Herr Bovenschulte, seit Jahren wird in Bremen das Amt des Kultursenators vom Bürgermeister nebenbei erledigt. Wie ist das zu verstehen: Ist Kultur in Bremen nicht so wichtig?
Andreas Bovenschulte: Ich sehe das überhaupt nicht als Nebenbei-Aufgabe. Kultur hat einen hohen Stellenwert und ist natürlich ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit. Ich habe sehr dafür gekämpft, dass Kultur beim Bürgermeister bleibt und keinem Ressort zugeordnet wird. Kultursenator zu sein, ist eine sehr schöne Tätigkeit.
Das klingt gut, aber was bedeutet das ganz konkret? Bürgermeister ist ja auch kein Ehrenamt, das man im Vorbeigehen erledigt.
Ein Bürgermeister hat insgesamt in seiner Amtsführung mit Kultur zu tun. Die Arbeit eines Kultursenators geht natürlich darüber hinaus. Ich möchte, soweit es der Terminkalender zulässt, an den Sitzungen der Kulturdeputation teilnehmen. Außerdem führe ich Gespräche mit der Kulturverwaltung und tausche mich regelmäßig jede Woche mit Carmen Emigholz aus, die ihre Arbeit als Kulturstaatsrätin seit Jahren hervorragend macht. Es gehört auch dazu, bei Veranstaltungen präsent zu sein, ob das nun das Musikfest ist, eine Theaterpremiere oder ein Konzert in einem Bürgerhaus. Diese Gespräche und Besuche geben mir wichtige Impulse für Überlegungen, wie sich Kultur in Bremen zukünftig entwickeln soll.
Ist das Sich-sehen-lassen auf Veranstaltungen immer Arbeit für Sie, oder sind Sie auch privat viel unterwegs in der Szene?
Natürlich nehme ich als Kultursenator mehr Termine wahr und genieße die ganze Breite des kulturellen Angebots. Ich besuche aber seit vielen Jahren regelmäßig im Theater Bremen das Schauspiel und schätze auch das Musiktheater. Auch das erste Konzert der Bremer Philharmoniker in der neuen Saison war kein Pflichttermin für mich. Ebenso gerne gehe ich zu Rock- und Popkonzerten, auf die Breminale und früher häufiger auch zum Hurricane-Festival. Mit meinen Töchtern war ich kürzlich bei Lady Gaga.
Die Bremer Kulturszene ist bunt und vielfältig. Wissen Sie schon, wo es glatt läuft und wo es hakt?
Ich nehme nicht für mich in Anspruch, in der relativ kurzen Zeit, in der ich im Amt bin, schon zum Fachmann für diesen sehr großen Bereich geworden zu sein. Das wäre vermessen. Im Moment führe ich viele Gespräche und verschaffe mir zunächst einmal einen Überblick.
Haken haben Sie also noch keine erkennen können?
Wir haben eine sehr leistungsfähige und vielfältige Kulturszene, die aber finanziell nicht üppig ausgestattet ist.
Also sorgen Sie jetzt dafür, dass es mehr Geld gibt?
Ich bin als Bürgermeister natürlich für das Ganze zuständig, als Kultursenator aber auch unmittelbarer Interessenvertreter. So werde ich mich in die Haushaltsberatungen einbringen. Ich weiß aber auch, dass die Spielräume begrenzt sind.
Das klingt jetzt schon eher so, als sollten sich die Kulturschaffenden keine allzu großen Hoffnungen machen.
Es wissen alle, dass in Bremen nicht Milch und Honig fließen. Deshalb muss man immer schauen, ob es Möglichkeiten gibt, weitere Spielräume zu eröffnen. Zur Zeit beschäftigen wir uns im Senat mit einer realistischen Einschätzung der Budgets aller Bereiche. Hier sind alle Ressorts gefordert, mit Augenmaß zu verhandeln.
Bisher lag der Kulturetat bei etwa zwei Prozent des Landeshaushalts. Ein realistischer Anteil auch dann noch, wenn der Kuchen allgemein etwas größer werden sollte?
Mein Ziel ist es, dass die Kultur an Bedeutung gewinnt, sie ist Grundnahrungsmittel und nicht Sahnehäubchen. Wie weit das gelingt, müssen die Haushaltsberatungen zeigen. Das ist alles aber noch im Fluss, wir müssen im November die Steuerschätzung abwarten und die unvorhergesehenen Aufgaben beim Flughafen, der Gesundheit Nord und im Bildungsbereich berücksichtigen. Wichtig ist, Schritt für Schritt auch in der Kultur voranzukommen.
Wo sollte man also Schwerpunkte setzen in der Kultur?
Ich würde das Wort Zielsetzung bevorzugen und möchte mich dafür einsetzen, dass die in der Kultur erbrachten Leistungen angemessen honoriert werden und möchte unter anderem für die Künstlerinnen und Künstler der Freien Szene mehr Entfaltungsmöglichkeiten schaffen.
Können Sie das etwas stärker spezifizieren?
Es gibt einige spannende Ansätze und Konzepte, die mein Haus schon verfolgt, die sind aber noch nicht spruchreif. Da muss ich um Verständnis bitten.
Wenn die Freie Szene mehr Unterstützung bekommt, gibt es dann auf der anderen Seite etablierte Einrichtungen, die sich Sorgen machen müssen, weil bei ihnen vielleicht gekürzt wird?
