Plastiktüten mit gebrauchten Windeln vor den Glascontainern, Sperrmüll mitten in der Natur der Rekumer Geest: In Bremen-Nord entstehen immer mehr wilde Müllkippen. DIE NORDDEUTSCHE hat bereits im August über die Schmuddelecken berichtet. Aber die Leitstelle Saubere Stadt beim Umweltressort ist offenbar überfordert. Die Vegesacker CDU fordert jetzt ein neues Müllkonzept. Eine Aufklärungskampagne für korrekte Entsorgung, Schilder und Strafen und eventuell Videoüberwachung sollen helfen.
Dietmar Warwas hat gerade Flaschen in den Altglascontainer am Aumunder Marktplatz geworfen und schüttelt immer noch den Kopf darüber, wie es um die sieben Container herum aussieht: Da liegen zerbrochene Porzellanvasen, haufenweise Beutel mit Restmüll, zerquetschte Pappkartons und etwas weiter sogar eine leere Öldose: „Die Leute, die so etwas machen, muss man erwischen und dann muss es auch richtig schmerzhaft und teuer für sie werden“, findet der Aumunder und plädiert offen für die Videoüberwachung solcher Sammelplätze. Eine ältere Dame, die gerade vom Rad steigt, pflichtet ihm sofort bei: „Es ist doch eine Schande, wie es hier aussieht.“
Torsten Bullmahn, CDU-Fraktionssprecher im Vegesacker Beirat, streift sich Schutzhandschuhe über und schaut in eine Tüte hinein: Sie quillt fast über vor Babywindeln und gebrauchten Feuchttüchern. „Man muss so ein Problem doch an der Wurzel fassen und sich fragen, ob das an zu hohen Müllgebühren liegt, weil andere es auch machen oder weil vielleicht die Menschen – gerade aus einem anderen Kulturkreis – nicht ausreichend über die korrekte Müllentsorgung bei uns informiert worden sind“, sagt der Christdemokrat. „Von der Umweltbehörde muss da jetzt mal etwas kommen.“
Deren Sprecher Jens Tittmann führt an, dass Bremen mehr als 10 000 Menschen aufgenommen habe, die mit der deutschen Müllentsorgung nicht vertraut und es aus ihren Herkunftsländern gewohnt seien, ihren Müll zur Abholung einfach an die Straße zu stellen: „Aber es geht nicht nur um neu Zugezogene. Auch viele Deutsche kommen mit dem Dualen System nicht zurecht. Ich würde wetten, dass fast jeder keine hundertprozentige Treffsicherheit bei dem hat, was er so in den Gelben Sack wirft.“
Flugblätter in mehreren Sprachen
Im Haus von Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) ist die Leitstelle „Saubere Stadt“ für die wilde Müllentsorgung zuständig, aber nur auf öffentlichem Grund. Jens Tittmann: „Sehr häufig liegen diese illegalen Müllkippen auf privatem Grund. Aber in einigen Stadtteilen wie Gröpelingen haben wir mit Wohnungsbaugesellschaften wie der Vonovia inzwischen Prozedere entwickelt, wie man solche Situationen bereinigt.“ An das Verteilen von weiteren tausend Flugblättern in mehreren Sprachen zur Information der wilden Entsorger will er als Lösung nicht so recht glauben: „Das machen wir doch alles, erreichen aber die Leute nicht.“
Für Blumenthals Ortsamtsleiter Peter Nowack (SPD) sind aber diese Informationen über das Entsorgungswesen in den Integrationskursen eine ganz wichtige Angelegenheit. Problem sei aber auch, dass die illegalen Müllentsorger fast immer unerkannt blieben. Zur Videoüberwachung neuralgischer Stellen meint Nowack: „Wenn man das wirklich will, dann bekommt man so eine Überwachung auch durchgesetzt. Aber meistens haben irgendwelche Nachbarn Einwände, weil sie sich dann zu sehr beobachtet fühlen.“ In Blumenthal hat er vor allen Dingen immer wieder Probleme mit Müll an der George-Albrecht-Straße. Dort herrsche in den Wohnungen eine unglaubliche Fluktuation meist von Menschen aus Polen, Bulgarien, Rumänien und Albanien: „Die ziehen oft nach Wochen oder Monaten schon wieder weg, lassen ihr Zeug aber in der Wohnung und der nächste Mieter entsorgt es dann durch das offene Fenster.“ Jetzt sei man „dran“, die Vermieter mit ins Boot zu holen, um diese Zustände zu ändern.
Nowack hat aber auch mitten im Grünen ein Problem mit illegaler Müllentsorgung in seinem Ortsamtsbereich: „In der Rekumer Geest entstehen immer wieder wilde Müllkippen. Als Verursacher sieht er Leute aus dem Landkreis Osterholz, „die feststellen, dass sie dort an der Recyclingstation Gebühren zahlen müssen. Das machen die nicht, fahren weiter und kippen ihren Müll in die Landschaft“. Mit den Landwirten dort gebe es Gespräche, auch diese Täter zu identifizieren.
Wobei Burglesums Ortsamtsleiter Florian Boehlke (SPD) bei einer wilden Müllkippe der jüngeren Vergangenheit auch nur noch verwundert guckte: „Da hatten Leute direkt gegenüber vom Heimathaus hinter dem Biosupermarkt ihren Müll deponiert. Das ist nur ein paar Meter vom Polizeirevier entfernt und schon ziemlich dreist.“ Sein Ortsamt bekommt einmal im Monat Bürgeranrufe zu neuen Fundstellen und gibt diese Informationen dann an die Leitstelle Saubere Stadt weiter. Dort werde schnell reagiert, ist seine Erfahrung. Von der Idee einer Videoüberwachung ist er nicht begeistert, weil der Müll doch an ganz unterschiedlichen Stellen deponiert werde, von Wohngebieten bis zu den Recyclingstationen: „Und man kann ja nun auch nicht mal eben so eine Videokamera aufhängen. Da gibt es hohe Hürden.“
Torsten Bullmahn hat derweil zwar noch keine Videos, aber Müllkippen-Fotos parat, die ihm per Handy-Botschaft frisch geschickt worden sind: An der Ludwig-Jahn-Straße lagern ausgemusterte Teppiche, an der Aue stapelt sich der Sperrmüll. „Da muss mehr gemacht werden. Wir brauchen ein echtes Ordnungsamt und Müllinspektoren, die auch Strafen verteilen. Man kann da nicht länger einfach nur zuschauen.“