In den kommenden 16 Jahren will Bremen komplett aus der Erdgasversorgung aussteigen, Gebäude sollen dann möglichst nur noch mit Fernwärme aus Müllheizkraftwerken und über Wärmepumpen beheizt werden. Allein beim entsprechenden Ausbau des Fernwärmenetzes rechnet die Kommission selbst mit Kosten von rund 850 Millionen Euro – und das ist nicht die einzige Hürde bei der Umsetzung der ambitionierten Pläne.
Aktuell werden gerade zehn Prozent der Bremer Haushalte von den Stadtwerken Bremen (swb) mit Fernwärme versorgt, der aktuelle Neubau einer sieben Kilometer langen Transportleitung im Bremer Osten hatte vier Jahre planerischen Vorlauf. Die Ziele der Enquetekommission, die sich Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) zu eigen gemacht hat, erfordern jedoch bis 2038 rund 220 Kilometer Rohre, vor allem in dicht besiedelten Stadtteilen – denn nur hier lohnt sich der Ausbau auch.
Wie also soll der Ausbau so dramatisch beschleunigt werden? "Ein wesentlicher Faktor dabei wird die Personal- und die Finanzausstattung sein", sagt Schaefer. Die Senatorin betont aber auch, dass dabei sowohl der Bund als auch die EU gefragt seien: "Bremen kann das nicht alleine stemmen." Das ist auch dem Vorsitzenden der Bremer Klimakommission klar: "40 Prozent davon kann der Bund über das Förderprogramm effiziente Wärmenetze beisteuern", versichert der Bürgerschaftsabgeordnete Martin Michalik. Dazu müsse der Senat aber bis spätestens 2025 eine kommunale Wärmeplanung vorlegen. Aus der soll dann "straßenbezogen" hervorgehen, wo Fernwärme, Nahwärme oder dezentrale Wärmelösungen zum Einsatz kommen.
Beschleunigung versus Beteiligung
"Wir sind sehr gut im Akquirieren von Fördermitteln", sagt Schaefer selbstbewusst und verweist auf Städtebaufördermittel, den Straßenbahnausbau, die Fahrradbrücken, Mittel für Umweltprojekte im Bereich der Renaturierung. Dass man solche Fördertöpfe aber erst anzapfen kann, wenn Projekte eine entsprechende Planungsreife haben, räumt auch sie ein. Hier empfiehlt Michaliks CDU-Fraktion deshalb, dass "Planfeststellungsverfahren künftig institutionell beschleunigt abgewickelt werden". Das jedoch ist mit der Senatorin, die auch stellvertretende Regierungschefin ist, nicht zu machen: "Beteiligungsprozesse werden wir nicht beschneiden", stellt sie gegenüber dem WESER-KURIER klar.
Beim Fernwärmeausbau denkt Schaefer zunächst an dicht besiedelte Gebiete im Innenstadtbereich oder links der Weser, aber auch im Bremer Westen und Norden: "Besonders spannend ist es, wenn wir die Abwärme von Unternehmen zukünftig noch besser als Wärmeversorgung für Wohngebiete nutzen." Im Wärmegutachten, das die Klimakommission beim Hamburg-Institut in Auftrag gegeben hatte, wurden acht weitere wirtschaftlich lohnende Fernwärmegebiete identifiziert.
Aus Sicht der betroffenen Hauseigentümer und Mieter hat der Anschluss ans Fernwärmenetz Vor- und Nachteile. Zunächst spare man die Investition in eine neue klimafreundliche Heizungsanlage und Kosten für den Schornsteinfeger, sagt Energieberaterin Inse Ewen von der Verbraucherzentrale Bremen. "Anders als bei Gas, Öl oder Strom kann ich allerdings den Anbieter nicht frei wählen, sondern binde mich mit langfristigen Verträgen und habe keinen Einfluss auf die Preise." Das kritisiere die Verbraucherzentrale schon sehr lange.
