Der deutschen Wirtschaft geht es seit der Corona-Krise schlechter als in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent. Das teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Das BIP erlebte damit den stärksten Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen Berechnungen im Jahr 1970. Bei der letzten Krise hatte das größte Minus 4,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal betragen.
Gleichzeitig hat sich im Juli die Lage am Arbeitsmarkt leicht verschlechtert. Im Bundesland Bremen waren zuletzt 43.212 Menschen ohne Arbeit. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 11,8 Prozent. Im Juni hatte sie bei 11,6 Prozent gelegen, im Vorjahr bei 10,2. Joachim Ossmann, Chef der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven, sprach am Donnerstag von „einer erfreulichen Entwicklung“. Denn im Vergleich zu den Vormonaten sei der Anstieg geringer gewesen, in Bremerhaven und im Landkreis Osterholz, der ebenfalls zum Bezirk der Arbeitsagentur gehört, hat die Zahl der Menschen ohne Arbeit leicht abgenommen.

Der Arbeitsmarkt kämpft weiter mit den Folgen der Corona-Krise.
Dass die Arbeitslosenquote nicht höher ist, sei auch der Kurzarbeit zu verdanken, sagte Ossmann. Zwischen März und Juli hätten rund 8000 Betriebe im Agenturbezirk für mehr als 163.000 Mitarbeiter Kurzarbeit angezeigt. Das entspricht 44 Prozent aller Beschäftigten im Land Bremen und im Landkreis Osterholz. Der Höhepunkt wurde im April erreicht, als mehr als 6000 Unternehmen Kurzarbeit anzeigten. Im Juli kamen 76 neu hinzu. „Die Kurzarbeit hat weiterhin nahezu alle Branchen erfasst“, sagte Ossmann. Besonders betroffen seien allerdings der Automobilbau, die Stahlindustrie, der Groß- und Außenhandel, die Logistik, Hotels- und Gaststätten sowie die Leiharbeit.
Was den Agentur-Chef hoffen lässt, ist die Zahl der offenen Stellen. Im Juli hätten Firmen bei der Behörde 1539 freie Stellen gemeldet, ein Viertel mehr als im Vormonat. Insgesamt habe die Agentur 6100 unbesetzte Stellen im Angebot – deutlich mehr als im Mai und Juni.
Handelskammer vorsichtig
Trotz dieser Zahlen warnte Friso Schlitte, Konjunkturexperte der Bremer Handelskammer, vor zu viel Optimismus. Die Talsohle sei zwar erreicht, aber noch nicht durchschritten, sagte er. „Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit hängt davon ab, wie die Unternehmen mit der Kurzarbeit über die Runden kommen.“ Die Frage ist also: Können sich betroffene Firmen durch die Maßnahme wirtschaftlich stabilisieren? „Wenn eine Pleitewelle in der zweiten Jahreshälfte kommt, spüren wir das am Arbeitsmarkt“, sagte Schlitte.
Was die Zukunft angeht, sind auch die Betriebe im Land Bremen vorsichtig. Für die kommenden zwölf Monate gehen sie überwiegend von einer ungünstigen Entwicklung ihrer Geschäftslage aus. Das zeigt der Konjunkturreport der Handelskammer aus der vergangenen Woche. Als exportorientierter Standort leide die bremische Wirtschaft überdurchschnittlich stark unter der Pandemie. Laut Schlitte ist noch nicht abzusehen, wann sich die Stadt erholen wird.
Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung stehen die Zeichen bundesweit „eindeutig auf Erholung“. Es werde aber wohl zwei Jahre dauern, bis der historische Einbruch vom Frühjahr wettgemacht werden könne. Die Bundesregierung rechnet trotz der erwarteten Erholung im Gesamtjahr mit der schwersten Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie ging zuletzt von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 6,3 Prozent aus. Ähnlich düster sind andere Vorhersagen. In der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 war das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 5,7 Prozent geschrumpft.
Ebenfalls bekannt wurde am Donnerstag, wie die US-Wirtschaft unter der Corona-Krise leidet: Im zweiten Quartal schrumpfte das BIP aufs Jahr hochgerechnet um 32,9 Prozent. Gleichzeitig blieben die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe historisch hoch. In der Woche bis zum 25. Juli stellten 1,4 Millionen Menschen einen Neuantrag.