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Kolumne 0421 Zwischen Kanzler und Reifenabrieb: Hat man da noch Worte?

In der Kolumne „0421“ schreibt Oliver Matiszick über große und kleine Themen, die manchmal erst auf den zweiten Blick miteinander, immer aber mit Bremen zu tun haben. Heute: der Kanzler, Redezeit, Wortgeklaube.
24.08.2024, 05:00 Uhr
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Zwischen Kanzler und Reifenabrieb: Hat man da noch Worte?
Von Oliver Matiszick

Heute wollen wir mal Worte machen. Es war ja auch eine aufregende Woche für Bremen, in der viel gesprochen wurde. Schließlich war der Bundeskanzler da. Der fällt zwar nur selten durch ein Übermaß an Redseligkeit auf, ließ es am Montag auf der Überseeinsel im Dialog mit 160 ausgelosten Menschen aus dem 0421-Land eineinhalb Stunden lang aber nicht an Wörtern mangeln. Es waren sogar noch welche für das Interview mit unserer geschätzten Qualitätszeitung übrig, zur Veröffentlichung kamen 1358 davon. Für diese wertvolle Zusatzinformation habe ich allerdings nicht selbst nachgezählt, sondern uneingeschränkt auf die Wortanzahlanzeige unseres Archivsystems vertraut.

Auf einem anderen Blatt steht, wie viele Wörter sich in sieben Minuten Redezeit verpacken lassen. Die haben sich die Fraktionen der Bürgerschaft per Vereinbarung nun ja als Höchstdauer pro Tagesordnungspunkt auferlegt – und zu gerne hätte ich diese Woche, es wurde die 15. Sitzung der 21. Wahlperiode protokolliert, selbst miterlebt, ob das tatsächlich geklappt hat. Denn so etwas wie Punkt 41 der Tagesordnung lässt sich nicht mal im Vorbeigehen klären: „Zum Schutz von Umwelt und Gesundheit: Reifenabrieb regulieren“. Das eröffnet doch jede Menge neuer Aspekte! Was ist mit den unterschiedlichen Abriebswerten von Sommer-, Winter- und Ganzjahresreifen von Pkw in unterschiedlichen Temperaturfenstern? Und überhaupt, wie verteilt sich der Reifenabriebsanteil auf Individualverkehr, öffentliches Transportwesen, Logistik, Fahrräder oder E-Scooter? Klar, Bremen muss sparen, und sei es an Redezeit. Aber solche Zukunftsfragen wollen doch sorgsam bedacht und erörtert werden. Da sind sieben Minuten echt knapp.

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Zumal sich im häuslichen Bereich tagtäglich bewahrheitet, wie zeitintensiv die Wortklauberei selbst abseits parteipolitischer Dogmen ausfallen kann. Etwa, als ich meinen Sohn kürzlich ermahnte, doch seine Griffelmappe einzupacken, die er achtlos hatte rumliegen lassen, auf dass die Chancen wüchsen, sie am nächsten Schultag zu Hause zu vergessen. Große Belustigung der Anwesenden! Griffelmappe, so die einhellige Meinung, sagt heute kein Mensch mehr. Höchstens alte Männer wie ich, ob nun weiß oder nicht. Dabei kann ein jeder gebildete Mensch so ein Ding doch nur Griffelmappe nennen. Schließlich leitet sich der – na gut: ein klein wenig altertümliche – Begriff Griffel von „grapheion“ ab. Das kommt aus dem Griechischen und steht für „Schreibgerät“. Da muss man nur mal im Duden nachschauen. Also echt jetzt.

Wobei: Ich nutze noch eine ältere Ausgabe, und gerade diese Woche erreichte uns die Nachricht, dass die 29. und neueste Neuauflage des Standardwerks der deutschen Sprache an den Start geht, mit 3000 neuen Wörtern und etlichen Streichungen. Ob der Griffel das überlebt hat, weiß ich nicht. Bestimmt. Bei Reifenabrieb oder Fahrrad-Premiumroute bin ich mir da aber nicht so sicher.

Tagebucheintrag: Ich bin Ihnen noch schuldig, was bei uns zu Hause als Alternativbegriff für die Griffelmappe gilt: Federmappe. Als würde seit Goethes Zeiten noch irgendwer mit der Feder schreiben! Da fehlen einem doch: die Worte.

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