Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Musiker Orbit im Porträt Die Umlaufbahn des Erfolgs

Eigentlich wollte Marcel Heym sich in seiner Heimatstadt vom Trubel der Musikindustrie erholen und wieder unbefangener Musik machen. Doch dann werden seine Lieder unerwartet viel gehört.
21.12.2022, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Die Umlaufbahn des Erfolgs
Von Hannah Krug

"Ich habe euch alle so unglaublich lieb", sagt Marcel Heym, während er seine Gitarre stimmt. Unter seinem Künstlernamen Orbit steht er auf der Bühne des Lagerhauses, das Konzert ist ausverkauft. Am Vormittag sind Heym und seine Freunde aus seinem weißen Camperbus gesprungen, hievten routiniert eine Ladung Instrumente heraus und schleppten sie in das Bremer Kulturzentrum im Viertel. Bremen ist für den jungen Musiker aus Achim bekanntes Terrain und das Ende seiner ersten offiziellen Tour. Am Tag zuvor trat er in Hamburg auf. Als er heute in die Hansestadt hineinfuhr, sagte er: "Es fühlt sich unglaublich schön und warm an, wieder in diese Stadt zu kommen, die man so gut kennt."

Hinter Orbit steckt mehr als Heyms Musik. Seit Wochen ist der 26 Jahre alte Multiinstrumentalist in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einer Freundesgruppe unterwegs. Die transparente Stoffleinwand, die programmierte Lichterinstallation, die bedruckten Fan-T-Shirts, die Bandfotos in Iphone-Drei-Optik – alles machen sie selbst. Viele junge Menschen im Publikum kennen die Künstlergruppe. Neben Heym singt und spielt auf der Bühne die erst 19 Jahre alte Morlin, ebenfalls eine Freundin aus Achim.

Durchbruch als Schülerband

Das Lied "Awake" hat Heym bereits vor zehn Jahren geschrieben. Er sang die Liedzeilen, experimentierte mit dem Synthesizer und kreierte das komplette Tonstück bei seinen Eltern im Keller in Achim. Es war die Zeit, als er anfing mehr und mehr Musik selbst zu produzieren. Und es war auch die Zeit, als er zusammen mit seinem Bruder und zwei weiteren Freunden mit der Schülerband "Casting Louis" einen deutschlandweiten Wettbewerb gewann und anschließend in Schanghai und Los Angeles auftrat. "Als Teenager habe ich immer davon geträumt." Geträumt von dem ganz großen Ding. Jubelnde Zuschauermassen, große Musikfestivals, ein eigenes Tonstudio – all das geht auch in Erfüllung. Zwischendurch müssen ein paar Abiklausuren verschoben werden. Heym ist bald kaum mehr in Achim, pendelt regelmäßig nach Berlin. "Da ging es richtig gut voran." Er kommt unter die Obhut eines bekannten Musikproduzenten, begleitet ihn zu zahlreichen Studioaufnahmen. Menschen sagen ihm, dass Großes auf ihn wartet.

Mit Anfang 20, Heym wohnt mittlerweile in der Kulturhauptstadt, sickert langsam etwas durch. Eine Sehnsucht holt ihn ein, die er sich in Berlin nicht erfüllen kann: "Ehrliche und herzliche Menschen, denen die Kunst und die Freundschaft am Herzen liegt." Heym zieht zurück nach Achim, das Tonstudio zu Hause bei seinen Eltern wird wieder sein zweites Wohnzimmer. "Ich kann mich hier davon abkapseln, was die Gesellschaft von mir als Künstler verlangt." In Achim sagt ihm niemand, was der aktuelle Trend in der Musikindustrie ist oder welche Labels gerade angesagt sind. "Hier habe ich wirklich das Gefühl, ich kann frei Musik machen." Eine Freundin ermutigt ihn schließlich seine vielen Lieder, die er bereits produziert hat, zu veröffentlichen.

Lesen Sie auch

Und dann geschieht etwas, womit er nicht gerechnet hat. Eine spanische Influencerin teilt seinen Song "Perspective" auf dem Videoportal Tiktok. "Der Song ist dann in Südamerika komplett viral gegangen." Das Lied wurde auf Spotify mittlerweile fast zehn Millionen Mal gehört. In Mexiko befindet sich heute noch seine zweitgrößte Hörerschaft.

Seine Musik bezeichnet Heym selbst als Dream-Pop. Er vermischt organische Gitarrenriffs mit puristischen, hellen elektronischen Tönen. Dazu verzerrt er seine Stimme, macht sie ein paar Töne höher und versieht sie mit einem Hall – Auto-Tune nennt sich der Effekt. Er und seine Musikpartnerin tragen Kopfhörer auf der Bühne, um ihre eigenen Stimmen besser zu hören. Während des Konzerts hört sich der eine oder andere Gitarrenriff mit Ansage auch mal etwas schräg an – auch das gehört zur musikalischen Sprache von Orbit. Aber es ist noch mehr, was die Fangemeinschaft begeistert. "Menschen sagen mir, dass durch meine Musik eine Ehrlichkeit spricht, die sie berührt."

Schnell gewachsen

Das Konzept Orbit ist schnell gewachsen. "Eigentlich habe ich dieses Projekt ja nur aus Spaß gemacht und ich wollte nichts kreieren, was mich fesselt." Dafür ist es jetzt, nach der komplett ausverkauften Tour, zu spät. "Mit dem Wachstum kommt auch mehr Verantwortung." Heym und seine Freunde haben viel Zeit investiert, Orbit ist mittlerweile ein fester Bestandteil ihres Lebens. Einen Vertrag mit einer Produktionsfirma haben sie nie unterschrieben. Das bedeutet aber auch, dass sie sich nun ganz allein um die Zukunft Gedanken machen müssen. "Wir sortieren das mal wieder neu ein und gucken, was wir überhaupt wollen. Ich werde mich ein bisschen aus dem Strudel herausnehmen, weil dieses Jahr unglaublich viel passiert ist."

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)