Als Junge wanderte er mit seinen Eltern durch die Berge und Täler der rumänischen Karpaten. Das neben den Alpen dominanteste Gebirge Europas beherbergt auch das größte geschlossene Laubwaldgebiet des Kontinents. Doch schon damals, vor gut einem Jahrzehnt, fiel Bogdan Belenis auf, dass diese Wälder immer wieder durch große Kahlschläge unterbrochen wurden – viele davon sind auf illegale Aktivitäten zurückzuführen. In dem 12-Jährigen entstand der Wunsch, den Wäldern zu helfen. Jetzt, mit 21 Jahren, ist er so weit.
Belenis lebt heute in Bremen und studiert an der Constructor University Robotik und Intelligente Systeme. Außerdem ist er Jungunternehmer: Er hat Airoot gegründet, ein Start-up, das verspricht, den Zeit-, Personal- und Kostenaufwand für Aufforstungen deutlich zu reduzieren. Ermöglichen sollen das autonome Drohnen, die Belenis selbst entwickelt hat.
1,8 Milliarden Hektar Bäume pflanzen
Der Bedarf ist definitiv vorhanden: Weltweit verschwinden jährlich durchschnittlich 13 Millionen Hektar Wald. Das ist nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt und die dort lebenden Menschen ein Verlust. Wälder sind auch CO2-Senken, verlangsamen also die Klimaerwärmung. 2019 rechneten Fachleute im renommierten Forschungsjournal "Science" vor, dass die Menschheit rund zwei Drittel ihrer bis dato erzeugten Treibhausgasemissionen kompensieren könnte, wenn sie 1,8 Milliarden Hektar Bäume pflanzen würde.
Auch der Weltklimarat hält es neben zahlreichen anderen Maßnahmen für notwendig, etwa eine Milliarde Hektar Land aufzuforsten, um die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu begrenzen.
Das Konzept von Airoot ist simpel: Eine kleine Drohne arbeitet als Scout und kartiert das Gelände, eine große Drohne fliegt anschließend los und platziert an den besten Standorten Baumsamen. „Die Flugfunktion haben wir weitgehend fertig“, berichtet Belenis, „aber unser Ziel ist, dass die Drohnen in natürlichen Wäldern autonom fliegen können.“ Die kleine Drohne nutzt eine Spektralkamera, um beispielsweise die Feuchtigkeit des Bodens zu ermitteln, und erstellt so den Flugplan für die etwa 1,2 Meter großen Drohnen. Diese sind mit sogenannten Samenbomben beladen – ein Mix aus Samen, Nährstoffen und eventuell weiteren Starthilfen – und schießen diese mittels Druckluft wenige Zentimeter tief in den Waldboden. „Auch von diesen Drohnen haben wir den Prototyp praktisch fertig“, sagt der Gründer und freut sich.
Drohnen säen 27-mal so schnell wie Menschen
Die Methode könnte viele Vorteile haben: „Eine Drohne kann 27-mal so schnell Bäume säen wie ein Mensch und ist auch noch günstiger“, hat Belenis kalkuliert. Er rechnet mit 700 bis 1000 Euro Kosten pro Hektar. Ein aktueller EU-Bericht sieht die manuellen Kosten bei durchschnittlich 3.500 Euro. Fünf Leute mit fünf Drohnen könnten am Tag etwa 150 Hektar einsäen, ganz unabhängig vom Terrain, verspricht der Robotikstudent. Das ist ein weiterer Vorteil, denn in steilem oder rutschigem Gelände kommt es bei Menschen, die pflanzen, immer wieder zu Verletzungen.
Aktuell laufen Gespräche mit Greenpeace Rumänien für einen Feldtest in den Karpaten. Aber auch der Harz ist für den ersten Praxistest im Rennen. Bis dahin will das kleine Team um Belenis die Drohnen fertig entwickeln und auch die Saattöpfe verbessern. „Bislang gehen zu wenig Samen an“, bedauert der Gründer. Das ist nicht zuletzt deshalb problematisch, weil Samen derzeit schwierig zu bekommen sind. Die Produktion hat sich noch nicht daran angepasst, dass die weltweiten Aufforstungen zugenommen haben.
Und nicht jede Baumart ist für jeden Standort geeignet. „Wenn man den falschen Baum in einem bestimmten Gebiet pflanzt, kann er sogar mehr schaden als nützen“, warnt Belenis. „Außerdem werden Baumschulen bei der Samenlieferung bevorzugt“, musste er feststellen. „Wir müssen die Branche erst von unserer Technologie überzeugen.“ Interesse an der Methode hätten jedenfalls schon einige Waldbesitzer signalisiert.
Auf der Suche nach Investoren
Bislang haben Belenis und seine Partner – zwei Mitgründer und zwei Mentoren – die Entwicklung selbst finanziert. Jetzt suchen sie nach Investoren und Förderprogrammen, um die Technologie voranzubringen und die Pflanzdrohnen auf 1,8 Meter zu vergrößern. Denkbar wäre außerdem, die Drohnen dazu zu nutzen, die aufgeforsteten Wälder zu kartieren. Jeder Baum könnte mit Pflanzdatum und GPS-Koordinate in einer Blockchain gespeichert werden. Illegaler Einschlag wäre dann sofort zu erkennen. „Möglich wäre auch, den Gesundheitszustand der Bäume zu erfassen, um Berichte zu erstellen“, erläutert Belenis.
Die deutsche Forstwirtschaft nutzt bereits seit einigen Jahren auch Drohnen für die Inventur: Schon einfache Kameradrohnen können erfassen, wo der Wald Schaden genommen hat. Baumhöhen, Kronenzustände und Baumzahl lassen sich mit hochauflösenden Kameras gut erfassen.
Multispektralkameras und weitere Sensoren könnten anhand der Blattfarben den Gesundheitszustand ermitteln oder früh den Befall mit Schädlingen wie Borkenkäfern erkennen. In anderen Teilen der Welt unterstützen Drohnen den Kampf gegen illegalen Holzeinschlag und Waldbrände, indem sie regelmäßig die Wälder überfliegen.
Nicht ohne Konkurrenz
Allein wird Airoot am deutschen Markt jedenfalls nicht sein: Die Berliner Firma Skyseed pflanzt ebenfalls Samenbomben mittels Drohnen, die sie jedoch nicht selbst entwickelt hat. Je nach Baumart kalkuliert das Unternehmen mit 2.500 bis 4.500 Euro pro Hektar. Kann Airoot die eigenen Ziele halten, hätten die Bremer womöglich die Nase vorn.