Vor der Glocke an der Domsheide werden möglicherweise in den nächsten Jahren neue konventionelle Schienen verlegt, die keine Geräuschdämpfung besitzen und deshalb weiterhin das Gepolter der Straßenbahn in das Konzerthaus übertragen. Hintergrund ist die politische Blockade innerhalb der rot-grün-roten Koalition über die Neugestaltung des zentralen Verkehrsknotens in der Innenstadt – das grün-geführte Verkehrsressort möchte die Straßenbahn- und Bushaltestellen gern vor der Glocke bündeln, während SPD und Linke eine neue modernisierte Haltestellenanlage in der Balgebrückstraße bevorzugen.
Handlungsdruck entsteht nun durch technische Notwendigkeiten. Die Straßenbahnweichen auf der Domsheide sind so stark verschlissen, dass sie mitsamt der verbindenden Schienen spätestens 2025 erneuert werden müssen. Ordern lassen sich neue Weichen und Schienen aber nicht von jetzt auf gleich. Aufgrund der Planungs- und Produktionsvorläufe wird eine Bestellung im kommenden Jahr erforderlich. Solange aber nicht klar ist, ob der neue Haltestellenkomplex vor der Glocke oder an der Balgebrückstraße realisiert wird, will das Verkehrsressort von Senatorin Maike Schaefer (Grüne) aus Kostengründen keine teuren "Flüsterschienen" samt erneuertem Unterbau vor der Glocke verlegen lassen, sondern nur konventionelle, deutlich günstigere Normalschienen und Weichen. Denn ganz gleich, ob man sich politisch für einen Haltestellenkomplex im Bereich der Glocke oder an der Balgebrückstraße entscheidet – die Gleistrassen im Bereich der Domsheide müssten so oder so leicht verändert werden. Auch neue konventionelle Gleise und Weichen für immerhin etwa 3,1 Millionen Euro müssten dann also in ein paar Jahren wieder ausgebaut werden. Sie wären Schrott.
Lässt sich ein solches Szenario noch vermeiden? Das war am Donnerstag in der Verkehrsdeputation die große Frage. Senatorin Schaefer sah durchaus noch einen Ausweg – sofern die Politik die Haltestellenfrage nun zügig entscheidet. Die Grünen-Politikerin kritisierte mit deutlichen Worten den bisherigen Prozess. Die Frage nach dem künftigen Standort der Haltestellen hätte man aus ihrer Sicht "längst entscheiden können", wenn dieses Thema nicht von der – sehr viel weiter gefassten – Debatte über eine mögliche Straßenbahnverlegung in die Martinistraße überlagert worden wäre. Sie selbst hält von solchen Plänen nichts, die SPD sehr wohl. Eine Entscheidung über eine entsprechende Machbarkeitsstudie soll in Kürze im Senat getroffen werden.
Aus Schaefers Sicht ist durch die Verquickung der Themen schon viel zu viel Zeit verplempert worden. Da die Gleise und Weichen an der Domsheide nicht mehr lange halten, empfiehlt sie eine rasche Entscheidung in der Haltestellenfrage, am besten durch eine Bündelung im Bereich der Glocke. Dann brauche es kein Provisorium mit neuen konventionellen Schienen, sondern es könnten gleich in einem neuen Gleisbett die deutlich teureren "Flüsterschienen" verbaut werden. Dazu müsse man nun aber "bald in die Puschen kommen", ermahnte Schaefer die Verkehrspolitiker der Bürgerschaftsfraktionen. Falle in den nächsten Monaten keine Entscheidung, sei die BSAG gezwungen, neue, konventionelle Gleise und Weichen zu bestellen. "Aber dann soll auch bitte niemand erstaunt sein, dass es so gekommen ist", legte Schaefer nach. Auch BSAG-Vorstand Thomas Harder plädierte in diesem Sinne.
Vertreter von SPD und Linken zeigten sich eher reserviert. "Uns eint, dass wir eine Entscheidung zur Domsheide wollen", sagte Deputationsvorsitzender Falk Wagner (SPD). Man dürfe sich aber "nicht weigern, die Komplexität des Sachverhalts anzuerkennen". Ähnlich äußerte sich Christoph Spehr (Linke). Die Neuordnung des Verkehrsknotens Domsheide sei eine "in der Stadtgesellschaft hoch umstrittene Frage".
Die CDU griff die Meinungsunterschiede in der Koalition dankbar auf. Ihr Deputierter Michael Jonitz warf Rot-Grün-Rot vor, die Chance zu verschenken, die Domsheide umzugestalten und gleichzeitig durch "Flüstergleise" zu einer deutlichen Verbesserung für die Glocke zu kommen. "Der Senat ist seit 2019 nicht in der Lage, diese Frage zu lösen", attestierte er dem Regierungsbündnis.