Das kleinste Bundesland steuert auf eine Finanzkrise zu. Der Senat muss in den kommenden Wochen ein 100-Millionen-Euro-Loch im Haushalt stopfen. Alle Ressorts sind zu Sparbeiträgen aufgefordert, sowohl bei den laufenden Ausgaben als auch bei Investitionen. Allerdings fehlt vielen Akteuren im rot-grün-roten Regierungsbündnis die Fantasie, wie diese Aufgabe angesichts der schieren Größe der Finanzlücke und der aktuellen Zusatzbelastungen durch die Ukraine-Krise bewältigt werden kann.
Die Haushaltsnotlage kommt nicht aus heiterem Himmel. Sie zeichnete sich im Grunde schon ab, als die Bürgerschaft im Dezember vergangenen Jahres die Etats 2022 und 2023 mit der Mehrheit von SPD, Grünen und Linken beschloss. Um einen ausgeglichenen Haushalt einzubringen, hatte der Senat zu einem altbewährten finanztechnischen Trick gegriffen: der sogenannten globalen Minderausgabe. Darunter versteht man einen Betrag, der im Laufe des Haushaltsjahres noch erwirtschaftet werden muss – sei es durch das Verschieben geplanter Investitionen oder anderweitige Einsparungen, sei es durch Mehreinnahmen. In jedem Fall muss die globale Minderausgabe am Ende des Haushaltsjahres aufgelöst werden, weil sonst gegen geltendes Recht verstoßen wird.
Gemessen am Gesamtvolumen des Landeshaushaltes 2022 von rund fünf Milliarden Euro hatte der Senat mit 100 Millionen Euro eine ungewöhnlich große globale Minderausgabe angesetzt. Schon im Entwurfsstadium hatten viele Fachleute Zweifel, ob sich ein so hoher Betrag im Laufe des Jahres durch Streichen, Strecken und Kürzen einsparen lassen wird.
Diese Zweifel wurden kürzlich zur Gewissheit, als in den Senatsressorts ein Schreiben aus dem Haus von Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) eintraf. Sein Haushaltsdirektor Holger Duveneck räumte darin ein, dass es sich bei den 100 Millionen Euro um eine "für Bremen noch nie da gewesene historisch hohe veranschlagte globale Minderausgabe" handele. Es bestehe nun "dringender unmittelbarer Handlungsbedarf" beim Schließen dieser Lücke. Weiteren zeitlichen Verzug könne man sich nicht erlauben, sonst seien "die derzeit noch vorhandenen Steuerungsmöglichkeiten nicht mehr gegeben".
Duveneck lieferte auch gleich eine Liste mit Einsparzielen für die einzelnen Senatsressorts mit. Sie belaufen sich auf zunächst 80 Millionen Euro. Was mit den restlichen 20 Millionen wird, soll zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden. Die Ressorts wurden aufgefordert, der Finanzbehörde bis zum Dienstag dieser Woche mitzuteilen, wie sie ihre Hausaufgaben erledigen wollen.
Nach Informationen des WESER-KURIER hat bisher nicht eine einzige senatorische Behörde einen detaillierten Kürzungsplan im Hause Strehl eingereicht. Alle machten umfangreichen Beratungsbedarf geltend. In einigen Fällen ist diese Abwehrhaltung verständlich. Denn die Sparvorgaben wurden zwar nach transparenten Kriterien berechnet, sie treffen die einzelnen Ressorts allerdings mit ganz unterschiedlicher Wucht.
Am stärksten wäre der Wissenschaftsbereich betroffen. Ihm verlangt die Finanzbehörde einen Sparbeitrag von 24,5 Millionen Euro ab, also mehr als ein Viertel des Gesamtvolumens. Damit wären aktuelle Investitionsvorhaben wie der Neubau des Zentrums für maritime Tropenforschung (ZMT), aber auch andere Vorhaben im Hochschulbereich infrage gestellt. Ähnlich sieht es im Bereich der Häfen aus. 5,7 Millionen Euro lautet hier die Sparvorgabe. Dabei besteht eigentlich allgemeiner Konsens darüber, dass die bremischen Häfen einen hohen Nachholbedarf bei der Digitalisierung haben. Im zuständigen Ressort von Senatorin Claudia Schilling (SPD) äußert man sich derzeit nicht zu dem Vorgang.
Finanzsenator Strehl steht nun vor einer der schwierigsten Operationen seiner Amtszeit. Das räumt er gegenüber dem WESER-KURIER auch unumwunden ein: "Die Aufgabe ist groß, da der Bremer Haushalt angespannt ist und alle Ressorts wichtige Aufgaben wahrnehmen." Der Senat habe den Haushaltsentwurf mit der 100-Millionen-Euro-Lücke allerdings gemeinsam auf den Weg gebracht und stehe deshalb nun auch gemeinsam in der Pflicht, diesen Betrag irgendwie aufzubringen. Scheitern sei keine Option, denn: Bremen hat nicht nur die haushaltsrechtliche Pflicht, seinen Etat auszugleichen. Von dem entsprechenden Nachweis hängen auch die 400 Millionen Euro an Sanierungshilfen ab, die Bremen bis 2035 alljährlich vom Bund bekommt. Fielen sie weg, würden auf die Hansestadt weitere Probleme zukommen.