Wärmepumpen und Solarzellen
In weniger dicht besiedelten Gebieten, die sich für den Anschluss ans Fernwärmenetz nicht eignen, setzen Klimakommission und Umweltsenatorin vor allem auf den Einbau von Wärmepumpen. Grundsätzlich und technisch gehe das in jedem Haus, heißt es aus der Behörde: Gerade wenn die alten Gas- und Ölheizungen eigentlich ersetzt werden müssten, mache es Sinn, eine Wärmepumpe einzubauen – idealerweise mit Photovoltaik gekoppelt. Allerdings sei wichtig, dass die Gebäude entsprechend energetisch saniert sind, um den Wärmeverlust zu minimieren.
Keine Auskunft gibt das Bau- und Umweltressort dazu, auf wie viele Häuser in Bremen dies zutrifft. "Leider gibt es hier keine belastbaren Zahlen", bedauert auch Ingmar Vergau, Geschäftsführer des Bremer Landesverbands von Haus & Grund. Entscheidend sei die Zahl der Häuser, bei denen eine entsprechende Umrüstung wirtschaftlich sinnvoll und finanziell tragbar ist. Die Verbraucherzentrale bietet hier für 30 Euro einen Heizungscheck an, um zu ermitteln, welches Heizungssystem sinnvoll ist.
Die Kombination mit Solaranlagen könne zum Beispiel schwierig werden wegen der Abstandsregelung zum Nachbarhaus, welche die Landesbauordnung vorschreibe, sagt Energieberaterin Ewen. Es gebe zwar Ausnahmegenehmigungen für gewisse Glas-Glas-Konstruktionen, aber das Verfahren sei so umständlich, dass es seit September 2020 keinen Antrag mehr gegeben habe.
Klimaschutz und Kosten
Vergau spricht beim Klimaschutz im Gebäudebestand vom "größten Investitionsvorhaben im Wohnungswesen seit dem Zweiten Weltkrieg". Auch er mahnt einen verbindlichen kommunalen Versorgungsatlas bis 2025 an, hat aber noch eine weitergehende Anregung: "Besser wäre, allen Eigentümern zeitnah einen kostenlosen individuellen Sanierungsfahrplan für ihr Gebäude zur Verfügung zu stellen." Nur wenn die Eigentümer wüssten, wann sie welche Klimaschutzmaßnahmen durchführen sollten, ließen sich Klimaschutz und bezahlbares Wohnen in Einklang zu bringen.
Bei den Kosten setzt Haus & Grund zudem auf massive staatliche Unterstützung, denn von den Eigentümern allein seien die meist nicht zu stemmen. "Wenn aufgrund des Zustandes und der statischen Begebenheiten eine Dacherneuerung notwendig ist, wird bei den übrigen Vorgaben, die für solche Maßnahmen verpflichtend sind, schnell die 100.000- Euro-Marke geknackt", sagt Vergau. Ohnehin seien ja in den vergangenen Monaten die Baukosten aufgrund des Materialmangels extrem explodiert. Folglich müsse die Bundeshaushaltsordnung so geändert werden, dass sie eine finanzielle Förderung gesetzlich vorgeschriebener Maßnahmen nicht mehr ausschließt.
Vermieter haben zudem die Möglichkeit einer Modernisierungsmieterhöhung. Schwieriger wird es für ältere Hauseigentümer, die ihre Immobilie einfach zur Altersvorsorge erworben haben und nur selbst darin wohnen.
Und wie das Land Bremen auf den Bund und die EU setzt, so setzen die Gebäudeeigentümer auf das Land. Und wenn auch die Kredite und Fördermöglichkeiten der Bremer Aufbaubank nicht ausreichen, müssten eben "zukünftig auch hier von der Landesregierung erhebliche Förderungen in Form von tatsächlichen Zuschüssen zugesteuert werden", betont Vergau. Eine Ansage, die auch Energieberaterin Ennen bei der Förderung von Wärmepumpen macht.
Wärme aus der Nähe
Eine dritte Möglichkeit, künftig klimaneutral zu heizen, heißt Nahwärme. Das sind quasi sehr große Wärmepumpen, die gleich ein ganzes Quartier und nicht bloß ein Haus versorgen. Schaefer nennt hier beispielhaft das Kelloggs-Quartier in der Überseestadt. Michalik verweist auf sechs Inselnetze der SWB, 23 kleinere Netze der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewoba und eines von Enercity.