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Kommentar zum Start des Wahl-O-Mat Klare Positionen, keine Umschweife

Gerade weil er nicht das Wahlgeheimnis lüftet, wo man am Ende die Kreuze setzt, lässt sich über das Resultat durchaus intensiv diskutieren – nicht das Verkehrteste, meint Redakteurin Lisa Boekhoff.
24.04.2019, 11:15 Uhr
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Klare Positionen, keine Umschweife
Von Lisa Schröder

Wer die Wahlprogramme der Parteien studieren möchte, der muss sich bis zur Bürgerschaftswahl ganz schön sputen. Für die derzeit fünf stärksten Fraktionen im Bremer Parlament ist die Lektüre zusammengenommen 535 Seiten stark. Definitiv ein Roman und keine Lyrik. Die Grünen liegen mit Abstand auf dem Spitzenplatz: 190 Seiten Wahlprogramm. Der Koalitionspartner SPD muss sich mit 132 um fasst 60 Seiten geschlagen geben – ungefähr so viele wie Linke und CDU verfasst haben. Doch wer liest die Wahlprogramme? Aus gutem Grund bieten die Parteien verdaulichere Kurzversionen ihrer Agenda an.

Konkret und knackig fasst sich von Haus aus der Wahl-O-Mat von der Bundeszentrale für politische Bildung. Das macht seinen Charme aus. An diesem Mittwoch gibt es das Format für die Bremer Bürgerschaftswahl in einem Monat. Die Kollegen von der Landeszentrale haben daran mitgewirkt. Das Angebot setzt stets auf ein ganzes Bündel Thesen, zu denen sich die Parteien positionieren müssen. Der Wähler hat dann die Möglichkeit, die eigenen Standpunkte mit denen der Parteien abzugleichen. Das Werkzeug ist klug, denn wer möchte, kann Akzente setzen: Was ist mir besonders wichtig? Welche These soll in der Bewertung keine Rolle spielen?

Die Adressaten sind klar

Die Parteien haben keine Chance, bei der Auswahl oder Formulierung der Thesen mitzureden – anders als bei ihren Wahlprogrammen, Slogans und Plakaten. Der Wahl-O-Mat verlangt Tacheles: keine Umschweife, sondern klare Positionen. Durch die Thesen geht es in medias res. Das macht das Instrument zu einem Gewinn. 38 Aussagen zu Bremen werden ab diesem Mittwochvormittag zu durchspielen sein. Kurz vor High Noon ist die Wahlhilfe scharf gestellt. Das wird höchste Zeit, denn der ein oder andere hat sogar schon jetzt gewählt.

Immer beliebter ist der Wahl-O-Mat bei den Wählern in Bremen. Zuletzt nutzten ihn bei der Bürgerschaftswahl 2015 schon 146 000 Menschen. Das ist ein ordentlicher Anteil. 2011 waren es noch 106 000 Nutzer, 49 000 im Jahr 2007. Zur Europawahl wird es ab dem 3. Mai ebenfalls ein Sammelsurium aus Thesen geben.

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Die Adressaten sind klar: Vor allem an junge Menschen richtet sich der Wahl-O-Mat. Deshalb ist er richtigerweise stets von jungen Menschen gemacht: Eine Redaktion im Alter zwischen 16 und 25 Jahren hat sich die Thesen für Bremen überlegt und um Positionierung der Parteien gebeten. Natürlich kann jeder Wähler den Wahl-O-Maten nutzen, doch es ist sinnvoll, dass er gerade auf die junge Zielgruppe setzt.

Die Wahlhilfe senkt schließlich die Schwelle, sich mit politischen Inhalten zu beschäftigen und sich beim Klicken durch die Thesen selbst zu einer Haltung zur Landespolitik zu zwingen – gar nicht leicht. Diese Hürde zu nehmen, kann bedeuten, sich am 26. Mai ein Votum zuzutrauen. Das ist wertvoll. Denn damit hilft der Wahl-O-Mat vielleicht ein Stück, dass die Wahlbeteiligung in Bremen zur Abwechselung wieder steigt. Diese Trendwende ist notwendig.

Weil der Wahl-O-Mat sich auf Kontroversen konzentriert, wird deutlich, dass es eben doch klare Unterschiede zwischen den Parteien gibt. In Zeiten, in denen für viele Menschen die Grenzen gerade zwischen CDU und SPD verschwimmen, ist das ein Gegenbeweis. Und vielleicht ist manch ein Wähler überrascht, wie „seine“ oder „ihre“ Partei zu Dingen steht.

Nicht das Verkehrteste

Seit 2002 gibt es den Wahl-O-Maten in Deutschland. Damals wurde er bei der Bundestagswahl erstmals eingesetzt. Die Macher verstehen das Instrument sehr richtig als „ein Informationsangebot über Wahlen und Politik“ und nicht mehr. Denn es geht gerade nicht um eine Antwort auf die Frage: „Wen soll du wählen?“ Diese Konklusion wäre absurd.

Der Wahl-O-Mat spuckt, anders als der Name es noch suggeriert, eben nicht aus, wem wir unsere Stimme geben. Da gibt es natürlich keinen Automatismus. Der Abgleich der Positionen ersetzt nicht das Urteil eines mündigen Wahlbürgers, der nicht allein die Gemeinsamkeiten abgleicht. Es braucht doch mehr zu entscheiden, wer ein Bundesland führen soll und wer das Vertrauen dafür geschenkt bekommt. Die Parteien müssen auch mit ihrem Personal, ihrem Auftritt und dann doch dem Wahlprogramm überzeugen.

Der Wahl-O-Mat kann zum Nachdenken anregen. Das funktioniert spielerisch mit einem Spannungsmoment, bis das Ergebnis steht. Im Kern kann es aber ernst genommen werden. Und gerade weil es nicht das Wahlgeheimnis lüftet, wo man am Ende die Kreuze setzt, lässt sich über das Resultat durchaus intensiv diskutieren – nicht das Verkehrteste.

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