Wenn man sich einen Dirigenten wie Yoel Gamzou einlädt, der ein ausgewiesener Spätromantik-Experte ist, und dann noch zwei Werke aus den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auf dem Programm stehen, dann verspricht der Abend ein spannender zu werden. So geschehen beim 3. Philharmonischen Konzert der Bremer Philharmoniker am Montag in Glocke. Auf dem Zettel hatten Musiker und Dirigent das Violinkonzert Nr. 1 von Karol Szymanowski (uraufgeführt 1922) und die Sinfonietta von Erich Wolfgang Korngold (uraufgeführt 1913).
Gamzou ist Korngold-Fan. Er hatte dessen Oper "Die tote Stadt" während seiner Zeit als Generalmusikdirektor am Theater Bremen (bis zu diesem Sommer) ins Programm gehoben. Und so geriet die Sinfonietta, die nach der Pause gespielt wurde, zum Kernstück des Abends. Die Verniedlichungsform ist eigentlich unangebracht. Das knapp 45 Minuten lange Werk mit seinen vier Sätzen geht als ausgewachsene Sinfonie durch. In dem Stück, das der Komponist als 15-Jähriger (!) erdacht hat, ist Korngolds eigene Version der Spätromantik gut zu erspüren - in späteren Jahren als Filmmusikkomponist musste er daran nicht viel ändern.
Gamzou und das in großer Besetzung angetretene Orchester haben diese ereignisreiche Musik, die tatsächlich oft wie der Soundtrack zu einem Hollywoodstreifen der 1940er-Jahre wirkt, stets im Griff. Das Breitwandige lässt Gamzou süffig spielen, bremst aber, bevor es in zu viel Schmelz versinkt. Die fantasievoll ausgestalteten Melodien und Themen hat er mit einer ausgefeilten Dynamik versehen, Tempowechsel sind streng gehalten. Diese glasklare Herangehensweise trägt viel dazu bei, dass die kompositorischen Ideen Korngolds mit ihren manchmal wilden Stimmungsumschwüngen in den Instrumentengruppen deutlich herauszuhören sind: Holz- und Blechbläser, Harfen, Schlagwerk erspielen sich ihre Parts vor den dominierenden Streichern.
Nervöses Flirren
Vor der Pause verzückt die Solistin des Abends, Clara-Jumi Kang, bei Szymanowskis Violinkonzert das Publikum. Auch dieses stark atmosphärische Werk, das zwischen nervösem Flirren, mal leidenschaftlichen, mal fast schon introvertiert-experimentellen Passagen changiert, ist geprägt von vielerlei Einflüssen bis zu Anklängen an frühen Jazz. Clara-Jumi Kang meisterte ihren technisch enorm schwierigen Part mühelos, mit kräftigem Zugriff bei nuancierter Gestaltung. Die Philharmoniker begleiteten präzise. Als Zugabe spielte Kang das Andante aus Johann Bachs Sonata 2. Viel Applaus für beide Teile des Konzerts.