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Kolumne 0421 Auf dem Schnee von gestern durch die Bildungslandschaft

In der Kolumne „0421“ schreibt Oliver Matiszick über große und kleine Themen, die manchmal erst auf den zweiten Blick miteinander, immer aber mit Bremen zu tun haben. Heute: Bildung, Geld- und Schneemangel
23.03.2024, 05:00 Uhr
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Auf dem Schnee von gestern durch die Bildungslandschaft
Von Oliver Matiszick

Zu den großen Vorzügen von Bremen gehört ohne Frage, dass sich berufsbedingte Besserwisser wie ich, weniger freundlich auch als Klugscheißer bezeichnet, hier so richtig ausleben können. Die zaudernden Maßnahmen zur Wiederbelebung einer komatösen Innenstadt? Die mutlose Bedenkenträgerei in Sachen Architektur? Oder eine Verkehrspolitik, die heute vermutlich selbst Esel, Hund, Katze und Hahn darüber nachdenken lassen würde, ob sich nicht doch ein märchenhafteres Ziel leichter erreichen ließe? Ach, was gäbe es nicht alles besser zu machen im 0421-Land!

Sollten Sie jetzt einwenden wollen, dass in dieser ganz unbedingt unvollständigen Aufzählung das Bremer Bildungssystem fehlt, dann lässt sich dem nur schwer widersprechen. Wie denn auch, wenn zu den Nachrichten dieser Woche gehörte, dass aus der im rot-grün-roten Koalitionsvertrag festgehaltenen Hilfe für Grundschulen in sozialen Brennpunkten doch nichts wird – weil sich für die geplanten Doppelbesetzungen aus einer Lehr- und erzieherischen Zweitkraft doch kein Geld im Bremer Haushalt gefunden hat. Wie überraschend.

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Aber: Bei all dem, was an den hiesigen Schulen schlechter als ungefähr überall sonst im Land läuft, will das mit der sonst reflexartigen Besserwisserei bei mir nicht funktionieren. Diese Nachsicht dürfte auch damit zu tun haben, dass mir das Bremer Schulsystem vermutlich weniger geschadet hat, als es umgekehrt der Fall war. Schließlich stellte meine über Jahre nachgewiesene Talentlosigkeit etwa in Mathematik, Physik und Chemie (ehemalige Mitschüler als Zeitzeugen könnten diese Aufzählung als unvollständig bezeichnen) keinen Grund dar, nach 13 Jahren nicht doch ein recht passables Abschlusszeugnis in den Händen zu halten. Obwohl meine Schullaufbahn durchweg in einem Stadtteil stattfand, der heute als benachteiligt bezeichnet wird. Wobei ich mich bei der Formulierung immer frage, von wem er wohl benachteiligt wird. Wenn wir den damals erwischt hätten, er hätte jedenfalls was erleben können.

Stattdessen haben wir im so oft gescholtenen Bremer Schulsystem etwas erlebt. So wurde in derselben Ausgabe, in der unsere geschätzte Qualitätszeitung über das gekippte Hilfsprogramm für Grundschulen berichtete, an anderer Stelle die Frage gestellt: „Hat Skifahren noch Zukunft?“ Ich habe keine Ahnung! Aber in meinem Fall hat es immerhin eine Vergangenheit. Und die verdanke ich allein einer Schule, die – trotz der schon immer klammen Finanzen des Landes – über einen erstaunlichen Fundus an Wintersportausrüstungen verfügte. Auf dass wir damit bei preiswerten Skifreizeiten lernten, die nach Maßstäben des Flachlands mächtigen Erhebungen des Harzes im Parallelschwung hinabzufahren. Das fühlte sich so ganz und gar nicht benachteiligt an.

Meine alte Schule und ihre Skikammer gibt es allerdings schon lange nicht mehr, und im Harz auch nur noch selten weiße Pisten. Das alles ist sozusagen Schnee von gestern. In etwa so wie manche Dinge in einem Koalitionsvertrag.

Tagebucheintrag: Eigentlich wollte ich an dieser Stelle heute endlich mal eine Woche ohne nennenswerte Streiks im Fern- oder Nahverkehr feiern. Blöde Idee.

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