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Marcel Heyms Debütalbum Orbits Abschied von der Jugend: „Ich kann die Zeit nicht festhalten“

Der Achimer Musikproduzent Marcel Heym alias Orbit widmet sein neues Album dem Erwachsenwerden – und schließt gleichzeitig ab mit seiner Jugend. Seine Suche nach etwas "Echtem" führt ihn bis nach Südtirol.
06.09.2025, 05:00 Uhr
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Von Laura Kurtz

Zwischen Decken, Lichterketten und Kabeln sitzen und liegen die Freunde, die sich seit ihrer Schulzeit kennen, aneinander gekuschelt im Schrebergartenhäuschen, während draußen der Regen tropft. 25 Kopfhörer liegen bereit. In etwa so viele Menschen lädt Marcel Heym ein, in sein noch unveröffentlichtes Album reinzuhören. Er ist aufgeregt – mehr, als wenn er Fremden seine Musik vorspielt. Diese Menschen hier haben nicht nur seine Jugend entscheidend geprägt, sondern auch viele seiner Lieder.

Das Debütalbum des Dream-Pop-Produzenten mit dem Künstlernamen Orbit erscheint am 14. November und trägt den Titel „Countless feelings but so few words“ (Unzählige Gefühle, aber so wenige Worte). So klingt es auch: Mit wenigen Worten singt Marcel Heym von Sommer und Heimat, Jugend und davon, sie loszulassen. Viel Gefühl steckt in den lauten und leisen Melodien: synthetische Klänge kombiniert mit Gitarre und Klavier, hier fröhliche Kinderstimmen, dort melancholischer Frauengesang.

Viele Lieder sind in seinem Zuhause in Achim bei Bremen entstanden. Heimat, das bedeutet für ihn: Sicherheit. Ein Ort, an den er immer wiederkehren kann. Und seine Freunde, die er seit der Schulzeit kennt – und die ihn bis heute begleiten.

Erholung vom Erfolg

Orbit startete als Soloprojekt vor fünf Jahren. Der namensgebende Titel seiner ersten EP „Perspectives“ (2020) wurde 20 Millionen Mal gestreamt, „Friday Night“ über 25 Millionen Mal. In den Folgejahren trat Marcel Heym auf Festivals deutschlandweit auf, ging in Europa und Übersee auf Tour, spielte 2024 auf dem US-Festival Burning Man und war Voract von Ben Böhmer. Danach spürte er, dass es zu viel wurde.

In diesem Jahr hat er deshalb runtergeschaltet. Weniger Reisen, mehr Zeit für sein Album. „Das war mehr Arbeit, als ich gedacht hatte“, sagt Heym. Die meisten Lieder seien schon vor längerer Zeit entstanden: "Sie mussten nur noch fertig produziert werden." Aber wann ist ein Song fertig? „Wenn das Gefühl stimmt“, findet Heym. Er habe lernen müssen, dass Lieder nicht „perfekt poliert“ werden können: „Oft sind Songs einfach Momentaufnahmen.“

Um Gefühl geht es bei Orbit viel. Daher auch der Albumtitel „Countless feelings“. Er verarbeitet darin seine Angst vor Verlust: „I can’t keep it“ – Ich kann es nicht festhalten, singt der 30-jährige Künstler in einem Lied und meint damit seine Jugend. Bei dem Projekt Orbit sei es immer auch ums Großwerden gegangen. Mit dem neuen Album möchte Marcel Heym mit dieser Lebensphase abschließen.

„Ich wollte es lange nicht wahrhaben, dass ich älter geworden bin“, sagt er. Statt das Ende seiner Jugend als Verlust zu betrachten, könne er es jetzt besser akzeptieren. Stolz sein auf die eigene Entwicklung. „Ich fühle mich angekommen in meinem Leben.“ Und er verspüre den Wunsch nach Ruhe.

Auch deshalb habe er sich in diesem Jahr mehr auf seine Musik konzentrieren wollen und auf die Menschen, die ihm nahestehen. Aus seinem Bedürfnis, etwas Echtes und Verbindendes zu schaffen, entsteht eine Idee: Er startet einen Aufruf, will sein Album im kleinen Kreis teilen mit Freunden und Fremden in verschiedenen Kleinstädten.

Über 70 Einladungen trudeln ein. Daraus stellt sein Team eine Fünf-Tage-Route zusammen: Außer in Achim besucht er noch eine Freundesgruppe in Halle an einem ausgebauten Schulbus, in Karlsruhe in einem Garten, dann geht es nach Eigeltlingen am Bodensee und zum Abschluss auf die Seiser Alm in den Südtiroler Dolomiten.

„Im letzten Moment habe ich Sorge bekommen, dass es komisch werden könnte“, sagt Heym. Unbekannten Menschen in solch einem intimen Setting seine Musik vorspielen? Aber alle empfangen ihn und sein Team herzlich, es fühlt sich schnell vertraut an. Die meisten legen sich hin, schließen die Augen und lauschen der Platte. „Es hat mich nervös gemacht, so unmittelbar zu beobachten, was meine Musik auslöst“, gibt Heym zu. Zu sehen, wie sich einer nach dem anderen fallenlässt, sei die schönste Reaktion.

Zeit für eine neue Geschichte

Eine gute Erfahrung, sein Wunsch hat sich erfüllt. Nur wie geht es für Orbit weiter? Wird er wieder durch die Welt touren, vor großen Menschenmengen spielen? Marcel Heym lässt es auf sich zukommen, möchte auf sein Gefühl vertrauen. „Mein Team und ich fragen uns immer wieder: Was wollen wir erreichen? Was fühlt sich gesund an?“

Das ist ihm wichtig in einer Industrie, die so schnell ist und deren Druck er auch spürt. Herauszufinden, was eigentlich seine eigenen Ansprüche sind. Er hat auf jeden Fall Lust, weiter Musik zu machen, möchte dabei aber eine neue Perspektive einzunehmen. Die Geschichte des Erwachsenwerdens hat er erzählt, nun wird es Zeit für eine andere. Welche das sein wird, weiß er selbst noch nicht.

Der Auftakt seiner Listening-Tour im Schrebergarten seiner Freunde in Bremen spiegelt die Gefühle wider, die in Orbits Debütalbum stecken. Wärme und Vertrautheit, aber auch Angst vor dem, was kommt. Seine Freunde, die auf dem Boden zwischen Kabeln und Lichterketten liegen und gemeinsam das Album zum ersten Mal hören, sagen, sie seien dankbar für die gemeinsame Zeit. Ein wenig verunsichert sie Heyms Abschied von der Jugend, aber er versichert ihnen: „Auch wenn wir erwachsen werden, können wir trotzdem zusammenbleiben.“

Info

Orbit – Countless feelings but so few words. Erscheint am 14. November als LP und bei den bekannten Streamingdiensten. Label: Orbit (Membran).

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