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Drogenprobleme am Bahnhof Burg Konsum auf dem Bahnsteig

Am Bahnhof Burg gibt es kein Drogenproblem mehr – dieses Bild zeichnete die Polizei im vergangenen Jahr vor dem Beirat. Doch Geschäftsleute klagen: Am Bahnsteig wird gedealt und konsumiert.
14.02.2015, 00:00 Uhr
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Konsum auf dem Bahnsteig
Von Julia Ladebeck

Am Bahnhof Burg gibt es kein Drogenproblem mehr – dieses Bild zeichnete die Polizei im vergangenen Jahr vor dem Beirat. Doch Geschäftsleute klagen: Am Bahnsteig wird gedealt und konsumiert.

Nach Angaben von Gerd Eweg, Leiter des Polizeireviers in Lesum, ist der Drogenhandel am Bahnhof Burg tot. „Da geht nichts mehr“, sagte er im November vergangenen Jahres in einer Sitzung des Beirats Burglesum. Damals ging es um die Zwischenbilanz eines Methadonprojekts, bei dem Patienten psychosoziale Hilfe und Betreuung bekommen. Dank der Arbeit der Arztpraxis, so Eweg damals, gebe es am Burger Bahnhof keine Probleme mehr.

Das sehen Michael Wetzel, Besitzer des Bahnhof-Kiosks, sowie Anke und Niels Hausmann, Inhaber des am Burger Bahnhof ansässigen Geschäfts „Inside Möbel“ ganz anders. Nach wie vor werde am Bahnhof Burg gedealt und es würden Drogen konsumiert. Michael Wetzel hat eine ganz klare Meinung zu den Aussagen des Lesumer Revierleiters: „Das ist blanker Hohn und einfach nicht wahr.“

Den Bahnhof im Blick

Der 43-Jährige hat aus seinem Kiosk einen guten Blick auf den Bahnhof. Immer wieder kommt er auch mit seinen Kunden über die Situation ins Gespräch. Wetzel sagt: „Es stimmt nicht, dass Drogen hier kein Thema mehr sind.“ Er habe selbst beobachtet, wie kleine Päckchen hinter die Toilette für Busfahrer geworfen wurden, als eine Polizeistreife kam. „Und als die weg war, wurden die Päckchen wieder eingesammelt und die Typen haben sich kaputt gelacht.“

Zudem sei das aggressive Verhalten der Methadonpatienten immer wieder Thema und ein Problem. „Meine Mutter arbeitet auch hier im Kiosk. Sie wurde kürzlich übel beschimpft. Nur, weil sie darum gebeten hatte, keine angezündete Zigarette mit ins Geschäft zu nehmen.“ Viele seiner Kunden seien von der Situation genervt oder hätten sogar Angst. „Ich habe eine Kundin, die in der Innenstadt arbeitet und täglich pendelt. Sie wartet lieber bei uns im Kiosk auf den Zug statt auf dem Gleis, weil sie nicht angepöbelt werden möchte.“

"Abends ist Randale"

An diesem Vormittag ist es ruhig. Nur eine kleine Gruppe Männer steht zusammen. Die Männer trinken Bier, einer hat einen großen Hund dabei. „Es ist vom Wetter und von der Jahreszeit abhängig, wie lange sie sich hier aufhalten“, erzählt Wetzel. „Bei Schnee oder Regen ist natürlich nichts los.“ Er kennt jedoch ganz andere Tage. „Da stehen die über Stunden hier, das geht schon morgens um halb acht los. Besonders im Sommer ist hier abends Randale.“ Schon lange lässt Wetzel über Nacht keine Zigaretten mehr in seinem Kiosk – aus Angst vor Einbrüchen.

Ein Blick in die Gitterroste hinter dem Kiosk an Gleis 2 bestätigt Wetzels Schilderung, dass sich die Drogenabhängigen vor allem an dieser, von der Straße her schlecht einsehbaren Stelle aufhalten: Unzählige leere Medikamentenblister, Hunderte Kronkorken und eine Spritze zeugen von ihrem Aufenthalt.

