Gegen eine „grüne Lunge“ in der Stadt oder gegen eine „Oase der Ruhe“ kann eigentlich niemand etwas haben. Bäume und Wiesen, die ihre Pracht entfalten, Wege und Flächen, die nicht versiegelt sind und auf denen motorisierter Verkehr ausgeschlossen ist, erhöhen die Lebensqualität, zumal in einer Großstadt. Bremen hat mit dem ehemaligen Rennbahngelände ein solches Biotop, mehr als 40 Fußballfelder groß.
Beschreibungen wie „grüne Lunge“ und „Oase“ bemühen diejenigen, die das Areal im Osten der Stadt als Naherholungsgebiet für sich entdeckt haben. Das sind Spaziergänger, Radfahrer, Freizeitsportler. Vom Status, ein Naherholungsgebiet für alle Bremer zu sein, ist die ehemalige Rennbahn allerdings noch weit entfernt.
Grün ist es dort, wo jahrzehntelang Rennpferde im Galopp ihre Runden gedreht haben. Das ja. Aber einladend ist das Gebiet nicht. Im Gegenteil: Nach Süden, zur Ludwig-Roselius-Allee hin, wirkt das Gelände geradezu abweisend. Wie eine Trutzburg schirmt es sich nach außen ab, ist kaum einsehbar. Nur an einer Stelle gibt es auf dieser Seite einen leicht zu findenden Einlass. Klar im Vorteil, wer in der Nähe zu Hause ist und deshalb Schleichwege kennt. Alle anderen werden, so wie sich das Gelände heute präsentiert, kaum auf die Idee kommen, dort einfach einmal hinzufahren, um einen Nachmittag im Grünen zu verbringen.
Sechs Jahre nach dem Volksentscheid über die Nutzung des Rennbahngeländes und drei Jahre, nachdem das letzte Pferderennen dort stattgefunden hat, zeigt sich, dass der Plan, das Gelände nach und nach zu entwickeln – als nächstes einen Klimawald, 2026 das Fleet, danach vielleicht den Spielplatz – dem Potenzial der riesigen Fläche nicht gerecht wird.
Wenn es tatsächlich ein Naherholungsgebiet für die Bremer Bürger sein soll, dann hätte man die Fläche längst öffnen und mehr als ein paar Sitzbänke aufstellen müssen. Auch hätte man schon Spazierwege anlegen und ausweisen können. Im Moment ist für Ortsunkundige gar nicht klar, wo genau man eigentlich gehen darf und wo besser nicht.
Warum die Rennbahn nicht zur Chefsache machen?
An der Umsetzung aller Planungen sind in irgendeiner Form insgesamt sieben Ressorts beteiligt, ein Mammutprojekt mit anderen Worten, das bisher aber nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Wie wäre es deshalb, die Entwicklung der Galopprennbahn zur Chefsache von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) zu machen? Besonders weil offenbar jetzt schon absehbar ist, dass das Geld dafür fehlt, tragende Ideen des ursprünglichen Konzepts umzusetzen, wie den Sportpark mit mehreren Rasenflächen. Umso mehr ist es geboten, sich rechtzeitig Gedanken zu einer alternativen Nutzung zu machen.
Von daher ist es legitim und überfällig, dass Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt von den Linken diesen Prozess anstößt. Natürlich weiß sie, dass ihr Vorschlag, auf einem Teil des Geländes Wohnungen bauen zu lassen, delikat ist, denn es hat ja den Volksentscheid gegen eine Wohnbebauung gegeben. Das Ergebnis zu kassieren, mag rechtlich in Ordnung sein, wird aber mindestens von den Gegnern als Ignoranz gegenüber dem Bürgerwillen interpretiert.

Grün soweit das Auge reicht: Die ehemalige Galopprennbahn bietet Platz für mehr als 40 Fußballfelder.
Auch die aktuelle Argumentation der Senatorin, dass die Wohnungsnot immer größer werde, ist nur eine Krücke, denn bezahlbarer Wohnraum hat in Bremen auch bei der Abstimmung vor sechs Jahren schon gefehlt, und trotzdem hat die Stadt es bis heute nicht hinbekommen, Abhilfe zu schaffen.
Trotzdem sind Vogts Argumente relevant. Was Bremen nicht braucht, ist noch mehr hochpreisiges, exklusives Wohnen. Was Bremen aber sehr wohl braucht: Wohnraum für sozial Schwächere und Angebote an junge Familien, die sonst der Stadt den Rücken kehren und ins niedersächsische Umland ziehen, um nur noch zum Arbeiten nach Bremen zu kommen.
Es wird Zeit, dass die Entwicklung des Rennbahngeländes Fahrt aufnimmt. Wenn die Politik das Gefühl hat, dafür nicht den Auftrag und die nötige Rückendeckung der Bevölkerung zu haben, dann muss eben noch einmal abgestimmt werden. Nur irgendwie weiterzumachen wie bisher, wird diesem Stück Bremen nicht gerecht.