Wegen des Herbststurms „Mortimer“ hat die Bahn am Montag mehrere Strecken für den Fernverkehr im Norden gesperrt. Darunter waren auch die Verbindungen Bremen-Hannover und Bremen-Hamburg. In Niedersachsen fiel bei Nienburg ein Baum in eine Oberleitung. Ein ICE konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr in die Unfallstelle. In Fallersleben fuhr ein ICE gegen einen auf die Gleise gestürzten Baum. Der Lokführer ist dabei laut Bahn leicht verletzt worden.
Die Deutsche Bahn steht vor diesem Hintergrund erneut in der Kritik, weil Bäume entlang der Gleise nicht genug zurückgeschnitten sind. Die Bahngesellschaft Metronom, die das Streckennetz nutzt, sieht zwar Fortschritte beim sogenannten Grünschnitt nach einem gemeinsamen runden Tisch in der Vergangenheit. „Es ist aber bei Weitem noch nicht so, wie wir es gefordert haben“, sagte Sprecher Björn Pamperin am Montag. Gerade auf dem Abschnitt Hamburg-Bremen stünden bis Buchholz und Lauenbrück viele große Bäume in der Nähe der Gleise. Der Abstand von sechs Metern reiche dort nicht aus. Metronom plädiere für kleinere Alternativen, etwa Sträucher.
Wenngleich die Regionalzüge fuhren, mussten Passagiere der Metronom am Montag ebenfalls länger warten. Verspätungen gab es laut Pamperin, weil die Züge ihre Geschwindigkeit auf den Strecken drosseln mussten. Außerdem behinderten sie wartende Fernverkehrszüge. „Mortimer“ sei noch ein kleinerer Sturm gewesen. Allerdings: „Dafür muss man kein Hellseher sein, dass größere Stürme kommen und Strecken dann wieder gesperrt sein werden.“ Die zuständige DB Netz habe es versäumt, für den nötigen Rückschnitt der Bäume an den Strecken zu sorgen, sagte auch Bremens Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne). Ein „groß angelegtes Fäll-Programm“ sei aber der falsche Weg, mahnte Schaefer.
Vor knapp zwei Wochen ging an die Bahn bereits Post, nachdem es Behinderungen wegen eines Sturm gegeben hatte: Der niedersächsische Verkehrsminister Bernd Althusmann und NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (beide CDU) schrieben Bahn-Chef Richard Lutz, im Grünschnitt müsse mehr getan werden. In den vergangenen Jahren habe es immer wieder erhebliche Einschränkungen des Bahnverkehrs wegen umgestürzter Bäume gegeben. Es sei zu befürchten, dass die Maßnahmen im „Aktionsplan Vegetation“ der Bahn „längst nicht ausreichen“.
Der Bahn stehen 660 Millionen für den Rückschnitt zur Verfügung
In den nächsten fünf Jahren stehen dafür laut einer Bahnsprecherin 660 Millionen Euro bereit. Beim Rückschnitt müsse selbstverständlich auch dem Natur- und Artenschutz Rechnung getragen werden. Die Bahn hat, so das Ministerium in Hannover, auf das Schreiben bisher nicht geantwortet. Darin angedeutet ein Vorwurf der Minister: Die Bahn habe, so der Eindruck, in den vergangenen Jahren nicht alle Möglichkeiten zum Rückschnitt ausgeschöpft, um Renditeziele zu erreichen.
„Es passiert etwas“, kommentierte Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband „Pro Bahn“. Es gebe Fortschritte bei der Bahn. Doch jahrelang sei zu wenig unternommen worden, was nicht leicht nachzuholen sei. Zudem kritisierte Naumann, dass der Grünschnitt an Autobahnen besser geregelt sei. Metronom-Sprecher Pamperin sieht hier ebenfalls eine Ungleichbehandlung der Gleise gegenüber der Autobahn, obwohl Züge besonders umweltfreundlich seien. „Das kann nicht sein.“
Im Norden konnten im Laufe des Vormittags viele Züge wieder fahren. Auf der Fernstrecke Berlin-Göttingen entfielen aber auch am Nachmittag noch die Stopps in Braunschweig und Hildesheim. Bei Hameln konnte ein Autofahrer gerade noch rechtzeitig bremsen, als ein Baum auf die Straße stürzte. Der Mann blieb unverletzt. Im Landkreis Uelzen bei Wriedel brach das Rotorblatt eines Windrades ab. Die niedersächsischen Landesforsten warnten angesichts erster Herbststürme vor dem Betreten der Wälder. Die Feuerwehr in Dortmund rettete Hunderte Schafe, deren Weide sich in einen See verwandelt hatte, vor dem Ertrinken.
Die Böen von „Mortimer“ verlagerten sich am Montag weiter in den Nordosten und Osten Deutschlands. In der Nähe von Wittenberg in Sachsen-Anhalt wurde ein 41 Jahre alter Autofahrer auf einer Landstraße von einem umstürzenden Baum erschlagen, er starb noch an der Unfallstelle.