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Klinikum Bremen-Mitte Keime stammen offenbar aus Desinfektionsanlage

Bremen. Ausgerechnet in einer Dosieranlage für Desinfektionsmittel ist das Erbgut des Keims gefunden worden, an dem drei Kinder auf der Frühchenstation des Klinikums Bremen-Mitte gestorben sind. Ein Test soll jetzt letzte Gewissheit bringen.
08.06.2012, 05:00 Uhr
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Keime stammen offenbar aus Desinfektionsanlage
Von Sabine Doll

Bremen. Ausgerechnet in einer Dosieranlage für Desinfektionsmittel ist das Erbgut des Keims gefunden worden, an dem drei Kinder auf der Frühgeborenen-Intensivstation des Klinikums Bremen-Mitte gestorben sind. Ein Labortest soll jetzt letzte Gewissheit verschaffen.

Bremen. Diese Spur hatte während der monatelangen Suche nach der Keimquelle bislang keiner der Experten im Blick: die Dosieranlage für Desinfektionsmittel auf der Frühgeborenen-Intensivstation 4027. Erst als der tödliche Erreger, an dem im vergangenen Jahr drei Kinder starben, auch auf der vollständig umgebauten und gereinigten Station erneut bei fünf Kindern nachgewiesen wurde, schien klar: "Da sämtliche Personaluntersuchungen auf den Keim negativ ausgefallen waren, haben wir es hier mit einer sogenannten Punktquelle zu tun. Und diese muss sich auf der Station 4027 befinden", erläuterte am Freitag Professor Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn.

Der Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) hatte den renommierten Experten Ende März nach dem Wiederauftreten der hoch aggressiven Klebsiella-Erreger als Aufklärer hinzugezogen. Zuvor hatten bereits Spezialisten des Robert-Koch-Instituts in Berlin erfolglos nach der Infektionsquelle gesucht. Etliche Male machte sich der Bonner Hygiene-Experte ein Bild vor Ort, prüfte das Abwassersystem auf der Station, nahm unzählige Proben – und untersuchte schließlich auch die bis dahin unverdächtige Dosieranlage für Desinfektionsmittel.

Das überraschende Ergebnis: In einem Schlauch, der Frischwasser in das Desinfektionskonzentrat führt, konnte das Erbgut von Klebsiella-Keimen nachgewiesen werden. Es sei möglich, dass ganze Bakterienklumpen aus dem Schlauch in die Desinfektionslösung gelangt und dort überlebt hätten, sagte Exner. "Klebsiella-Erreger haben die tückische Eigenschaft, dass sie Desinfektionsmittel abbauen", erklärte der Hygiene-Experte. In dem Schlauch habe sich über die Jahre ein sogenannter Biofilm entwickelt, in dem die Keime sehr lange überdauern können.

"Ob das die entscheidende Quelle ist, die wir dort gefunden haben, muss nun ein weiterer Labortest bestätigen. Aber es wäre eine besonders tückische Quelle", sagte Exner. Der Test soll klären, ob es sich tatsächlich um den identischen Stamm handelt, der für die drei Todesfälle auf der Station verantwortlich ist. Das Ergebnis wird in ein bis zwei Wochen erwartet. Auch muss noch geklärt werden, wie die Kinder auf der Station schließlich mit den Keimen in Kontakt gekommen sind.

"Die Spur passt auf das, was an Beobachtung da ist", sagte Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD). So seien die Infektionen plötzlich und massiv aufgetreten. Das würde zu der von Exner beschriebenen sporadischen Ablösung von Bakterienklumpen aus der Leitung passen.

Exner: "Anhaltspunkte für eine andere Punktquelle auf der Station gibt es nicht." Nach seinen Angaben hat man bereits in den 80er-Jahren gefährliche Keime in solchen Dosieranlagen nachweisen können. Und: Bei einem Klebsiella-Ausbruch 2001 in Gießen sei das Desinfektionsmittel die Ursache gewesen.

Der Dosierautomat in der Neonatologie des Klinikums Mitte ist seit März, als die Station nach dem Wiederauftreten des Klebsiella-Erregers geschlossen wurde, nicht mehr in Betrieb. Gleichwohl ist er nicht der einzige in den Häusern der Gesundheit Nord. "Wir werden sofort prüfen, wie viele dieser Anlagen es gibt, und die Wartung und den Austausch von Geräten auf den Weg bringen", kündigte gestern Geno-Chefin Jutta Dernedde an. "Auf die aktuellen Erkenntnisse werden wir sofort reagieren." Laut Geno wurden die Anlagen in den Kliniken regelmäßig und nach den Vorschriften gewartet. "Allerdings wurden dabei nicht die Schläuche aufgeschnitten und auf Keime getestet, wie jetzt bei der Suche nach der Infektionsquelle", sagte ein Geno-Sprecher.

Auch bei der Frage, wie die gefährlichen Bakterien auf die Station kamen, sind die Experten weitergekommen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass ein aus dem Ausland stammendes Kind den Keim 2009 mit auf die Station gebracht habe. "Bis dahin ist dieser spezielle Klebsiella-Stamm nirgendwo in Deutschland aufgetreten", betonte Exner.

Erst vor drei Wochen war der identische Keim erneut bei einem zehn Wochen alten Jungen in der Professor-Hess-Kinderklinik nachgewiesen worden. "Wir gehen davon aus, dass die Übertragung mit zwei Kindern aus der ersten Ausbruchswelle in Zusammenhang steht. Sie befinden sich noch in der Klinik", sagte Exner. Die beiden würden seit einem halben Jahr in der Klinik behandelt, nachdem sie von der Frühgeborenenstation dorthin verlegt wurden. Sie seien zwar in isolierten Zimmern untergebracht, dennoch müsse es zu einer Übertragung gekommen sein. Laut Dernedde steht der Junge kurz vor der Entlassung.

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