Nein, so ist das nicht gedacht. Wir haben beispielsweise mit der Kunsthalle und dem Museum Weserburg schon Vertragsverhandlungen geführt, die Mehrbedarfe berücksichtigen. Es müssen allgemeine Kostensteigerungen ausgeglichen werden, die beispielsweise durch Tariferhöhungen anfallen. Es gibt nicht für andere weniger, wenn wir die Freie Szene fördern.
Ende dieses Jahres läuft der Solidarpakt für die Freie Szene aus, die Projektmittel sollten dann fest im Haushalt verankert werden, mithilfe eines erhöhten Zuschusses aus dem Länder-Finanzausgleich. Inzwischen ist nicht klar, wie hoch der überhaupt ausfallen wird. Was bedeutet das für Ihre Pläne?
Einen entsprechenden Vorschlag werden wir in die Haushaltsberatungen einbringen.
Was alles Kultur ist, darüber ist in den vergangenen Jahren in der Kulturdeputation oft gerungen worden. Auch die sogenannten Freiluftpartys galten auf einmal als förderungswürdig. Auch für Sie?
Solange Freiluftpartys kein eigenständiges Kulturprogramm haben, sehe ich das nicht. Wir sind mit den Schwerpunkten, die wir jetzt schon setzen und noch setzen wollen, gut bedient.
Aus den Reihen der Koalitionspartner der SPD, bei den Grünen und der Linkspartei, waren die Rufe danach allerdings durchaus vernehmbar.
Ich wäre sehr froh, wenn das Parlament den von uns vorgelegten Kulturhaushalt am Ende beschließt. Wenn es im Parlament eine Mehrheit dafür gibt, den Kulturetat zulasten anderer Etats deutlich zu erhöhen, um beispielsweise Freiluftpartys zu bezuschussen, dann wehre ich mich nicht dagegen.
Sie haben bisher von Schwerpunkten gesprochen. Nun könnte man Kulturpolitik auch so betreiben: Es werden nicht alle mit der Gießkanne bedacht, sondern gezielt Leuchttürme gefördert. Damit die Stadt ein klares kulturelles Profil erhält.
Natürlich werden wir die Leuchttürme gerade mit Blick auf die Innenstadtentwicklung fördern. Aber ich halte eine Konzentration allein auf wenige Bereiche nicht für das Richtige. Das wird der Vielfältigkeit und den vielen kleineren Initiativen nicht gerecht. In einer pluralistischen Gesellschaft brauchen wir eine lebendige Kulturszene, deren Akteure auch künftig der Unterstützung bedürfen. Wer die Gießkanne kategorisch ablehnt, sorgt dafür, dass diese Szene vertrocknet, um mal im Bild zu bleiben.
Was auch bedeuten kann, dass Projekte, für die Bremen überregional bekannt ist und mit denen die Stadt sich gerne schmückt, weiterhin am Limit kratzen. Die Jazzahead beispielsweise oder das Musikfest.
Das kann ich so nicht stehen lassen. Sie arbeiten nicht unter komfortablen Bedingungen, aber am Limit kratzen sie nicht. Bei solchen Projekten profitieren wir stark davon, dass Menschen mit Leidenschaft dabei sind, die private Förderer und auch die Bundeskulturstiftung überzeugen können, sich ebenfalls zu engagieren. Drittmittelakquise gehört auch zu den Aufgaben von Kultureinrichtungen. Was die Profilierung angeht: Das Konzept für eine „Musikstadt Bremen“, an dem Musikfest-Intendant Thomas Albert und Christian Kötter-Lixfeld, Intendant der Bremer Philharmoniker, mitarbeiten, ist durchaus schon fortgeschritten.
Und wie sieht es mit der „City of Literature“ im Jahr 2023 aus? Literarische Angebote stärker zu fördern, ist eine Idee, die neben dem Ziel „Musikstadt Bremen“ im Vordergrund des Kulturförderberichts steht, der 2018 veröffentlicht wurde. Braucht Bremen das wirklich?
Das ist als ganz organische Sache entstanden, ähnlich wie die „Musikstadt Bremen“. Es gibt in diesem Bereich bereits ganz viele Aktivitäten: die Literarische Woche, die Globale, den Bremer Literaturpreis beispielsweise, denn Bremen hat eine lebendige literarische Szene. Da lag die Überlegung nah, das zu bündeln. Und die deutsche Unesco-Sektion hat uns schon ihre Unterstützung für die Bewerbung zugesagt: So kann man das, was an beachtlicher Substanz da ist, sichtbar machen und weiterentwickeln.
Wir haben jetzt ganz viel über die geförderte Kultur gesprochen. Aber es gibt ja noch mehr, und auch das wird von sehr vielen Bremern angesteuert. Gehen Sie auch mal ins Kino?
Oh ja. Als Student war ich fanatischer Kinogänger. „Once upon a time ...in Hollywood“ von Quentin Tarantino habe ich zuletzt angeschaut. Hat mir sehr gut gefallen. Ich bin überhaupt ein Fan von Tarantino.
Das Gespräch führten Alexandra Knief und Iris Hetscher.
Andreas Bovenschulte wurde 1965 in Hildesheim geboren und studierte Jura in Bremen. Seit 1984 ist er SPD-Mitglied, 2014 gewann er die Wahl zum Bürgermeister von Weyhe. Am 15. August 2019 wurde er als Nachfolger Carsten Sielings, der auf eine weitere Amtszeit verzichtete, zum Bremer Bürgermeister gewählt. Er ist auch Kultursenator.