Keine "richtige Drogenszene"

Dass Drogen am Bahnhof Burg konsumiert werden, räumt die Polizei auf Nachfrage denn auch ein. Polizeisprecher Nils Matthiesen: „Ein Drogenhandel, wie er in den Jahren 2009 und 2010 im Bereich des Bahnhofs Burg zu beobachten war, findet aktuell nicht mehr statt. Das schließt jedoch einen Drogenkonsum in diesem Bereich nicht gänzlich aus.“ Der Revierleiter habe im Beirat gesagt, dass man im Bereich Burger Bahnhof nicht von einer „richtigen Drogenszene“ sprechen könne. „Er sprach davon, dass es in einzelnen Fällen zu Geschäften mit Betäubungsmitteln kommen könne“, so der Polizeisprecher.

Anke und Niels Hausmann sind allerdings der Ansicht, dass es sich um weitaus mehr als „einzelne Fälle“ bei den Drogengeschäften handelt. „Wir können das aus unserem Laden wunderbar beobachten“, sagt der Ladenbesitzer. Er schildert: „Hinter dem Busfahrer-Toilettenhäuschen werden Fläschchen oder Alupäckchen versteckt. Und fünf Minuten später kommt jemand anderes und holt sie.“ Für Hausmann ist einleuchtend: „Wo sich Junkies aufhalten, da kommen auch Dealer hin.“

Ärger über den Dreck

Anke Hausmann ärgert sich außerdem über den Dreck. Damit meint sie nicht allein die Zigarettenkippen und Kronkorken, die überall herumliegen. „Hier wird einfach so hingepinkelt“, erzählt sie angewidert. Das Paar betont, dass sie der Polizei keinen Vorwurf machen wolle.

Dennoch müsse härter durchgegriffen werden, findet das Paar, das selbst mittlerweile immer seltener die Polizei ruft. „Die Betroffenen bekommen das doch mit, dass die Polizisten erst zu uns kommen und dann zu ihnen gehen“, sagt Niels Hausmann, „und wir sind immer hier vor Ort. Auch dann noch, wenn die Polizei wieder weg ist“. Er betont: „Grundsätzlich haben wir mit den Methadonpatienten kein Problem. Und es wäre noch weniger eines, wenn sie kommen, in den Zug steigen und wegfahren würden.“

Polizei bestätigt Treffpunkt

Nils Matthiesen bestätigt: „Eine Gruppe von bis zu 25 Personen hält sich häufig im Bereich des Bahnhofs auf. Es handelt sich bei den Personen überwiegend um Substituierte. Diese Gruppe konsumiert vor Ort auch Alkohol und Medikamente.“ Ob es sich dabei um legalen oder illegalen Medikamentenkonsum handele, könne nicht abschließend gesagt werden.

Um diesem Personenkreis einen geregelten Tagesablauf anbieten zu können, so Matthiesen, sei das Projekt an der Burger Heerstraße ins Leben gerufen worden. „Ziel des Projektes ist die Tagesbetreuung von Substituierten. Das Projekt befindet sich noch in der Anfangsphase, derzeit werden Räumlichkeiten hergerichtet.“

Unregelmäßige Einsätze

Zu den Einsätzen der Polizei vor Ort sagt er, uniformierte und zivile Kräfte würden „in unregelmäßigen Abständen und der aktuellen Lage angepasst“ sogenannte Schwerpunktmaßnahmen durchführen – im Jahr 2014 insgesamt 73 Mal. Straf- und Ordnungswidrigkeitsanzeigen seien im vergangenen Jahr „im einstelligen Bereich“ ausgestellt worden.

Dabei sei es vor allem um Ordnungswidrigkeiten wie Müllverursachung oder Urinieren gegangen. 2015 wurde laut Matthiesen bislang eine Strafanzeige wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz gestellt. Zudem habe es in diesem Jahr bisher elf Schwerpunktmaßnahmen gegeben.

"Methadonausgabe dezentralisieren"

Den gewünschten Erfolg zeigen all dieses Maßnahmen nach Ansicht von Michael Wetzel, Anke und Niels Hausmann allerdings nicht. Niels Hausmann ist dafür, die Methadonausgabe in Bremen zu dezentralisieren. „Hier in Burg werden rund 250 Methadonpatienten versorgt. Es ist kein Wunder, dass dadurch Probleme entstehen.“

Nach Angaben von Christoph Fox, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen, gibt es in Bremen insgesamt 1659 Methadonpatienten. Die Anzahl der Substituierten pro Arzt ist auf 50 Personen begrenzt, weshalb die Betreuung einer größeren Patientenzahl nur in Gemeinschaftspraxen wie in Burg möglich ist. In der gesamten Stadt Bremen substituieren 44 Ärzte Patienten, darunter 14 Ärzte an neun Praxisstandorten in Bremen-Nord.

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