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Bremer Innenstadt Bewegung im Straßenbahn-Streit

Keine Straßenbahn mehr in der Bremer Innenstadt? Das ist die neue Variante im Streit um die Verlegung aus der Obernstraße. Sie soll nun geprüft werden.
08.10.2022, 05:00 Uhr
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Von Jürgen Hinrichs

 Im Streit um die Verlegung der Straßenbahn in der Bremer Innenstadt tut sich eine neue Option auf. Auf Drängen der Grünen-Fraktion wird von der Verkehrsbehörde zusätzlich geprüft, ob es sinnvoll und möglich ist, die Linien 2 und 3 durch die vordere Neustadt zu führen. Sie würden die Innenstadt in diesem Fall komplett umfahren, es gäbe dort keine Straßenbahn mehr.

Bislang war ausschließlich diskutiert worden, die Schienen in der Obernstraße zu entfernen und sie stattdessen in die Martinistraße zu legen – eine Variante, die bei den Grünen und ihrer Verkehrssenatorin Maike Schaefer auf massiven Widerstand stößt, während sich die SPD in der Regierungskoalition nach eigenem Bekunden damit anfreunden könnte.

„Wir sollten uns die Umfahrung durch die Neustadt ernsthaft anschauen“, sagt Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Seine Partei sei offen für den Vorschlag und habe das Verkehrsressort gebeten, ihn fachlich zu beurteilen. Das geschehe nun, wie Schaefer versichert habe.
Aus Saxes Sicht überwiegen die Vorteile, wenn die Straßenbahn den Abstecher über die Weser hinüber machte. Weil auf der Strecke, die durch die Westerstraße führen würde, bereits Schienen liegen, seien die Kosten der Verlegung verhältnismäßig niedrig. Für die Variante Martinistraße würden dagegen bis zu 100 Millionen Euro veranschlagt, vermutlich ohne Aussicht auf Förderung des Bundes. Außerdem könne mit dem Projekt schnell begonnen werden. Pluspunkte seien ferner die bessere Anbindung der Neustadt und eine Innenstadt, die von der „Barriere“ Straßenbahn befreit wäre.

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Gegen die Umfahrung spricht nach Saxes Einschätzung zuallererst der "erhebliche" Zeitverlust für Fahrgäste, die in Richtung Viertel oder Überseestadt unterwegs sind. Gerechnet wird mit rund fünf Minuten. Hinzu kämen Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Trasse über die Wilhelm-Kaisen-Brücke, insbesondere dann, wenn die Bahnen wie angestrebt im Fünf-Minuten-Takt fahren. Negativ zu Buche schlage außerdem, dass die Innenstadt schlechter erreichbar wäre. Kompensiert werden könne das möglicherweise aber mit Shuttle-Lösungen.

Maike Schaefer bestätigt, dass die geplante Machbarkeitsstudie auch die Neustadt-Variante umfassen soll. „Wenn wir schon alles untersuchen, dann eben auch das“, sagt die Senatorin. Dabei gehe es zwar unter anderem darum, was technisch möglich ist und wie hoch die Kosten sind. Grundlegend sei aber die Frage des Kundenaufkommens – verliert die Straßenbahn durch den Umweg Fahrgäste, nimmt der ÖPNV Schaden und trägt weniger zur Verkehrswende bei? Bedacht werden müsse auch, dass der Innenstadt Besucher abhandenkommen könnten.

Schaefer würde die Straßenbahn am liebsten weiter durch die Obernstraße fahren lassen, mit der Haltestelle vor Karstadt. Sie hätte das gerne längst geklärt – in Verbindung mit der geplanten Neuordnung auf der Domsheide, wo sich die Bahnen ballen und nach dem Willen der Senatorin künftig zentral vor dem Konzerthaus Glocke halten sollen. Doch in der Koalition aus SPD, Grünen und Linken gibt es darüber keine Einigung.

Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, soll es mit der Studie eine weitere Datengrundlage und zusätzliche Einschätzungen von Fachleuten geben. „Ein zäher Prozess“, beklagt sich Schaefer, „man kann sich auch zu Tode prüfen.“ Anfang November werde erst einmal ein Workshop der beteiligten Ressorts ­zusammen mit der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) veranstaltet, um zu klären, womit sich die Untersuchung im Detail beschäftigen soll. Für die Senatorin steht nach eigenen Worten fest, dass bis zur Bürgerschaftswahl im Mai kommenden Jahres keine Entscheidung zur Straßenbahn in der Innenstadt gefällt wird.

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Die BSAG, bei der Schaefer den Aufsichtsrat anführt, beurteilt den Vorschlag, die beiden Straßenbahnlinien über die Neustadt zu führen, mit großer Skepsis: „Das ist keine gute betriebliche Lösung“, erklärt BSAG-Sprecher Andreas Holling. Die Infrastruktur sei auf der Strecke nicht darauf ausgelegt, so viel Verkehr aufzunehmen. In Ausnahmesituationen sei das kein Problem, wenn die Schienen vorübergehend als Umleitung genutzt würden, für einen Dauerbetrieb schon. Zudem dürfe man nicht vernachlässigen, wie sehr dadurch der Autoverkehr eingeschränkt würde. „Grundsätzlich ist es trotzdem aber eine gute Sache, wenn in der Machbarkeitsstudie auch diese Variante untersucht wird“, so Holling, „dann haben wir wenigstens Klarheit.“

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