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Landwirtschaft Kleiner Fehler mit Folgen

Der Hepstedter Hobby-Rinderzüchter Heiko Gerken begeht einen Meldeverstoß. Die Auswirkungen sind für den Landwirt jedoch eher amüsant.
26.01.2019, 19:51 Uhr
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Von Irene Niehaus

In Deutschland müssen die Landwirte alles dokumentieren: Arbeitszeiten, die Zahl der Tiere, die Menge des Pflanzenschutzmittels und noch viel, viel mehr. Was passiert, wenn man dabei auch nur einen kleinen Fehler macht, musste ein Hepstedter erleben. Heiko Gerken muss noch heute büßen, weil er vor knapp drei Jahren ein Kalb wenige Tage zu spät meldete. Das Kuriose: Damals hielt der Hobby-Landwirt gerade mal drei Rinder.

Jedes Kind weiß mittlerweile, dass es in der Landwirtschaft sehr korrekt zugehen muss. Die Verbraucher sollen schließlich wissen, was bei ihnen auf den Tisch kommt. Eine gläserne Produktion soll diesen Anspruch einlösen. Von der lückenlosen Dokumentation hängt aber auch die Zahlung der Betriebsprämie ab, die an strenge Auflagen gebunden ist. Diese Auflagen findet Heiko Gerken wichtig und richtig, betont er. Aber über eine Sache kann der 44-Jährige nur schmunzeln.

Kalb zu spät angemeldet

Entgegen der Vorschrift hat er im Jahr 2016 sein Kalb „Leni“ zwei, drei Tage zu spät angemeldet – statt innerhalb von sieben Tagen nach der Geburt, wie es gefordert wird. „Das wusste ich damals noch nicht, ich war blauäugig“, räumt Heiko Gerken ein. Er betreibt die Landwirtschaft und einen Online-Shop für Biofleisch nur nebenbei, mehr als Hobby. An vier Tagen in der Woche arbeitet der Wirtschaftsingenieur als Controller bei einem Gemüseanbauer in Seevetal.

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Um die EU-Prämiengelder zu erhalten, muss Heiko Gerken die Bewirtschaftungsauflagen einhalten. Überprüft wird das von Kontrolleuren der Landwirtschaftskammer. Als Behördenmitarbeiter vor Gerkens Tür standen, hatten sie vorher schon einen Blick in die zentrale Rinder-Datenbank geworfen. Sie mahnten: Gerken habe zu 100 Prozent gegen die Meldevorschriften verstoßen. 100 Prozent? Der Hepstedter runzelte die Stirn, dann aber war ihm klar: Wer nur ein Kalb hat und es zu spät meldet, kommt auf 100 Prozent. Die Landwirtschaftskammer nahm ihn daraufhin ins Visier. Zwei Jahre nach der Kontrolle fand nun eine weitere statt – weil er auffällig geworden war.

Kein böses Wort über Kontrolleure

„Ich finde es lustig, dass bei einem Hobbybetrieb, der nur eine Mutterkuh hatte, dieser Meldeverstoß dazu führte, dass zwei Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer einen halben Tag lang meinen Betrieb prüften“, sagt Gerken. Ein böses Wort über die Kontrolleure möchte er aber nicht verlieren. „Im Gegenteil, sie waren richtig nett, ihnen war es unangenehm“. Ihn amüsiert jedoch die Unverhältnismäßigkeit.

Denn während sein Meldeverstoß bei den wenigen Tieren als ein 100-Prozent-Verstoß eingestuft worden sei, gelte derselbe Fristfehler bei einem Tier in einem Bestand von 100 Kühen nur zu einem Prozent. „Die Bemessungsgrundlage ist falsch“, findet Gerken. „Uns sind die Hände gebunden, wir sind an die Vorgaben der EU gebunden“, betont eine Mitarbeiterin der Landwirtschaftskammer Bremervörde, die nicht genannt werden will. Bei solchen Verstößen ein Auge zuzudrücken, sei nicht erlaubt. „Unsere Kontrolleure werden ja auch überprüft.“

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Die Mitarbeiterin räumt ein, dass kleinere Betriebe mit wenigen Tieren hinsichtlich der Einstufung solcher Verstöße benachteiligt würden gegenüber Höfen mit großem Tierbestand. „Hier von gerecht zu sprechen wäre absurd“, betont sie. Verstöße gegen den Vorschriftenkatalog kosten Geld. Sie können zu erheblichen Prämienkürzungen auf den Höfen führen. Weil er sein Kalb damals zu spät gemeldet hatte, wurden Gerken fünf Prozent seiner Betriebsprämie gestrichen. Die Zahl der Verstöße bei der Kennzeichnungspflicht, wozu die fristgerechte Meldung von Geburten bei Rindern, Schweinen oder Schafen zählt, hat nach Aussage der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zugenommen.

Neue Wege mit Nutztierrasse

Heute bekommt Gerken wieder die volle Prämie. Neugeborene Tiere meldet er schnellmöglichst an, Fristen und Druck hält er für wichtig. Mittlerweile besitzt er neun Rinder, drei sind trächtig. Sie alle gehören zur fast ausgestorbenen alten Rasse der Angler Rinder. Der 44-Jährige geht mit der alten Nutztierrasse neue Wege. Weniger ist mehr, sagt der Mann, der auf einem Bauernhof groß geworden ist und genau diesen nach der Übernahme vom Vater aufgegeben hat, einen konventionell wirtschaftenden Betrieb mit Ackerbau und Schweinemast. Wachsen oder weichen? Vor dieser Frage stand er vor elf Jahren. Mindestens eine halbe Million Euro hätte er in die Hand nehmen müssen, doch in der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft sah er keinen Sinn, er legte den Betrieb still, verpachtete die Flächen.

Doch ihm fehlte etwas. Es war der Geschmack von Wurst und Fleisch, das vom eigenen Betrieb stammt. Außerdem habe ihm der körperliche Ausgleich gefehlt. So kam er auf die Idee, extensiv Rinder zu halten und deren Fleisch zu vermarkten. Bei seinen Recherchen hat er von den Angler Rindern erfahren, fuhr zu einer Züchterveranstaltung „und fand das toll, was die leisten“.

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Gerade mal 60 Mutterkühe habe es Anfang der 2000er-Jahre noch gegeben – weltweit. Heute seien es immerhin schon wieder 350. Die alte Rasse zu erhalten sei sinnvoll, denn die Tiere hätten viele gute Eigenschaften.

Das alte Angler Rind werde der ”Araber unter den Kühen“ genannt, sagt Gerken, der die Tiere als „edel, wach, temperamentvoll und robust“ beschreibt. Sie seien unkompliziert und trotzdem intelligent. Diese Mischung gefällt ihm.

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