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Film über „Judenretter“ im Ersten Kein Platz für Duckwitz-Kritiker

Als Retter der dänischen Juden hat sich der Bremer Georg F. Duckwitz einen Namen gemacht. Der neue Film von Reinhard Joksch geht seiner Geschichte nach - stellt aber keine kritischen Fragen.
16.10.2017, 13:26 Uhr
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Von Frank Hethey

Wer sich mit Helden der Bremer Geschichte auskennt, kennt auch ihn: Georg Ferdinand Duckwitz, der sich einen Namen gemacht hat als Retter der dänischen Juden. Gern wird sie erzählt, die Geschichte des Mannes, der als Angehöriger der deutschen Botschaft in Kopenhagen die Deportation von fast 7000 dänischen Juden im Oktober 1943 vereitelte. Das tut auch der Dokumentarfilmer Reinhard Joksch in seinem neuen Streifen „Widerstand unter Hitler – der Diplomat Duckwitz“. Gezeigt wird die Radio Bremen-Produktion am Montagabend um 23.30 Uhr im Ersten Programm.

In seiner 45-minütigen Dokumentation zeichnet Joksch den keineswegs gradlinigen Lebensweg des Bremers nach: von seinen national-konservativen Anfängen über seine frühe NS-Parteimitgliedschaft bis hin zu seinem Einsatz für die dänischen Juden und seinem Wirken als Staatssekretär unter Bundesaußenminister Willy Brandt in den späten 1960er Jahren. In Dänemark genießt Duckwitz hohes Ansehen als der „gute Deutsche“, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ehrt ihn als „Gerechten unter den Völkern“.

Schade nur, dass Joksch den Duckwitz-Kritikern so gar keinen Platz einräumt. Als enger Vertrauter des deutschen Reichsbevollmächtigten Werner Best befand sich Duckwitz von 1942 bis 1945 im Zentrum des deutschen Machtapparats in Dänemark. Bereits 1996 äußerte der Best-Biograf Ulrich Herbert massive Zweifel, ob Duckwitz’ Rolle als „Judenretter“ nicht überbewertet werde. Tatsächlich stellt sich die Frage, inwieweit Duckwitz mit Wissen und im Einvernehmen mit Best handelte. Und vor allem, ob Duckwitz nicht selbst kräftig zur Legendenbildung beitrug. Der Historiker Vilhjalmur Örn Vilhjalmsson meint jedenfalls Hinweise darauf zu haben, dass die entscheidenden Passagen der Duckwitz-Tagebücher als Hauptquelle seines pro-jüdischen Wirkens in Wahrheit erst nach Kriegsende verfasst worden seien. Auch in „Das Amt“, der bahnbrechenden Studie von 2010 über die braune Vergangenheit des Auswärtigen Amts, kommt Duckwitz als loyaler Best-Beschützer nicht gerade gut weg. Trotz seiner Funktion als Brandt-Getreuer und seiner unbestrittenen Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung galt Duckwitz als einer, der die „alten Kameraden“ nicht hängen ließ.

Doch von alledem ist in der Dokumentation nicht die Rede. Stattdessen stützt sich Joksch im Wesentlichen auf den dänischen Historiker Hans Kirchhoff, der als Duckwitz-Biograf in der Kritik steht. Der Vorwurf: Allzu gutgläubig habe er Duckwitz’ Darlegungen für bare Münze genommen und so seinen „Heldenstatus“ wissenschaftlich untermauert statt ihn kritisch zu hinterfragen.

Eigentlich schade, eine verpasste Chance. Statt eine im Grunde schon hinlänglich bekannte Geschichte noch einmal aufzuwärmen, wäre es interessanter und spannender gewesen, den Widersprüchen und Ungereimtheiten in Duckwitz’ Rolle als „Judenretter“ nachzuspüren. Dabei geht es gar nicht so sehr um seine frühe NS-Parteimitgliedschaft. Aus seiner Wandlung vom Saulus zum Paulus hat Duckwitz nie ein Geheimnis gemacht, sie lässt sich glaubhaft erklären und belegen. Offen bleibt eben nur, ob er bei der Verbreitung seiner eigenen Rolle als „Judenretter“ noch nachgeholfen hat, ob er sie womöglich frisiert hat.

Zu denken gibt eine Mitteilung, die Best aus der Haft in Dänemark heraus im Januar 1948 machte. „Herr Duckwitz muß mich hassen, weil er – das fühle ich – ständig in der Sorge lebt, der verrückte Narr im Nytors Faengsel werde ihn irgendwie als seinen Freund kompromittieren“, teilte Best seinem Anwalt mit. Doch Best hielt sich trotz relativ unverblümter Drohungen zurück. Und Duckwitz sprang ihm bei, vor allem dank seiner Einlassungen wurde Bests Todesstrafe in eine mehrjährige Gefängnisstrafe umgewandelt. Die Frage ist: Geschah das aus echter Überzeugung oder spielte vielleicht „Kameradenhilfe“ und ein Loyalitätsgefühl gegenüber dem früheren Vorgesetzten eine Rolle? Oder musste Duckwitz tatsächlich fürchten, Best könne seine Rolle als „Judenretter“ reduzieren?

Der Film gibt darauf leider keine Antwort. Und versucht es noch nicht einmal.

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