Leben verändert.“Mit seiner Frau hat der Nordbremer daher eine Abmachung: „Wenn unser Jüngster – er ist jetzt drei – zehn Jahre alt ist, kann ich mich wieder bewerben.“

Crews aus allen Herren Länder

Beworben haben sich auch die ehrenamtlichen Mitglieder der aktuellen Crew, von denen einige schon an Bord sind. Gerade pumpt ein Tankwagenfahrer Diesel ins Schiff. Auf der Brücke blättert ein Crewmitglied in Büchern und ein junger Mann sitzt am Computer. Untereinander sprechen sie Englisch. „Die Mitglieder der Sea-Sheperd-Mannschaften kommen aus aller Herren Länder und sind zwischen 18 und 70 Jahren alt“, sagt Abraas. „Seemännische Erfahrung ist nicht zwingend erforderlich.“ Es gebe aber etliche Trainingseinheiten: Rettungsboot-Übungen, Feueralarm oder Mann-über-Bord-Manöver.

„Die meisten haben sich wegen ihrer Leidenschaft für die Meeresbewohner beworben“, sagt der 43-Jährige und betont: „Als Crewmitglied muss man auf Privatsphäre verzichten. In einer Kabine sind drei bis vier Leute. Außerdem muss man Befehle entgegennehmen – was der Käpt’n sagt, ist Gesetz.“ An Bord gebe es generell nur veganes Essen, das von drei Köchen zubereitet werde. „Und es kann auch mal gefährlich werden“, sagt Abraas. Deshalb unterschreibe jeder Bewerber einen Verzicht auf möglich Regresszahlungen.

Schwierig sei es, wenn freiwillige Helfer erst auf dem Wasser feststellten, dass sie seekrank werden. „In Gibraltar sind schon mal drei von Bord gegangen – die konnten einem leidtun“, so der Nordbremer. „Das ist in der Antarktis natürlich nicht möglich.“ Hier ist Sea Sheperd besonders aktiv. „Wir kämpfen vor allem gegen den Walfang der Japaner im Südpolarmeer“, erzählt Manuel Abraas. Zu wissenschaftlichen Zwecken sei Walfang noch erlaubt. „Aber dafür braucht man keine 1000 Wale im Jahr.“ Im Lauf der Jahre habe Sea Sheperd den japanischen Walfängern „enormen Schaden zugefügt“, freut sich der Schriftführer. Erreicht werde dies beispielsweise, indem die geschulten Teams mit den beiden Beibooten das Heck eines japanischen Fabrikschiffs blockieren, damit die Harpunenboote ihre Beute nicht abladen können. Das hindere die Jäger in der Folge daran, weitere Tiere zu töten. „Die Fabrikschiffe versuchen, uns abzuschütteln, bis unser Sprit knapp wird. Oder die Harpunenboote versuchen uns abzulenken.“ Die Meereshirten im Boot tragen dann Helme. „Die werden schon mal mit Gegenständen beworfen oder mit Lanzen attackiert“, sagt Abraas. „Aber wir hatten noch nie Verletzte oder gar Tote.“

Zehn Schiffe versenkt

Zimperlich sind die Umweltschützer nicht: Sea Sheperd Global habe im Lauf der Jahre zehn Schiffe versenkt. „Das war aber immer im Hafen, wenn wirklich niemand an Bord war“, betont der Nordbremer. „Inzwischen haben wir allerdings andere Taktiken.“ Finanziert würden sämtliche Kampagnen aus Spenden sowie über den Verkauf von Shirts, Jacken, Mützen und anderen Werbeartikeln. „85 Prozent der Gelder gehen allein in die Aktionen.“ Regulär bezahlt würden nur einige Hauptamtliche.

Manuel Abraas selbst ist 1997 für sechs Monate auf der „Farley Mowat“ mitgefahren. Drei Jahre hat er auf seinen Einsatz warten müssen. „Ich hatte eine Reportage über den Kampf gegen Walfänger gesehen, und mir war klar, dass auf den Meeren total was schiefläuft, wenn Menschen dort ihr Leben riskieren.“ So weit ist es für Abraas damals aber nicht gekommen. Auf Einladung des damaligen Fürsten Rainier von Monaco reiste seine Crew zunächst nach Monte Carlo, um bei der Tagung der Internationalen Walfang-Kommission (IWC) Flagge zu zeigen. „Wo nur Superjachten lagen, sind wir eingelaufen und hatten einen exklusiven Anleger. Das war schon speziell.“ Über den Atlantik ging es danach weiter nach Florida, wo die „Farley Mowat“ sorgfältig für die Jagd auf Robbenfänger in Kanada präpariert wurde. „Aber ich bin noch in Key West von Bord gegangen, weil mein unbezahlter Urlaub als Pfleger in Friedehorst vorbei war.“

2010 wurde Manuel Abraas Mitbegründer des Vereins „Sea Sheperd Deutschland“, eine von weltweit 18 Ländergruppen. „Wir haben eine große Sympathiewelle erlebt“, sagt er. Inzwischen gebe es in Deutschland 170 aktive Freiwillige. Das hätten auch die anderen Ländergruppen mitbekommen, und so sei beschlossen worden, die „Bob Barker“ vor der jetzigen Aktion im Nordatlantik nach Bremen zu holen.

„Die Bewohner der Färöer-Inseln berufen sich beim massenhaften Abschlachten der Grindwale auf die Tradition, aber die Sklaverei hatte auch Tradition. Und die gibt es auch nicht mehr“, empört sich Manuel Abraas. Früher habe das Walfleisch den Menschen als Nahrung gedient. Da es heute mit Quecksilber belastet sei, dürften Kranke, Schwangere und Kinder es aber nicht essen. Trotzdem würden die Tiere mit zig Booten zum Strand getrieben, von Fängern mit Spezialhaken an Land gezogen und getötet. Für die bevorstehende Kampagne hofft der Nordbremer, „dass alle gesund zurückkommen. Wir freuen uns über jeden Wal, den wir retten können.“

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