Das Aufwärmprogramm stammt aus der Konserve, und doch gehen viele der mehr als 10.000 Besucher der Mehrzweckhalle bereits ausgelassen mit: „Hulapalu“ heißt der hüttentaugliche Hit, der aus den wuchtigen Boxen der Bremer ÖVB-Arena dringt, und den eingängigen Refrain – „Hodi odi ohh di ho di eh“ – können sich auch jene merken, die bei der sogenannten Warm-up-Party im Hansezelt auf dem Freimarkt vis-à-vis vorgeglüht haben. Hohe Displays flankieren die Bühne. Gezeigt wird vorab Werbung für jene Buttermilch, die dem Austro-Rocker Andreas Gabalier „als kleine Schönheitskur für jeden Tag“ gilt, für die „4. Volksrock'n'Roller-Party auf See“ Ende April 2019, ja sogar für die Agentur, die „Vergiss mein nicht“ betreut, das jüngste Album des 33-Jährigen.
Auf den Plätzen 6 und 7 der fünften Reihe im Block 111, Südrang 1, studieren zwei Frauen in Tracht versonnen die Auftrittsorte der Stadiontour 2019. Viele Fans tragen Lederhose und Dirndl; auch sind zahlreiche Hemden in den österreichischen Farben zu sehen, manche groß-, manche kleinkariert. Die beschwingte Ouvertüre zum Auftritt des volkstümlichen Sängers illustrieren pittoreske Impressionen aus den 70er-Jahren sowie Porträts des Künstlers als junger Bub.
Hohelied auf das Eigene
Dann kracht und blitzt es, als stehe eine Erscheinung zu erwarten. Und siehe: Da kommt er, proper und pomadig, in Lederhose, mit Stromgitarre und rot-weiß eingefasster Sonnenbrille, linker Hand umschmeichelt ein Tuch in den nämlichen Farben seinen beachtlichen Bizeps, rechter Hand sind ihm Tücher um die Knöchel geschlungen worden; selbst die Earplugs sind festlich verkleidet.
„Verdammt lang her“ singt der Alpenrocker zum Auftakt; dramaturgisch passt das trefflich zum sentimentalischen Präludium. Vier weitere Stromgitarristen assistieren ihm; zudem ein passabler Pianist und ein pfiffiger Perkussionist. Der Sound ist satt, der sporadische Pyro-Budenzauber gleißend, das Publikum von Beginn an gesanglich und gestisch engagiert. Hinten rechts wirken eine Kontrabassistin und zwei Sängerinnen, die bisweilen auch die Röcke fliegen lassen.
Zu „I sing a Liad für di“, einem gefühlvollen Song vom Album „Herzwerk“ (2010), betritt Andreas Gabalier erstmals den lang in die Arena ragenden Laufsteg; der Dialog mit dem Auditorium klappt vortrefflich: „Uh la la la“, schallt es von den Rängen. Zu „Auf da Alm“, einem ästhetisch gestimmten Hohelied auf das Eigene („Do schau i eini in mei wundascheanes Land“) schnallt er erstmals die Harmonika um. Sinnige Projektion: erhabene Alpenwelt. Dazu fügt sich auch das folgende Lied, „Bergbauernbuam“, dessen viriler Subtext sich auch Menschen ohne Jodeldiplom mitteilen dürfte.
Versprechen ans rührige Publikum
Die Begrüßung fällt zugleich herzlich und krachledern aus: „Servas de Madl, griass eich de Buam!“ Gabalier ist ein höflicher und zudem didaktisch ambitionierter Mann, der die Lebensfreude des Publikums rühmt und Lieder zuverlässig ansagt. Kinderlieb ist er auch: Kleine Besucher lässt er hinter die Absperrung heben, auf dass sie ihn besser sehen mögen. Dass er schon nach der fünften Nummer klatschnass geschwitzt sei, liege gewiss an den feschen Dirndln, sagt Gabalier.
„Aus dem Dirndl quillt / blondgelockt / das neue Frauenbild“ heißt es in „Lederhosen-Zombies“, einem Schmählied der Ersten Allgemeinen Verunsicherung. Gabalier, der einer Frau, die auf einem Plakat anmerkt, dies sei ihr 20. Konzert vom Andi, eine Freikarte für seine Stadientour im kommenden Jahr verheißt, kann damit nicht gemeint sein. Schließlich bezeichnet es der Charmeur, der das Wort Kaiserschmarrn so unnachahmlich zärtlich zu intonieren vermag, als Akt der Wertschätzung, dass so viele Fans in Tracht gekommen sind. Auf die Kunst der Anzüglichkeit versteht er sich dennoch, wie „Die Königin der Alpen“ zeigt, ein rasanter Song mit gewitzten Gitarrenläufen und einem originellen James-Bond-Thema-Finish.
Apropos: Zum Kehraus gibt es nach gut zweieinhalb Stunden Alpenrock und Trachtenglück unter anderem das ersehnte Oktoberfestmitmachopus „Hulapalu“ („Hodi odi ohh di ho di eh“) auf die Ohren – und ordentlich Ovationen für Künstler und Band. Dazu segeln rot-weiße Luftschlangen nieder. Den Schlusspunkt setzt ein auch dem rührigen Publikum zugeeignetes Versprechen: „Amoi seg ma uns wieder“. Der Rest ist Jubel.