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Medizinische Versorgung Mit 116 117 schneller zum Facharzttermin

Warten Kassenpatienten länger auf Arzttermine als Privatpatienten? Seit einigen Jahren ist die Hotline 116 117 unter anderem für die Terminvergabe beim Facharzt zuständig und soll diesen Nachteil ausgleichen.
29.03.2023, 05:00 Uhr
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Von Lisa Duncan

Die Geduld ist zwar im Wortsinn schon enthalten – doch wer als Patient, speziell als Kassenpatient, auf die Schnelle einen Termin bei einem Facharzt braucht, kommt mitunter erst Monate später zum Zug. Eine Ursache dafür ist der Ärztemangel. Bei Fachärzten warten Patienten laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut RWI im Schnitt 25 Tage auf einen Termin. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat unlängst in einer Patientenbefragung ermittelt, dass fast 40 Prozent aller Patienten länger als drei Tage auf einen Arzttermin warten.

Eine Stichprobe: Der Versuch, einen Termin in einer Bremer Augenarztpraxis zu bekommen, bestätigt die langen Wartezeiten. Erst heißt es, vor September gebe es keinen Termin. Auf Nachfrage mit dem Hinweis, dass der Patient privat versichert sei, hat der Arzt am 27. April Zeit. 

Privatpatienten zu bevorzugen, ist Ärzten zwar gesetzlich verboten, bei der Terminvergabe aber keine Seltenheit. Einen Ausgleich soll die Hotline 116 117 schaffen. 2012 als direkter Draht zum ärztlichen Bereitschaftsdienst gestartet, um die Notaufnahmen in den Krankenhäusern zu entlasten, regelt die Nummer seit 2016 unter anderem die Terminvergabe beim Haus- und Facharzt. Damit verknüpft ist ein Belohnungssystem: Krankenkassen zahlen einen Zuschlag, dessen Höhe danach gestaffelt ist, wie früh der Termin zustande kommt. Wie effizient das ist, zeigt der Selbstversuch. Für den 18.  April bietet die Hotline eine Untersuchung beim Augenarzt an.

Telefonisch, online oder per App lässt sich über die sogenannte Terminservicestelle 116 117 ein Termin beim Facharzt buchen. Beim Hausarzt, Augenarzt, Frauenarzt, Kinder- und Jugendarzt sowie Psychotherapeuten ist das sofort möglich. Für andere Fachärzte muss der Hausarzt die Dringlichkeit bescheinigen. Der Patient erhält einen Code, den er über die 116 117 angibt.

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Der Ärztemangel sei zwar in Bremen nicht so enorm wie im Umland, sagt Christoph Fox, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bremen. Doch manchmal würden Patienten abgewiesen, „weil die Praxen voll sind“. Landesweit praktizieren laut KV derzeit 1823 Ärzte, Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten. Wie lange gesetzlich Versicherte auf Facharzttermine warten, hat die KV Bremen nicht statistisch erfasst.

Über die Telefonnummer 116 117 sei die KV verpflichtet, Patienten binnen einer Woche einen Terminvorschlag und innerhalb von vier Wochen einen Untersuchungstermin anzubieten – „das schaffen wir in nahezu 100 Prozent der Fälle“, so Fox. Auch wenn die Telefonnummer „längst nicht so bekannt sei wie die Notrufnummer 112“, habe sich inzwischen die Anzahl der vermittelten Termine über die 116 117 im Land Bremen deutlich erhöht. Waren es beim Start der Service-Hotline im Jahr 2016 rund 840 Terminvermittlungen, zählte die KV 2019 mit 6541 die fünffache Menge, die sich 2022 auf 12.833 erhöhte. Wie viel das im Verhältnis zu Kassenpatienten in Bremen und Bremerhaven ist, dazu kann die KV keine Angaben machen.

Patienten könnten „unkompliziert und zeitnah eine Sprechstunde bekommen, in der geklärt werden kann, ob ein Behandlungsbedarf vorliegt und wenn ja, welche Behandlungsoptionen bestehen“, sagt Amelie Thobaben, psychologische Psychotherapeutin und Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Bremen. Nachteilig wirke sich aus, dass „die Vermittlung anonym geschieht und die Erwartungen an den Termin nicht im Vorfeld persönlich geklärt werden können“. Persönlicher Kontakt erhöhe auch die Zuverlässigkeit.

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Stefan Trapp, Vorsitzender des Landesverbands Bremen der Kinder- und Jugendärzte mit Praxis in Huchting, begrüßt den Ansatz, Facharzttermine schneller anbieten zu können, befürchtet aber, dass „für diejenigen Kollegen, die Privatpatienten besser behandeln, der Anreiz wahrscheinlich nicht groß genug“ sei. Ihm zufolge sollten „Termine nach Dringlichkeit und nicht nach Versicherungsstatus vergeben werden“.

Die Terminvergabe über die 116 117 sei „für Mängelverwaltung okay, aber das grundsätzliche Problem der sich immer weiter verschärfenden Versorgungslücken im niedergelassenen Gesundheitssystem bleibt ungelöst“, kritisiert Kerstin Schwarzer, Frauenärztin aus Walle und Landesvorsitzende des Berufsverbands der Frauenärzte. Idealerweise müssten genug Fachpersonal und Anlaufstellen zur Verfügung stehen. „Die Realität ist aber ein Mangel an Terminen, der durch politische Entscheidungen der letzten Zeit eher verschärft als entlastet wird“, so Schwarzer. Der Fachkräftemangel werde in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch zunehmen.

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