Bremen. Peter Habedank und seine Kollegen von der Bauaufsicht testen die Fahrgeschäfte auf der Bürgerweide, bevor diese für das Publikum geöffnet werden. Nach Unfällen auf Freimarkt und Osterwiese wurden die Kontrollen in diesem Jahr verstärkt.
Langsam wird das Stück Achterbahn in die Höhe gehievt. Darauf sitzt ein Arbeiter. Er hält sich mit einer Hand an dem Drahtseil fest, die Beine hat er lässig auf dem Schienensegment ausgestreckt. "Das geht nicht", sagt Peter Habedank, der die Szene aus einiger Entfernung beobachtet hat. Mit schnellen Schritten läuft er zu der Achterbahn-Baustelle, klettert eine schmale Stiege in dem rostigen Metallgerippe empor und weist den Chef des ungesicherten Arbeiters zurecht. Eigentlich fallen Sicherheitsmaßnahmen beim Aufbau der Fahrgeschäfte nicht in seinen Aufgabenbereich, sagt der Bauingenieur, "Aber das hier geht überhaupt nicht."
Sein eigentlicher Aufgabenbereich sind die Rohre, Bolzen und Verstrebungen des Fahrgeschäfts. Mit drei seiner Kollegen überprüft der Bereichsleiter in der Bauaufsichtsbehörde dieser Tage Karussells, Achterbahnen und Autoscooter. Nur wer das Okay der Prüfer bekommt, darf kommende Woche den Betrieb aufnehmen. Die Arbeit auf der Bürgerweide beginnt für Habedank, sobald die ersten Schausteller mit dem Aufbau starten. Jedes Fahrgeschäft und Zelt wird in verschiedenen Bauphasen begutachtet. "Den Unterbau kann man später nicht mehr sehen", erläutert Habedank und klettert über die metallene Rahmenkonstruktion der Riesenschaukel "Frisbee". Tatsächlich entdecken er und sein Kollege Christian Grefe an der Konstruktion einige Bolzen, die nicht gesichert sind.
Habedank weist den Betreiber auf die Nachlässigkeit hin und lässt sich das "Baubuch" geben. In dem Buch, eigentlich ein dicker grüner Aktenordner, stehen alle wesentlichen Informationen über das Fahrgeschäft – von Konstruktionsplänen bis hin zum Termin der letzten Prüfung durch den TÜV. Die Technik von Fahrgeschäften, die sich schnell bewegen, muss jedes Jahr gründlich überprüft werden. Ist einer der Schausteller mit den Kontrollen im Rückstand, darf er sein Geschäft erst öffnen, wenn die technische Untersuchung nachgeholt worden ist.
Ist ein Karussell aufgebaut, lassen die Prüfer es sich noch einmal im Betrieb vorführen. Erst wenn auch hier nichts klappert, schleift oder wackelt, gibt es eine Betriebserlaubnis.
Die Kontrollen an den einzelnen Fahrgeschäften und Zelten beschränken sich jedoch auf Stichproben. "Wir können nicht jede Schraube einzeln überprüfen", stellt Habedank fest. Das sei ohnehin Aufgabe des TÜVs. Auch weniger gefährliche Stände wie Schießbuden könne man aus Zeitgründen nicht mehr prüfen. Die jahrelange Erfahrung helfe jedoch dabei, potenzielle Gefahren zu erkennen. "Hundertprozentige Sicherheit gibt es aber nie", schränkt er ein. Selbst wenn an der Anlage alles stimmt, können Betreiber und Fahrgäste Fehler machen.
Habedanks erster dienstlicher Kontakt mit dem Freimarkt war wenig angenehm. 1995 musste er für einen Kollegen einspringen, als eine Frau auf einem Karussell schwer verletzt wurde. Für solche Fälle haben die Prüfer der Baubehörde während des Freimarkts ein Bereitschaftstelefon eingerichtet. "Während des Freimarkts schlafe ich schlecht", gibt Habedank zu. "Ich bin erst wieder entspannt, wenn alles vorbei und nichts passiert ist."
Bei den vergangenen großen Volksfesten in Bremen blieb die Hoffnung auf einen ruhigen Ablauf unerfüllt: Auf dem Freimarkt 2011 löste sich eine Gondel von der "Krake" und verletzte eine junge Frau schwer. Als sich auf der Osterwiese eine Gondel des "Commander"-Karussells löste, blieben den Passagieren größere Verletzungen nur durch Glück erspart. Die Kontrolleure hätten die Unfälle nicht verhindern können, sagt Habedank. Trotzdem habe man daraufhin die Kontrollen verstärkt. Im Vorlauf des Freimarkts sind in diesem Jahr vier statt zwei Prüfer unterwegs. Normale Bauvorhaben, für die die Aufsicht ebenfalls zuständig ist, müssen in den Freimarktwochen zurückstecken. Auch während des Volksfestes wollen Habedank und seine Kollegen jetzt stärker kontrollieren: Schausteller, die ihre Fahrgeschäfte beispielsweise schneller fahren lassen als erlaubt und damit Verschleiß in Kauf nehmen, sollen so ertappt werden.
Bei Treffen der Bauaufsichtsbehörden der Bundesländer haben sich die Bremer auch für intensivere Prüfungen eingesetzt. Seit dem Frühjahr müssen anfällige Schweißnähte häufiger kontrolliert werden. Im November wollen die Prüfer darüber entscheiden, ob in Karussells künftig Fahrtenschreiber eingebaut werden. Mit solchen Geräten könnte man zum Beispiel feststellen, wie viele Starts und Stopps ein Karussell schon hinter sich hat und ob die verbauten Teile für diese Belastung noch zugelassen sind.
Der tägliche Kontakt mit den Risiken des Rummelbetriebs hat Habedank und seinen Kollegen jedoch nicht den Freimarkt vermiest. Die Prüfer gehen jedes Jahr auch nach Feierabend gemeinsam auf den Jahrmarkt. Mit jedem Karussell fährt Habedank allerdings nicht: "Auf der Frisbee ist mir vor zwei Jahren fürchterlich schlecht geworden."