Ein Mangel an Beethoven-Klängen war diese Woche in der Glocke nun wirklich nicht zu beklagen. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen spielte an vier Abenden alle neun Symphonien – und auch die Bremer Philharmoniker begannen ihre traditionelle Vorschau auf die kommende Saison am Sonntag mit dem Auftakt des Final-Satzes der Symphonie Nr. 9 d-moll.
Das komplette Werk steht in dem Beethoven gewidmeten Dezember-Konzert des Ensembles auf dem Programm, natürlich samt Schluss-Chor, der "Ode an die Freude". Mit dabei wird dann auch der reichlich beklatschte Gast des Mini-Konzerts am Sonntag sein: die Sopranistin Vada Williams. Sie sang mit leuchtend-kräftiger Stimme eine Kostprobe aus "Ah, perfido".
Gut besucht
Nach zwei Jahren, in denen die Saison-Vorschau wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden musste, konnten Intendant Christian Kötter-Lixfeld und Generalmusikdirektor Marko Letonja wieder Live-Publikum zu dem 60-minütigen Appetizer empfangen. Der große Saal der Glocke war gut besucht, aber, anders als bei früheren Veranstaltungen dieser Art, nicht komplett gefüllt. Was eventuell an dem veränderten Termin (Sonntag statt Sonnabend) und auch an der wieder steigenden Angst vor Ansteckung mit Covid 19 liegen könnte.
Am Programm mit sechs musikalischen Kostproben lag es jedenfalls nicht. Kötter-Lixfeld stimmte das Publikum auf die Themen der Spielzeit 2022/23 ein. Große Krisen hätten sich immer schon in Werken der Musikgeschichte gespiegelt: Klima, Krieg und Unsicherheiten im Zusammenleben fänden sich daher auch in der Auswahl der Musikstücke, die man für die zwölf Philharmonischen Konzerte und die diversen Nebenreihen ausgesucht habe.
Vor allem die Natur treibt die Musiker und Musikerinnen, deren Ensemble nicht umsonst Mitglied in der Initiative "Orchester des Wandels" ist, um. Auf dem Programm des ersten Philharmonischen Konzerts Anfang Oktober steht daher auch Igor Strawinksys "Le Sacre du Printemps" – zu hören gab es die von den Bläsern unter Leitung des Fagotts gestaltete Introduktion, bis zu dem Punkt, wo das hämmernde Geigenmotiv einsetzen müsste. Doch das spare man sich mit Blick auf die Skandalgeschichte der Uraufführung von 1913 lieber, so Letonja launig. Details hatte Kötter-Lixfeld zuvor preisgegeben: 27 Verletzte bei Tumulten im Publikum und sogar eine Forderung zum Duell.
Davon konnte bei der Uraufführung der sechsten Symphonie Anton Bruckners keine Rede sein, als schwer zugänglich gilt der Komponist trotzdem. Wenn die Symphonie im November in der Glocke erklingt, wird daher Bruckner-Spezialist und Ex-Generalmusikdirektor Markus Poschner nach Bremen zurückkehren. Darauf kann man sich auch deshalb freuen, weil der Ausschnitt, den die Philharmoniker am Sonntag spielten, schon jetzt voller Strahlkraft und Wucht war. Weiter ging es mit den "Symphonischen Tänzen" Sergej Rachmaninows (geplant für Januar 2023) und einem wunderbar elegisch dargebotenen "Schwan von Tuonela" von Jean Sibelius, dem wohl populärsten Teil der "Lemminkäinen"-Suite (geplant für Juni 2023).
Das Konzert endete mit einer Kostprobe der "Phil Intensiv"-Reihe, bei der die Musiker sich im Februar 2023 drei Tage lang der Musik Dmitrij Schostakowitschs widmen. Ein Festival für einen Komponisten, der zerrissen war zwischen dem Willen, sein wegweisendes musikalischen Genie zu leben und den Zwängen, in der Stalin-Ära der Sowjetunion nicht unterzugehen. Mit einem eindrucksvollen Ausschnitt aus seiner eher zirzensisch denn getragen-ernsthaften Symphonie Nr. 9 Es-Dur verabschiedeten sich die Philharmoniker.
Für Christian Kötter-Lixfeld war es die letzte Saisonpräsention. Der Intendant verlässt die Philharmoniker und ist ab November Geschäftsführer der Kultur Herford gGmbH, die Stadtbibliothek, Stadttheater und Musikschule der Stadt Herford betreibt (wir berichteten).